DER WINTER
17. Einleitung und Recitativo und Cavatina
(Die Einleitung schildert die dicken Nebel, womit der Winter anfängt)
<SIMON>
Nun senket sich das blasse Jahr,
und fallen Dünste kalt herab.
Die Berg’ umhüllt ein grauer Dampf,
der endlich auch die Flächen drückt,
und am Mittage selbst
der Sonne matten Strahl verschlingt.
<HANNE>
Aus Lapplands Höhlen schreitet her
der stürmisch düst’re Winter jetzt.
Vor seinem Tritt erstarrt
in banger Stille die Natur.
Licht und Leben sind geschwächet,
Wärm’ und Freude sind verschwunden.
Unmutsvollen Tagen folget
schwarzer Nächte lange Dauer.
18a. Recitativo
<LUKAS>
Gefesselt steht der breite See,
gehemmt in seinem Laufe der Strom.
Im Sturze vom türmenden Felsen hängt
gestockt und stumm der Wasserfall.
Im dürren Haine tönt kein Laut;
Die Felder deckt, die Täler füllt
ein’ ungeheure Flockenlast.
Der Erde Bild ist nun ein Grab,
wo Kraft und Reiz erstorben liegt,
wo Leichenfarbe traurig herrscht
und wo dem Blicke weit umher
nur öde Wüstenei sich zeigt.
18b. Aria
<LUKAS>
Hier steht der Wand'rer nun,
verwirrt und zweifelhaft,
wohin den Schritt er lenken soll.
Vergebens suchet er den Weg;
ihn leitet weder Pfad, noch Spur.
Vergebens strenget er sich an,
und watet durch den tiefen Schnee;
er find’t sich immer mehr verirrt.
Jetzt sinket ihm der Mut,
und Angst beklemmt sein Herz,
da er den Tag sich neigen sieht,
und Müdigkeit und Frost
ihm alle Glieder lähmt.
Doch plötzlich trifft sein spähend Aug’
der Schimmer eines nahen Lichts,
da lebt er wieder auf;
vor Freude pocht sein Herz.
Er geht, er eilt der Hütte zu,
wo, starr und matt, er Labung hofft.
19a. Recitativo
<LUKAS>
So wie er nah't, schallt in sein Ohr,
durch heulende Winde nur erst geschreckt,
heller Stimmen lauter Klang.
<HANNE>
Die warme Stube zeigt ihm dann
des Dörfchens Nachbarschaft,
vereint im trautem Kreise,
den Abend zu verkürzen
mit leichter Arbeit und Gespräch.
<SIMON>
Am Ofen schwatzen hier
von ihrer Jugendzeit die Väter,
zu Körb’ und Reusen flicht
die Weidengert’ und Netze strickt
der Söhne munt’rer Haufe dort.
Am Rocken spinnen die Mütter,
am laufendem Rade die Töchter;
und ihren Fleiß belebt
ein ungekünstelt frohes Lied.
19b. Chor
<FRAUEN>
Knurre, schnurre, knurre,
schnurre, Rädchen, schnurre!
<HANNE>
Drille, Rädchen, lang und fein,
drille fein ein Fädelein
mir zum Busenschleier.
<FRAUEN>
Knurre, schnurre, knurre,
schnurre, Rädchen, schnurre!
<HANNE>
Weber, webe zart und fein,
webe fein das Schleierlein
mir zum Kirmesfeier.
<FRAUEN>
Knurre, schnurre, knurre,
schnurre, Rädchen, schnurre!
<HANNE>
Außen blank und innen rein,
muß des Mädchens Busen sein,
wohl deckt ihn der Schleier.
<FRAUEN>
Knurre, schnurre, knurre,
schnurre, Rädchen, schnurre!
<HANNE, ALLE>
Außen blank und innen rein,
fleißig, fromm und sittsam sein,
locket wack’re Freier.
20a. Recitativo
<LUKAS>
Abgesponnen ist der Flachs;
nun stehen die Räder still.
Da wird der Kreis vereng't
und von dem Männervolk umringt,
zu horchen auf die neue Mär,
die Hanne jetzt erzählen wird
20b. Chor
<HANNE>
Ein Mädchen, das auf Ehre hielt,
liebt’ einst ein Edelman.
Da er schon längst nach ihr gezielt,
traf er allein sie an.
Er stieg sogleich vom Pferd und sprach:
Komm, küsse deinen Herrn!
Sie rief vor Angst und Schrecken:
Ach! Ach ja! Von Herzen gern.
<CHOR>
Ei, ei, warum nicht nein?
<HANNE>
Sei ruhig, sprach er, liebes Kind,
und schenke mir dein Herz!
