VIERTER AKT
Strasse vor dem Hause des Corregidors. Nacht; später Morgengrauen mit allmählich stärkerer Beleuchtung bis zum hellsten Sonnenlicht
ERSTE SZENE
NACHTWÄCHTER
vorübergehend, zuerst hinter der Szene
Ave Maria purissima!
Halb fünf ist die Stunde,
der Tag ist nah.
Ihr Knechte und Mägde,
der Hahn hat gekräht.
erscheint auf der Bühne
Bald läutet die Glocke
zum Morgengebet.
Halb fünf ist die Stunde,
der Tag ist nah,
geht ab
Ave Maria purissima!
ZWEITE SZENE
Der Corregidor, Frasquita, Repela, Alkalde, Tonuelo
Der Corregidor und Frasquita kommen auf Müllereseln geritten; nachdem sie abgestiegen sind, führt Tonuelo die Tiere fort
CORREGIDOR
zu Repela
Poche!
REPELA
an der Tür rüttelnd
Alles fest geschlossen!
Schlimm das!
CORREGIDOR
Klopfe noch einmal!
REPELA
nachdem er geklopft hat, eine Guitarre nachahmend
Blimblam, blimblam!
Mach auf, mach auf!
Denn soll ich Liebe dir schwören,
muss ich im Schlummer dich stören.
Wachsam spähende,
Mädge schmähende
Duenna, mach auf!
Blimblam, blimbiam!
CORREGIDOR
ärgerlich
Lass die Possen, klopfe stärker!
REPELA
Herr, ich suche sie zu täuschen.
Wittern sie den Ständchenbringer,
kommen ja die Frauenzimmer
alt' und junge, gleich gelaufen.
wieder klopfend
Bumbum, bumbum!
Mach auf, mach auf!
Es wartet der Ständchensänger
geduldig im Freien nicht länger.
Immer grimmige,
unkenstimmige
Duenna, mach auf!
Bumbum, bumbum!
klopft wieder
DUENNA
bei einem Fenster
Wer ist unten?
CORREGIDOR
Ich! Macht auf!
DUENNA
Und wer seid ihr, ihr da unten?
CORREGIDOR
Mohrenelement! Ich bin's,
der Corregidor, der Herr!
DUENNA
Geht mit Gott! Denn vor einer
Stunde kam der Herr nach Haus,
ging auch schon zu Bett.
schlägt das Fenster zu
CORREGIDOR
Amme, Amme, öffne, sag ich!
Öffne, ich befehl es dir!
DUENNA
wieder das Fenster öffnend
Wollt ihr euch nicht packen?
Ihr mit eurem Rausch!
Gleich geht eurer Wege,
oder es setzt Schläge!
schlägt das Fenster zu
FRASQUITA
Gott, mein Gott, so ist es Wahrheit!
Lukas hat an mir gezweifelt!
CORREGIDOR
gleichzeitig
Ist das Bosheit? Ist das Narrheit?
Was es sei, es ist verteufelt!
REPELA
gleichzeitig
Das ist eine schöne Klarheit,
die uns da wird eingeträufelt!
DRITTE SZENE
Die Vorigen, eine Anzahl Alguacils
mit Stöcken bewaffnet aus dem Tor stürzend
ALGUACILS
Wo ist er, der Trunkenbold,
der Corregidor sich nennt? Wo ist er?
Schlechter Tölpel, frecher Wicht!
Prügelei
CORREGIDOR und ALKALDE
sich flüchtend und sich verteidigend, gleichzeitig
Haltet ein, halt ein! Ihr sollt
hängen, Himmelsakrament!
Schafskopf, kennst du mich denn nicht?
REPELA
ohne sich einzumischen, gleichzeitig
Sagt mir, ob ihr hängen wollt,
dass ihr euren Herrn nicht kennt?
Seht ihm doch nur ins Gesicht!
FRASQUITA
abseits, weinend, gleichzeitig
Lukas, dass du dies gewollt
Hast für immer uns getrennt,
wenn dies Weib die Wahrheit spricht.
VIERTE SZENE
Die Vorigen, Donna Mercedes
MERCEDES
Was soll dieser Lärm bedeuten?
ALGUACILS
Die Señora!
CORREGIDOR
Meine Frau!
MERCEDES
zum Corregidor
Tio Lukas! Ist ein Unglück
in der Mühle denn gescheh'n,
dass ihr nächtlich hier erscheint?
CORREGIDOR
Ha, Señora, nicht zu scherzen
bin ich jetzo aufgelegt.
Wissen muss vor allem ich,
was aus meiner Ehre ward.
MERCEDES
Eure Ehre, guter Müller?
Gabt ihr sie in meine Hut?
CORREGIDOR
Ja, der Ehre ihrer Gatten
Hüterinnen sind die Frau'n.
MERCEDES
mit leisem Hohn
Fragt denn eure Frau - dort steht sie.
CORREGIDOR
Lass, Mercedes, deine Scherze.
Sage, wo ist jener Mann?
MERCEDES
Wer? Mein Gatte? Nun, wo jeder
Ehrenmann zu dieser Stunde
hingehört - in seinem Bett.
