DRITTER AUFZUG
(Zimmer in einer Herberge zu Straßburg)
SIEGFRIED
Nichts hält mich mehr, - laßt Eure Salben,
Laßt Eure Kräuter, gute Frau!
Die Wund ist heil - seht, seht!
MARGARETHA
Nur wenige Tage schont Euch noch!
(Für sich)
Der muss von Eisen sein, daß er
Den Trank verschmerzt, den ich ihm gab -
SIEGFRIED
Gern schont ich länger mich;
doch Sehnsucht nach Haus,
nach meinem Weib
läßt keine Ruh' mir mehr -
MARGARETHA
Habt auch ein Weib Ihr?
SIEGFRIED
Gute!
Wie sie gibt's keine auf der Welt!
MARGARETHA
Und auch ein Kind?
SIEGFRIED
Noch ist's ein Wunsch,
Schon lang harr' ich auf Kunde -
(sich aufrichtend)
Und morgen muss ich fort, ich halt's
Nicht länger aus -
MARGARETHA
Geduld, Geduld -
Zwei Tage pflegt Euch noch, und wollt
Ein art'ges Spiel Ihr sehen,
Das Euch an Heimat und an Weib erinnerte,
So wüsst' ich eines -
SIEGFRIED
Ich versteh' Euch nicht -
MARGARETHA
So hört,
Hier gibt's einen Zauberspiegel,
D'rin schaut man alles, was man will,
Und alles, was sich jüngst begeben -
SIEGFRIED
Geht das mit rechten Dingen zu?
MARGARETHA
Weiß nicht -
Untrüglich aber ist das Spiel gewiß.
SIEGFRIED
Was Ihr da sagt! - und auch von meinem Weibe,
Glaubt Ihr, berichtet mir's? -
MARGARETHA
Von Allem, was Ihr wünscht -
SIEGFRIED
Das muß ich sehen.
Sagt, um welche Stunde könnt' Ich's schau'n?
MARGARETHA
Am liebsten, wenn es dunkelt schon -
SIEGFRIED
Hier nehmt für Eure Pflege dies - vielleicht
Such' ich Euch auf noch -
(ihr eine Geldbörse reichend)
MARGARETHA
Euer Edelknecht Weiß meine Wohnung.
So gehabt Euch wohl und haltet ruhig Euch!
SIEGFRIED
Lebt wohl!
(Margaretha ab)
Ja wart' Du bis zum jüngsten Tag
Auf mich mit Deinem Spiegel -
(Rufend)
Conrad, Conrad!
(Conrad komm)
Spring', Junge freu' Dich, laß
Die Rosse satteln, heute noch
Geht's fort nach Haus!
Die Wunde zwar
Noch brennt sie - aber hier
Brennt's heißer noch,
(Auf sein Herz deutend)
Nicht länger
Ertrag' ich's fern vom Haus -
(Er öffnet das Fenster)
Die Nacht ist schön -
O wonn'ger Strom der Luft! -
(zu Conrad)
Mach' alles fertig, - fort, fort!
(Er nimmt die Waffen von der Wand)
Lied
Bald blick' ich dich wieder mein Heimatschloß,
Der Turmwart bläst, es jauchzt der Troß,
Die Tore rasseln vor mir auf,
Die Brücke fällt, ich schaue hinauf -
Sie hat mich erblickt, sie fliegt mir entgegen
Und Aug' an Aug' und Brust an Brust!
O Liebestreu', wie reich an Segen!
O Wiederseh'n so reich an Lust!
Besiegt ist der Feind,
Das Kreuz erhöht,
Des Glaubens Panier das Land durchweht!
Wie grimm die Wut des Heiden war,
Mit uns stritt Gott und seine Schar!
(Innig)
Voll Bangen blicktest du aus nach mir.
Mein Weib, aus deinen stillen Mauern -
Was bangst du noch? wirf fort dein Trauern -
Nun trennt keine Macht mich mehr von dir!
