Nr. 11 - Entre-Akt
DRITTER AUFZUG
Kurze Waldszene. Tag.
Man hört hinter der Szene von Zeit zu Zeit Jagdmusik.
ERSTER AUFTRITT
Zwei fürstliche Jäger. Späterhin Max und Kaspar. Zuletzt noch ein fürstlicher Jäger.
ERSTER JÄGER
Es ist herrliches Jagdwetter!
ZWEITER JÄGER
Nimmermehr hätt' ich das geglaubt; bis gegen Morgen war ein Mordlärm!
ERSTER JÄGER
Besonders in der Wolfsschlucht soll ganz und gar der böse Feind gehaust haben.
ZWEITER JÄGER
Das ist ein für allemal seiner Grossmutter Lustwäldchen.
ERSTER JÄGER
Dort gibt's Windbrüche! Mannsdicke Stämme sind zersplittert wie Rohrstäbe, Riesentannen strecken die Wurzeln gen Himmel.
ZWEITER JÄGER
Ja, ja, man weiss schon, wer dort sein Wesen treibt.
ERSTER JÄGER
Mit deinen Fratzen! lass uns gehen!
Max etwas erhitzt, kommt mit Kaspar.
ERSTER JÄGER
zu ihnen im Vorübergehen
Guten Tag!
ZWEITER JÄGER
zieht vor Max den Hut
Glück zu, Herr Expektant!
MAX
Gute Jagd!
ZWEITER JÄGER
den ersten noch zurückhaltend und auf Max deutend
Hör', sei höflich gegen den! Das ist ein Mordskerl! Er hat drei Schüsse getan - unsereiner kann nicht so weit sehen, geschweige denn treffen! Die Durchlaucht ist ganz versessen auf ihn. Das Glücksrädchen dreht sich wunderlich. Läuft's so fort, kann er noch Landjägermeister werden.
ERSTER JÄGER
Meinethalben! Komm!
Sie gehen.
MAX
zu Kaspar
Gut, dass wir allein sind! Hast du noch von den Glückskugeln? Gib!
KASPAR
Das wär' mir! Bedenk', drei nahm ich, vier für dich! Kann ein Bruder redlicher teilen?
MAX
Aber ich habe nur noch eine! Der Fürst hatte mich ins Auge gefasst. Drei Schüsse hab' ich getan zum Erstaunen. Was hast du denn mit den Kugeln angefangen?
KASPAR
Es macht mir Spass, so einen Galgenvogel herunterzulangen! Was kümmert mich die ganze fürstliche Jagd!
MAX
Bist du toll?
dringend
So hast du noch eine; gib mir sie!
KASPAR
Dass ich kein Narr war'! Ich noch eine - du noch eine! Die heb' dir fein auf zu dem Probeschuss.
MAX
Gib mir deine dritte!
KASPAR
Ich mag nicht -
MAX
Kaspar!
DRITTER JÄGER
tritt ein, zu Max
Der Fürst verlangt Euch, aber augenblicklich! Es ist ein Streit entstanden, wie weit Euer Gewehr trifft
Er geht ab.
MAX
Sogleich!
Zu Kaspar, dringend
Gib mir die dritte!
KASPAR
Nein, und wenn du mir zu Füssen fielst -!
MAX
Schuft!
Ab.
KASPAR
Immerhin! - Jetzt geschwind die sechste Kugel verbraucht.
Er ladet
Die siebente, die Teufelskugel, hebt er mir schon zum Probeschuss auf! Hahaha! Das Exempel ist richtig. Wohl bekomm's der schönen Braut! - Dort läuft ein Füchslein; dem die sechste in den Pelz!
Er legt im Abgehen an; man hört alsbald ausserhalb den Schuss fallen.
Verwandlung
Agathens Stübchen, altertümlich, doch niedlich verziert. An einer Stelle ein kleiner Hausaltar, worauf in einem Blumentopf der Strauss weisser Rosen, von dem durch das Fenster hereinfallenden Sonnenstrahl beleuchtet.
ZWEITER AUFTRITT
Agathe allein.
AGATHE
bräutlich und blendend weiss, mit grünem Band gekleidet, kniet an dem Altar, steht auf und wendet sich dann vorwärts mit wehmütiger Andacht.
Nr. 12 - Kavatine
Und ob die Wolke sie verhülle,
Die Sonne bleibt am Himmelszelt;
Es waltet dort ein heil'ger Wille,
Nicht blindem Zufall dient die Welt!