Denn meine Lieb’ ist treu gesinnt,
nicht Leichtsinn oder Scherz.
Dich mach ich glücklich: nimm dies Geld,
den Ring, die gold’ne Uhr!
Und hab’ ich sonst, was dir gefällt,
o sag’s und fordre nur!
<CHOR>
Ei, ei, das klinkt recht fein!
<HANNE>
Nein, sagt sie, das wär’ viel gewagt,
mein Bruder möcht’ es seh’n,
und wenn er’s meinem Vater sagt,
wie wird mir’s dann ergeh’n?
Er ackert hier uns allzunah;
Sonst könnt’ es wohl gescheh’n.
Schaut nur, von jenem Hügel da
könnt Ihr ihn ackern seh’n.
<CHOR>
Ho, ho, was soll das sein?
<HANNE>
Indem der Junker geht und sieht,
schwingt sich das lose Kind
auf seinen Rappen und entflieht
geschwinder als der Wind.
Lebt wohl, rief sie, mein gnäd’ger Herr!
So räch ich meine Schmach!
Ganz eingewurzelt stehet er
und gafft ihr staunend nach.
<CHOR>
Ha, ha, das was recht fein!
21a. Recitativo
<SIMON>
Von dürrem Oste dringt
ein scharfer Eishauch jetzt hervor.
Schneidend fährt er durch die Luft,
verzehret jeden Dunst
und hascht des Tieres Odem selbst.
Des grimmigen Tyranns,
des Winters Sieg ist nun vollbracht,
und stummer Schrecken drückt
den ganzen Umfang der Natur.
22b. Aria und Recitativo
<SIMON>
Erblicke hier, betörter Mensch,
erblicke deines Lebens Bild.
Verblühet ist dein kurzer Lenz,
erschöpfet deines Sommers Kraft.
Schon welkt dein Herbst dem Alter zu;
schon naht der bleiche Winter sich
und zeiget dir das off’ne Grab.
Wo sind sie nun, die hoh’n Entwürfe,
die Hoffnungen vom Glück,
die Sucht nach eitlem Ruhme,
der Sorgen schwere Last?
Wo sind sie nun, die Wonnetage,
verschwelgt in Üppichkeit?
Und wo die frohen Nächte,
im Taumel durchgewacht?
Wo?
Verschwunden sind sie wie ein Traum.
Nur Tugend bleibt
Die bleibt allein
und leitet uns unwandelbar
durch Zeit und Jahreswechsel,
durch Jammer oder Freude
bis zu den höchsten Ziele hin.
22. Chor
<SIMON>
Dann bricht der große Morgen an;
der Allmacht zweites Wort erweckt
zu neuem Dasein uns,
von Pein und Tod auf immer frei.
<LUKAS, SIMON>
Die Himmelspforten öffnen sich,
der heil’ge Berg erscheint.
Ihn krönt des Herren Zelt,
wo Ruh’ und Friede thront.
<ERSTER CHOR>
Wer darf durch diese Pforte geh’n?
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Der Arges mied und Gutes tat.
<ZWEITER CHOR>
Wer darf besteigen diesen Berg?
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Von dessen Lippen Wahrheit floß.
<ERSTER CHOR>
Wer darf in diesem Zelte wohnen?
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Der Armen und Bedrängten half.
<ZWEITER CHOR>
Wer wird den Frieden dort genießen?
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Der Schutz und Recht der Unschuld gab.
<ERSTER CHOR>
O seht, der große Morgen naht!
<ZWEITER CHOR>
O seht, er leuchtet schon!
<BEIDE CHÖRE>
Die Himmelspforten öffnen sich,
der heil’ge Berg erscheint.
<ERSTER CHOR>
Vorüber sind,
<ZWEITER CHOR>
verbrauset sind,
<ERSTER CHOR>
die leidenvolle Tage,
<ZWEITER CHOR>
des Lebens Winterstürme.
<BEIDE CHOR>
Ein ew’ger Frühling herrscht;
und grenzenlose Seligkeit
wird der Gerechten Lohn!
<HANNE, LUKAS, SIMON>
Auch uns werd’ einst ein solcher Lohn!
Laßt uns wirken, laßt uns streben!
<ERSTER CHOR>
LaBt uns kämpfen!
<ZWEITER CHOR>
LaBt uns harren,
<BEIDE CHOR>
zu erringen diesen Preis.
Uns leite Deine Hand, O Gott!
Verleih uns Stärk’ und Mut:
<ERSTER CHOR>
Dann siegen wir,
<Zweiter CHOR>
Dann gehn wir ein.
<BEIDE CHÖRE>
in Deines Reiches Herrlichkeit.
Amen!