(nach aussen horchend)
Wer sprengt so eilig in das Thor herein!
Der Reiter scheint von Sinnen - hör' ich recht,
Er lenkt die Schritte her zu mir!
(Er tritt an das Fenster)
Da hackt ein Rab' am Fenster -
Was kann's bedeuten!
(Golo tritt ein)
Du Golo? Herzlich sei gegrüßt! -
Doch wie so bleich Du siehst - Du bringst
Nichts Gutes!
GOLO
Gutes nicht.
SIEGFRIED
Mein Weib ist tot -
GOLO
Sie lebt –
SIEGFRIED
Sie lebt?
Dann sei es, was es sei; ich trag' es leicht.
GOLO
Les't selbst!
SIEGFRIED
Von meinen Hauscaplan -
(Er liest den Brief)
Herr des Himmels!
GOLO
(Für sich)
Mir beben die Knie,
Ich möchte zurück den grausigen Weg,
Den mich Margaretha gehn läßt.
SIEGFRIED
Golo! - -
Hier nimm mein Schwert,
Schlag' nieder mich -
Doch wart' - erst sie!
GOLO
O faßt Euch, edler Herr!
SIEGFRIED
Verhöhn' mich nicht mit Deinem Trost! -
GOLO
Hört mich: Der dieses schrieb, der log!
SIEGFRIED
Der log? Geh, guter Golo!
Du möchtest lügen, meinen Schmerz zu mildern,
Es gelingt dir nicht!
GOLO
(für sich)
Entsetzen fasst beim
Anblick dieses Mannes mich!
SIEGFRIED
Niemand auf der Welt Soll mehr mich seh'n.
Niemand wissen, wo ich geblieben!
(leise, furchtbar)
doch - auch sie soll sterben!
Hier nimm mein Schwert
Und hier den Ring,
Zeig' beides ihr,
damit sie weiß, von wem Du kommst! - -
(Er hält plötzlich inne)
Doch still! Es fällt mir ein -
Hier lebt eine Frau,
Die mir erzählte Von einem Wunderspiegel,
D'rin sich zeige Vergang'nes
Bis auf's Kleinste abgeschildert.
Glaubst du an solche Spiegel?
Ich nicht viel,
Doch drängt's mich, ihn zu
Rat zu zieh'n, Komm, lass uns geh'n!
(Er ruft Conrad)
Conrad!
Du weißt ja, wo die Frau,
Die meiner pflegte, wohnt! führ' uns hinaus!
Komm, guter Golo! -
(Sie gehen ab)
Verwandlung
(Margarethens Zimmer)
MARGARETHA
Ich sah ein Kind im Traum,
Ein hübsches Kind,
Die Zähne weiß, die Backen roth und rund,
Die Augen - nein, die sah ich nicht so recht -
Zwei Tränen standen d'rin. - Es rief:
"Zum Engel war ich dir bestimmt,
Du warfst mich in den Bach";
Dummer Traum!
(Es pocht)
Da fällt mir ein:
Hätt' ich das Mägdlein nicht ertränkt,
Und wär' es schön geworden,
Wie ich's sah im Traum,
So klopfet jetzt vielleicht ein Freiersmann,
Ein solcher, der das Glück bringt über Nacht; -
Laßt ruh'n die Toten,
Denn sie ruhen gut.
Ei nun, wer stört sie?
Stören sie doch mich!
SIEGFRIED
(von aussen)
Hollah, macht auf!
MARGARETHA
Wer da?
(Sie öffnet)
Herr Graf - so spät!
(Sie bringt ihm eine Sessel)
SIEGFRIED
Laßt, laßt! wer sagt Euch,
Daß ich sitzen will!
Ich halte mich nicht lange bei Euch auf.
MARGARETHA
Was steht zu Diensten Euch,
Wenn nicht der Spiegel?