Das Auge, ewig rein und klar,
Nimmt aller Wesen liebend war!
Für mich auch wird der Vater sorgen,
Dem kindlich Herz und Sinn vertraut,
Und wär' dies auch mein letzter Morgen,
Rief' mich sein Vaterwort als Braut:
Sein Auge, ewig rein und klar,
Nimmt meiner auch mit Liebe wahr!
DRITTER AUFTRITT
Agathe. Ännchen, geschmückt, doch nicht mit Blumen oder Zweigen.
ÄNNCHEN
Ei, du hast dich dazugehalten! - Aber du bist ja so wehmütig; ich glaube gar, du hast geweint? Brauttränen und Frühregen, sagt das Sprichwort, währen nicht lange. Nun, das weiss der Himmel, Regen genug hat's gegeben! Oft dacht' ich, der Sturm würde das alte Jagdschlösschen ganz über den Haufen blasen!
AGATHE
Und Max war in diesem schrecklichen Wetter im Walde! Zudem habe ich so quälende Träume gehabt.
ÄNNCHEN
Träume? Ich habe immer gehört, was einen vor dem Hochzeitstage träumt, muss man sich merken. Solche Träume sollen, wie Laubfrösche, das ganze liebe Ehestandswetter verkündigen. Was träumtest du denn?
AGATHE
Es klingt wunderbar. Mir träumte, ich sei in eine weisse Taube verwandelt und fliege von Ast zu Ast, Max zielte nach mir, ich stürzte; aber nun war die weisse Taube verschwunden, ich war wieder Agathe, und ein grosser schwarzer Raubvogel wälzte sich im Blute.
ÄNNCHEN
klatscht in die Hände
Allerliebst! allerliebst!
AGATHE
Wie kannst du dich nur über so etwas freuen?
ÄNNCHEN
Nun, der schwarze Raubvogel - da hast du ja die ganze Bescherung: du arbeitest noch spät an dem weissen Brautkleide und dachtest gewiss vor dem Einschlafen an deinen heutigen Staat; da hast du die weisse Taube! Du erschrakst vor den Adlerfedern auf Maxens Hut, es schauert dir überhaupt vor Raubvögeln; da hast du den schwarzen Vogel! Bin ich nicht eine geschickte Traumdeuterin?
AGATHE
Deine Liebe zu mir macht dich dazu, liebes, fröhliches Kind! Gleichwohl - hast du nie gehört, dass Träume in Erfüllung gingen?
ÄNNCHEN
für sich
Fällt mir denn nichts ein, sie zu zerstreuen? Laut mit scheinbarer Ernsthaftigkeit und Furcht. Freilich, alles kann man nicht verwerfen! Ich selbst weiss da ein grausenerregendes Beispiel.
Nr. 13 - Romanze und Arie
ÄNNCHEN
Einst träumte meiner sel'gen Base,
Die Kammertür eröffnete sich,
Und kreideweiss ward ihre Nase,
Denn näher, furchtbar näher schlich
Ein Ungeheuer
Mit Augen wie Feuer,
Mit klirrender Kette -
Es nahte dem Bette,
In welchem sie schlief -
Ich meine die Base
Mit kreidiger Nase -
Und stöhnte, ach! so hohl! und ächzte, ach! so tief!
Sie kreuzte sich, rief,
Nach manchem Angst- und Stossgebet:
Susanne! Margaret! Susanne! Margaret!
Und sie kamen mit Licht -
Und - denke nur! - und -
Erschrick mir nur nicht! -
Und - graust mir doch! - und -
Der Geist war: - Nero - der Kettenhund!
Agathe wendet sich unwillig ab.
ÄNNCHEN
zärtlich
Du zürnest mir?
Doch kannst du wähnen,
Ich fühle nicht mit dir?
Nur ziemen einer Braut nicht Tränen!
Trübe Augen,
Liebchen, taugen
Einem holden Bräutchen nicht.
Dass durch Blicke
Sie erquicke
Und beglücke,
Und bestricke,
Alles um sich her entzücke,
Das ist ihre schönste Pflicht.
Lass in öden Mauern
Büsserinnen trauern,
Dir winkt ros'ger Hoffnung Licht!
Schon entzündet sind die Kerzen
Zum Verein getreuer Herzen!
Holde Freundin zage nicht!
Nun muss ich aber auch geschwind den Kranz holen. Die alte Elsbeth hat ihn eben aus der Stadt mitgebracht, und ich vergessliches Ding liess ihn unten. Horch, da kommen die Brautjungfern schon!