SIEGFRIED
Vergessen hätt' ich's fast - ja, ja -
Den Spiegel wollt' ich seh'n,
So zeigt mir denn mein Weib, und was
Sie vor sechs Monden that!
MARGARETHA
Ihr scheint erzürnt mein edler Herr -
D'rum bitt' ich, schlagt mir nicht,
Wenn was Ihr seht, Euch nicht gefällt,
Das theure Stück entzwei!
SIEGFRIED
Hör' auf!
MARGARETHA
Das heißt: fang' an?
Doch die Bedingung,
Denkt jetzt nicht an Ihn,
Der einst die Welt erschuf und sie erhält!
SIEGFRIED
Sehr sonderbare Worte sprecht Ihr da!
Den Spiegel! den Spiegel!
MARGARETHA
(auf Golo zeigend)
Und hier der fremde Herr -
Soll er nicht geh'n?
SIEGFRIED
Er ist mein Freund, mag Alles schau'n -
Wir beid' sind rein!
MARGARETHA
(heimlich zu Golo)
Was bebst Du, Feiger, denke d'ran,
Wie Dich die Gräfin höhnte?
GOLO
(für sich)
Sie reißt zu Sünd' und Schand' mich fort!
SIEGFRIED
Was bebst Du, Golo, denke d'ran,
Wie Du mich rächst!
Die Wahrheit will ich wissen,
Ob auch das Herz mir bricht.
GOLO
(Zu Margaretha)
Du mahnst mich recht,
Schon reut' es mich!
SIEGFRIED
Die Wahrheit, will ich wissen.
MARGARETHA
(zu Golo)
Dein muss sie werden noch!
Dein muss sie werden, Mut nur, Mut!
GOLO
Stehst Du mir bei, o wird's gelingen!
SIEGFRIED
(ungeduldig zu Margaretha)
Was zaudert Ihr, - lasst sehn den Spiegel!
MARGARETHA
(heimlich Zu Golo)
Ein schönes Weib –
fürwahr des Küssens wert!
GOLO
Mein muss sie werden, mein!
SIEGFRIED
Den Spiegel! den Spiegel!
MARGARETHA
Euch zu dienen!
(Sie beschreibt mit ihrem Zauberstab einen weiten Kreis)
"Erscheint!"
(Siegfried Burg ist im Hintergrunde sichtbar)
Erstes Bild
STIMMEN HINTER DER SZENE
Abendlüfte kühlend weh'n,
Liebe singt in Wald und Feld!
Kann ein Herz allein besteh'n,
Wo so selig rings die Welt!
Saaten wogen um dich her,
Schlägt dein Herz nicht Liebeswogen
Den du suchst, er tritt daher,
Erde wird zum Blütenmeer:
Und du wirst hinabgezogen,
Wie die Biene selig schwer.
SIEGFRIED
Sieh da - mein Schloß - wahrhaftig!
GOLO
Mit Satan steht die Hex' im Bunde.
SIEGFRIED
Dort der Eichwald auch! Und dort
Auf dem Fußpfad die Gestalt -
Sie ist's, mein Weib - -
GOLO
O holdeste der Frauen!
SIEGFRIED
Jetzt auch Drago! -
Sie sprechen freundlich! Wahrlich,
Mit Jedem sprach sie so!
Da find' ich nichts zu schelten.
Komm, Golo! der Spiegel sagt mir nichts,
Was ich nicht wüßte!
MARGARETHA
Sechs Monden wies ich ihn zurück,
Wie Ihr gewünscht.
Wollt Ihr ein Bild vielleicht
Aus neu'rer Zeit?
SIEGFRIED
Was meinst Du, Golo!
GOLO
Lass't sehn!
SIEGFRIED
Wohlan denn!
MARGARETHA
(feierlich)
Erscheint, erscheint!
Zweites Bild
(Kleiner Schlosgarten im inneren Burghof)
STIMMEN HINTER DER SZENE
Wann die Lichter der Erde verglüh'n,
Wann der Blüten Kelche geschlossen,
Eine Blume der Nacht ist entsprossen,
Möchte heimlich erblüh'n!
Wann die Sterne funkeln und sprüh'n,
Wann der Mond seine Wunder ergossen,
Hat der Liebe Reich sich erschlossen,
Möchte heimlich erglüh'n!
SIEGFRIED
Der Garten meines Burghof's ist's,
Die Laube an der Mauer dort,
Ich kenn' sie wohl! -
Sie beid' allein, - zur Abend-Stunde!
(für sich)
Bursch, du bist keck!
GOLO
So sah ich oft sie sitzen,
Doch ahnt' ich Schlimmes nicht!
STIMMEN HINTER DER SZENE
(aus der Ferne)
Eine Blume der Nacht ist entsprossen,
Möchte heimlich erglüh'n!
(Das Bild verschwindet)
SIEGFRIED
Das Schlimme
Seh' ich noch nicht! So sittsam wie sie blickt,
So scheint sie nur als Herrin sich
Zu fühlen, er als Diener.
GOLO
Wohl dem, der da vertraut!
SIEGFRIED
Könnt noch ein Bild ihr hexen,
Aus jüngster Zeit ein Stück?
MARGARETHA
Drei Bilder steh'n in meiner Macht
Mehr nicht! Wollt noch das Ihr?
SIEGFRIED
Das letzte denn!
MARGARETHA
Erscheint, erscheint, erscheint!
Drittes Bild
(Genoveva Schlafgemach. Drado öffnet die Tür und Genoveva reicht ihm die Hand)
STIMMEN HINTER DER SZENE
Leiser Tritt durch's stille Haus!
Ferne der, der sie bewacht!
Sei verschwiegen,
Dunkle Nacht,
Lösch' die hellen Lichter aus!
Von dem Baum im Paradies,
Dess' verbotne Frucht so süß,
List'ge Schlange brich' auf's Neu'
Goldne Frucht und kriech' herbei!
SIEGFRIED
Schurke, Drago! -
Golo, räche mich! -
(Siegfried zieht das Schwert, zertrümmert den Spiegel und stürzt Golo mit sich ziehend, hinaus)
MARGARETHA
O Gott!
(Aus dem zertrümmerten Spiegel steigt
Dragos Geist hervor)
Furchtbar Gesicht, verschwind!
DRAGO'S GEIST
Umsonst versuchst Du Deine Macht an mir!
MARGARETHA
Wer sandte Dich!
GEIST
Der Herr!
MARGARETHA
Ich kenn' ihn nicht!
GEIST
Du riefst ihn an, -
Und er gebietet Dir durch meinen Mund:
Schnell mach' Dich auf, dem Grafen Siegfried,
Was Du an ihm gefrevelt, zu gesteh'n.
MARGARETHA
Und tu' ich's nicht?
GEIST
So wird
Dir binnen Mondesfrist der Holzstoß aufgerichtet,
Du stirbst den Feuertod - so ist's bestimmt!
MARGARETHA
So töt' ich mich vorher!
GEIST
Versuch' es nicht!
In Flammen wirst
Du Salamander sein, Im Schoß der Erde Wurm,
Und gegen Stahl und Eisen wie von Stein!
MARGARETHA
Entsetzen packt mich -
GEIST
Ja,
So ist's bestimmt, so wird's erfüllt!
(Er versinkt)
MARGARETHA
Schon lecken die Flammen am Holz -
Sie fassen mich blutigrot!
Wie es nagt, wie es brennt! O Tod!
Fürchterlich, fürchterlich!
(Auf den Trümmern des Spiegels steigen Flammen auf)
Wo flieh' ich hin,
Wo berg' ich mich!
Herr des Himmels, Hab' Erbarmen! Luft!
Hülfe! Rettung! - -
Siegfried! Siegfried! -
(In Flammen eingehüllt stürzt sie fort)