Im Abgehen
Guten Tag, liebe Mädchen! Da, singt immer die Braut an. Ich komme gleich wieder.
Sie geht ab.
VIERTER AUFTRITT
Agathe. Brautjungfern in ländlicher Feiertracht, doch gleichfalls ohne Kränze und Blumen.
Nr. 14 - Volkslied. Chor
EINE BRAUTJUNGFER
Wir winden dir den Jungfernkranz
Mit veilchenblauer Seide;
Wir führen dich zu Spiel und Tanz,
Zu Glück und Liebesfreude!
ALLE
einen Ringelreihn um Agathe tanzend
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide! Veilchenblaue Seide!
EINE BRAUTJUNGFER
Lavendel, Myrt' und Thymian,
Das wächst in meinem Garten;
Wie lang bleibt doch der Freiersmann?
Ich kann es kaum erwarten.
ALLE
wie oben
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide! Veilchenblaue Seide!
EINE BRAUTJUNGFER
Sie hat gesponnen sieben Jahr'
Den goldnen Flachs am Rocken,
Die Schleier sind wie Spinnweb' klar,
Und grün der Kranz der Locken.
ALLE
wie oben
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide! Veilchenblaue Seide!
EINE BRAUTJUNGFER
Und als der schmucke Freier kam,
War'n sieben Jahr' verronnen;
Und weil sie der Herzliebste nahm,
Hat sie den Kranz gewonnen.
ALLE
wie oben
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide! Veilchenblaue Seide!
FÜNFTER AUFTRITT
Die Vorigen. Ännchen.
ÄNNCHEN
mit einer zugebundenen runden Schachtel, fällt noch mit ein.
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz! Nun, da bin ich wieder! Aber fast wär' ich auf die Nase gefallen. Kannst du dir's denken, Agathe? Der alte Herr Kuno hat schon wieder gespukt.
AGATHE
beklommen
Was sagst du?
ÄNNCHEN
Dass ich über das alte Bild fast die Beine gebrochen hätte. Es ist diese Nacht zum zweitenmal von der Wand gefallen und hat ein tüchtiges Stück Kalk mit heruntergenommen. Der ganze Rahmen ist zertrümmert.
AGATHE
Fast könnte es mich ängsten! Er war der Urvater unsers Stammes.
ÄNNCHEN
Du zitterst auch vor einer Spinne! In einer so tollen Nacht, wo alle Pfosten krachen, ist's da zu verwundern? Auch führ' ich wohl keinen sonderlichen Hammer, und der alte Nagel war ganz verrostet. Nun frisch, noch einmal das Ende des Liedchens!
Sie schneidet den Bindfaden entzwei, kniet tändelnd vor Agathe nieder und überreicht ihr die Schachtel, während sie mit den andern singt.
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide -
AGATHE
öffnet und fährt zurück
Ach!
Alle ausser Ännchen, die noch kniet, fahren gleichfalls erblassend zurück.
ÄNNCHEN
Nun, was ist denn?
Agathe nimmt den Kranz heraus; es ist ein silberner Totenkranz. Selbst erschrocken.
Eine Totenkrone! Himmel, das ist -
aufspringend und ihre Verlegenheit verbergend
das ist nicht zum Aushalten! Da hat die alte halbblinde Botenfrau, oder die Verkäuferin, gewiss die Schachteln vertauscht!
Die Brautjungfern sehen einander bedenklich an. Agathe blickt still vor sich nieder und faltet die Hände.
Aber was fangen wir nun an?
Sie macht schnell die Schachtel zu und verbirgt sie.
Weg damit! Einen Kranz müssen wir haben!
AGATHE
Vielleicht ist dies ein Wink von oben; der fromme Eremit gab mir die weissen Rosen so ernst und bedeutend; windet daraus die Brautkrone!
ÄNNCHEN
Vor dem Altar und im Sarg mag die Jungfrau weisse Rosen tragen.
Sie nimmt die Rosen schnell aus dem Blumentopf und verschlingt sie zu einem Kranz.
Ein herrlicher Einfall! Sie verschlingen sich von selbst
sie setzt den Kranz Agathe auf
und stehen dir allerliebst! - Doch nun lasst uns auch gehen, unsere Begleiter werden sonst ungeduldig - Singt! singt!
BRAUTJUNGFERN UND ÄNNCHEN
im Abgehen mit gedämpfter Stimme
Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!
Veilchenblaue Seide! Veilchenblaue Seide!
Verwandlung
Eine romantisch schöne Gegend
Auf der einen Seite und in der Hälfte des Hintergrundes die fürstlichen Jagdzelte, worin vornehme Gäste und Hofleute, alle Brüche auf den Hüten, bankettieren. Auf der andern Seite sind Jäger und Treibleute gelagert, welche gleichfalls schmausen; hinter ihnen Hirsche, Eber und anderes Wildbret in Haufen aufgetürmt.
SECHSTER AUFTRITT
Ottokar. Kuno. Max. Kaspar. Jäger. Treibleute. Zuletzt Agathe, Ännchen, der Eremit, die Brautjungfern und ein Zug von Landleuten. Ottokar im Hauptzelt an der Tafel; am untersten Platz Kuno. Max in Kunos Nähe, doch ausserhalb, auf seine Büchse gestützt. Auf der entgegengesetzten Seite Kaspar hinter einem Baum lauschend.
Nr. 15 - Jägerchor
CHOR DER JÄGER
Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen,
Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,
Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Jo ho! Tralalalala!
Diana ist kundig, die Nacht zu erhellen,
Wie labend am Tage ihr Dunkel uns kühlt.
Den blutigen Wolf und den Eber zu fällen,
Der gierig die grünenden Saaten durchwühlt,
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Jo ho! Tralalalala!
Anstossen der Gläser und lautes Gejubel.
OTTOKAR
Genug der Freuden des Mahls, werte Freunde und Jagdgenossen! Und nun noch zu etwas Ernstem. Ich genehmige sehr gern die Wahl, welche Ihr, mein alter wackerer Kuno, getroffen habt. Der von Euch erwählte Eidam gefällt mir.
KUNO
Ich kann ihm in allem das beste Zeugnis geben; gewiss wird er sich stets beeifern, Eurer Gnade würdig zu sein.
OTTOKAR
Das hoff' ich. Sagt ihm, dass er sich bereit halte!
Kuno geht aus dem Zelt, spricht mit Max und geht dann wieder hinein.
KASPAR
für sich
Wo bleibt nur das Döckchen? Hilf, Samiel!
Er klettert auf den Baum und sieht sich um.
OTTOKAR
Wo ist die Braut? Ich habe so viel zu ihrem Lobe gehört, dass ich auf ihre Bekanntschaft recht neugierig bin.
KUNO
Nach dem Beispiel Eurer erlauchten Ahnen war't Ihr immer sehr huldreich gegen mich und mein Haus.
MAX
hält die Kugel in der hohlen Hand und blickt starr auf sie hin; für sich
Dich sparte ich auf - Unfehlbare! Glückskugel! Aber du lastest jetzt zentnerschwer in meiner Hand.
KUNO
Der Zeit nach muss meine Tochter bald hier sein. Doch wollt Ihr mir gnädig Gehör schenken, Herr Fürst, so lasst den Probeschuss vor ihrer Ankunft ablegen. Der gute Bursch hat seit einiger Zeit, wo freilich die Entscheidung seines Glücks immer mehr herannahete, ganz besondern Unstern gehabt. Ich fürchte, die Gegenwart der Braut könne ihn in Verwirrung setzen.
OTTOKAR
lächelnd
Er scheint allerdings für einen Weidmann noch nicht kaltes Blut genug zu besit zen. Solang' ich ihn nur aus der Ferne beobachtete, tat er drei Meisterschüsse. Aber seit dem Augenblick, da ich ihn rufen liess, hat er stets gefehlt.
KUNO
Das steht nicht zu leugnen, und doch war er früher stets der Geschickteste.
OTTOKAR
Wer weiss, Alter, ob's uns beiden am Hochzeitstag besser gegangen wäre! Indes, alte Gebräuche muss man ehren! Zudem -
lächelnd und laut, dass es Max vernehmen soll
habt Ihr ja noch einen ältern Jägerburschen, Kuno! dem, wenigstens den Jahren nach, der Vorzug gebührte.
KUNO
Dieser - gnädigster Herr - erlaubt mir -
MAX
für sich
Kaspar hat vielleicht noch seine letzte Freikugel. Er könnte wohl gar -
er ladet hastig und stösst die Kugel in den Lauf
Noch einmal und nimmer wieder!
OTTOKAR
Nun, es ist bloss, um das Herkommen zu beobachten und meine Gunst zu rechtfertigen.
Er tritt aus dem Gezelt. Gäste und Hofleute folgen. Die Jäger erheben sich und treten auf die andere Seite.
Wohlauf, junger Schütz! einen Schuss, wie heut früh deine drei ersten, und du bist geborgen!
Nachdem er sich umgeschaut.
Siehst du dort auf dem Zweig die weisse Taube? Die Aufgabe ist leicht. Schiess!
Max legt an. In dem Augenblick, da er losdrücken will, tritt Agathe mit den übrigen zwischen den Bäumen heraus, wo die weisse Taube sitzt.
AGATHE
schreit
Schiess nicht! Ich bin die Taube!
Die Taube flattert auf und nach dem Baum, von welchem Kaspar eilig herabklettert. Max folgt mit dem Gewehr; der Schuss fällt. Die Taube fliegt fort. Sowohl Agathe als Kaspar schreien und sinken. Hinter der ersten tritt der Eremit hervor, fasst sie auf und verliert sich dann wieder unter dem Volk. Dies alles ist das Werk eines Augenblicks. Sowie der Schuss fällt, fängt das Finale an.
Nr. 16 - Finale
Ännchen, Max, Ottokar, Kuno und einige Landleute sind um Agathe im Hintergrund beschäftigt. Der übrige Chor steht in angstvollen Gruppen verteilt, nach Agathe und Kaspar blickend.
CHOR DER HOFLEUTE, JÄGER UND LANDLEUTE
Schaut! o schaut!
Er traf die eigne Braut!
EINIGE
Der Jäger stürzte vom Baum!
CHOR
Wir wagen's kaum,
Nur hinzuschaun!
O furchtbar Schicksal, o Graun!
Unsre Herzen beben, zagen!
Wär' die Schreckenstat geschehn?
Kaum will es das Auge wagen,
Wer das Opfer sei, zu sehn.
Ottokar und seine nähere Umgebung sind zu Agathe geeilt; geringere Jäger zu Kaspar. Agathe wird in den Vordergrund auf eine Rasenerhöhung gebracht. Alle sind um sie beschäftigt. Max liegt vor ihr auf den Knien.
AGATHE
erwacht aus schwerer Ohnmacht
Wo bin ich?
War's Traum nur, dass ich sank?
ÄNNCHEN
O fasse dich!
MAX UND KUNO
Sie lebt!
MAX, KUNO UND CHOR
Den Heil'gen Preis und Dank!
Sie hat die Augen offen!
EINIGE
auf Kaspar zeigend
Hier dieser ist getroffen,
Der rot vom Blute liegt!
KASPAR
sich krampfhaft krümmend
Ich sah den Klausner bei ihr stehn;
Der Himmel siegt!
Es ist um mich geschehn!
AGATHE
sich nach und nach erholend und aufstehend
Ich atme noch, der Schreck nur warf mich nieder,
Ich atme noch die liebliche Luft,
Ich atme noch!
KUNO
Sie atmet frei!
MAX
Sie lächelt wieder!
AGATHE
O Max!
MAX
Die süsse Stimme ruft!
AGATHE
O Max, ich lebe noch!
MAX
Agathe, du lebest noch!
ALLE
Den Heil gen Preis und Dank!
Samiel kommt hinter Kaspar aus der Erde, von den übrigen ungesehen.
KASPAR
erblickt Samiel
Du, Samiel! schon hier?
So hieltst du dein Versprechen mir?
Nimm deinen Raub! Ich trotze dem Verderben!
Er hebt die geballte Faust drohend gen Himmel.
Dem Himmel Fluch! - Fluch dir!
Er stürzt unter heftigen Zuckungen zusammen. Samiel verschwindet.
CHOR
von Grausen ergriffen
Ha! - Das war sein Gebet im Sterben?
KUNO
Er war von je ein Bösewicht!
Ihn traf des Himmels Strafgericht!
CHOR UND KUNO
Er war von je ein Bösewicht!
Ihn traf des Himmels Strafgericht!
Er hat dem Himmel selbst geflucht!
Vernahmt ihr's nicht? Er rief den Bösen!
OTTOKAR
Fort! stürzt das Scheusal in die Wolfsschlucht!
Einige Jäger tragen den Leichnam fort.
OTTOKAR
zu Max
Nur du kannst dieses Rätsel lösen,
Wohl schwere Untat ist geschehn!
Weh dir! wirst du nicht alles treu gestehn!
MAX
Herr! unwert bin ich Eurer Gnade;
Des Toten Trug verlockte mich,
Dass aus Verzweiflung ich vom Pfade
Der Frömmigkeit und Tugend wich;
Vier - Kugeln - die ich heut verschoss -
Freikugeln sind's, die ich mit jenem goss.
OTTOKAR
zornig
So eile, mein Gebiet zu meiden,
Und kehre nimmer in dies Land!
Vom Himmel muss die Hölle scheiden,
Nie, nie - empfängst du diese reine Hand!
MAX
Ich darf nicht wagen,
Mich zu beklagen;
Denn schwach war ich, obwohl kein Bösewicht,
KUNO
Er war sonst stets getreu der Pflicht!
AGATHE
O reisst ihn nicht aus meinen Armen!
JÄGER
Er ist so brav, voll Kraft und Mut!
CHOR
O er war immer treu und gut!
ÄNNCHEN
Gnädiger Herr, o habt Erbarmen!
KUNO UND CHOR
Gnäd'ger Herr, o habt Erbarmen!
ÄNNCHEN
O habt Erbarmen!
OTTOKAR
Nein, nein, nein!
Agathe ist für ihn zu rein!
zu Max
Hinweg, hinweg aus meinem Blick!
Dein harrt der Kerker, kehrst du je zurück!
Der Eremit tritt auf. Alles weicht ehrerbietig zurück und begrüsst ihn demutsvoll, selbst der Fürst entblösst sein Haupt.
EREMIT
Wer legt auf ihn so strengen Bann!
Ein Fehltritt, ist er solcher Büssung wert?
OTTOKAR
Bist du es, heil'ger Mann!
Den weit und breit die Gegend ehrt?
Sei mir gegrüsst, Gesegneter des Herrn!
Dir bin auch ich gehorsam gern;
Sprich du sein Urteil; deinen Willen
Will freudig ich erfüllen.
EREMIT
Leicht kann des Frommen Herz auch wanken
Und überschreiten Recht und Pflicht,
Wenn Lieb' und Furcht der Tugend Schranken,
Verzweiflung alle Dämme bricht.
Ist's recht, auf einer Kugel Lauf
Zwei edler Herzen Glück zu setzen?
Und unterliegen sie den Netzen,
Womit sie Leidenschaft umflicht,
Wer höb' den ersten Stein wohl auf?
Wer griff' in seinen Busen nicht?
Drum finde nie der Probeschuss mehr statt!
Ihm - Herr -
mit finsterm Blick auf Max
der schwer gesündigt hat,
Doch sonst stets rein und bieder war,
Vergönnt dafür ein Probejahr!
Und bleibt er dann, wie ich ihn stets erfand,
So werde sein Agathens Hand!
OTTOKAR
Dein Wort genüget mir,
Ein Höh'rer spricht aus dir.
ALLE
Heil unserm Fürst, er widerstrebet nicht
Dem, was der fromme Klausner spricht!
OTTOKAR
zu Max
Bewährst du dich, wie dich der Greis erfand,
Dann knüpf' ich selber euer Band!
MAX
Die Zukunft soll mein Herz bewähren,
Stets heilig sei mir Recht und Pflicht!
AGATHE
zu Ottokar
O lest den Dank in diesen Zähren;
Das schwache Wort genügt ihm nicht!
OTTOKAR UND EREMIT.
Der über Sternen ist voll Gnade;
Drum ehrt es Fürsten, zu verzeihn!
KUNO
zu Max und Agathe
Weicht nimmer von der Tugend Pfade,
Um eures Glückes wert zu sein!
ÄNNCHEN
zu Agathe
O dann, geliebte Freundin, schmücke
Ich dich aufs neu zum Traualtar!
EREMIT
Doch jetzt erhebt noch eure Blicke
Zu dem, der Schutz der Unschuld war!
Er kniet nieder und erhebt die Hände. Agathe, Kuno, Max, Ännchen und mehrere des Volkes folgen seinem Beispiel.
ALLE MIT DEM CHOR
Ja, lasst uns zum Himmel die Blicke erheben,
Und fest auf die Lenkung des Ewigen baun! -
AGATHE, ÄNNCHEN, MAX, KUNO, OTTOKAR UND EREMIT
Wer rein ist von Herzen und schuldlos im Leben,
Darf kindlich der Milde des Vaters vertraun!
ALLE
Ja, lasst uns die Blicke erheben,
Und fest auf die Lenkung des Ewigen baun,
Fest der Milde des Vaters vertraun!
Wer rein ist von Herz und schuldlos im Leben,
Darf kindlich der Milde des Vaters vertraun!
(libretto: Johann Friedrich Kind)