CORREGIDOR
heftig
Sag das nicht ein zweites Mal!
MERCEDES
den Corregidor spöttisch und herausfordernd messend
Mein Gatte, der Corregidor,
die Händel der Bürger zu schlichten,
war über Tags aus dem Haus,
erfüllend erhabene Pflichten.
Doch kam er zu schicklicher Zeit
zurück, sich niederzulegen.
Er kam mit Mantel und Hut,
Er trug an der Seite den Degen.
Die Diener geleiteten ihn,
die lang ihn erwartet hatten.
Und ich - wie Gott es befiehlt,
empfing als Gattin den Gatten.
CORREGIDOR
ausbrechend
Unverschämte Dirne!
MERCEDES
den Ton ändernd
Aber, setzen wir den Fall, ihr wäret
Don Eugenio de Zuniga -
CORREGIDOR
Weib, ich bin es!
MERCEDES
Welche Rechte
hättet ihr, euch zu beklagen?
Wart ihr etwa in der Beichte?
Wart ihr etwa in der Predigt?
Wo seid ihr bis jetzt gewesen?
Wo in dieser Tracht?
Wo die ganze Nacht?
FRASQUITA
hervortretend
Mit Verlaub -
Die beiden Frauen sehen einander schweigend einen Augenblick in die Augen
MERCEDES
Ach, Frasquita!
Nicht verteidigt euch vor mir!
Alles, was euch widerfahren,
fühle ich so tief wie ihr.
FRASQUITA
Ach, Señora!
MERCEDES
Treubruch schändlich
schafft uns beiden gleiches Leid.
Aber tröstet euch, Frasquita,
Trost ist schon für euch bereit.
FRASQUITA
gleichzeitig
Trostlos bin ich, ach, ich werde
trostlos bleiben alle Zeit!
Dass ich liebte, dass ich lachte,
ist nur mehr Vergangenheit.
CORREGIDOR
gleichzeitig
Dich und mich und sie und jenen
hast dem Unglück du geweiht.
Du, Frasquita, hast's verschuldet,
du allein aus Sprödigkeit.
MERCEDES
Ha, Señor, in unsre Klagen
einzustimmen, ziemt euch schlecht.
Jener nur, der dort sich nähert,
hält' allein dazu ein Recht.
FÜNFTE SZENE
Die Vorigen, Lukas
noch in den Kleidern des Corregidors, den Gang und die Manieren desselben nachahmend
LUKAS
Wünsche allen guten Morgen!
küsst der Corregidora die Hand
CORREGIDOR
Wagst du es vor meinen Augen?
FRASQUITA
den Corregidor zurückdringend
Aus dem Weg mir, Don Eugenio,
Rede stehen soll er mir!
LUKAS
noch immer den Corregidor nachahmend
Gott behüte dich, Frasquita!
Sage, hast du die Ernennung
deinem Neffen schon geschickt?
FRASQUITA
Lukas! Ich verachte dich!
LUKAS
mit unverstellter Stimme
Welche Miene, welche Töne!
O, so wärst du noch die Meine?
FRASQUITA
wild
Nein, nicht mehr bin ich die Deine!
Frage deine Heldentaten
dieser Nacht, und dann erkenne,
was du aus dem Herzen machtest,
das dich, ach, so sehr geliebt.
LUKAS
gleichfalls ergrimmt
Wie? Du klagst mich an? Du mich?
Frage deine Heldentaten
dieser Nacht, und dann erkenne,
was du aus dem Herzen machtest,
das du, ach, so sehr betrübt.
MERCEDES
Tio Lukas, trotz der Dinge,
die ihr mir als wahr erzähltet,
sag ich, eure Frau ist schuldlos!
Glaube fest, dass sie es ist.
LUKAS
Herrin, gut, so mag sie sprechen.
FRASQUITA
Nein, ich spreche nicht zuerst!
Denn die Wahrheit ist, dass du -
LUKAS
Nun, und du?
CORREGIDOR
Um diese Dame
handelt sich's zuerst. Mercedes,
nie hätt ich geglaubt, dass du -
MERCEDES
Nun, und du -?
FRASQUITA
zu Lukas
Und du?
LUKAS
zu Frasquita
Und du?
CORREGIDOR
Nun, und du? Hast nicht auch du -?
MERCEDES
zum Corregidor
Aber du -?
FRASQUITA
zu Lukas
Nein, du!
LUKAS
zu Frasquita
Nein, du!
CORREGIDOR
Sage mir, wie konntest du -
MERCEDES
Hör einmal, jetzt schweige du!
Frieden müssen wir dem Herzen
des gekränkten Tio Lukas
ohne Säumen wiedergeben.
Nun, Señor Alkalde, sprecht!
Ich erteile euch das Wort.
ALKALDE
drückt durch wiederholte tiefe Bücklinge seine Ergebenheit aus
Herrin! Glücklich bin ich zu schätzen,
dass ihr geruhet, Vertrauen zu setzen
in euren ganz ergebenen Knecht!
Wenn ihr es fordert, will ich's beschwören!
Was auch geschehen, in allen Ehren
nur geschah 's, in Gesittung und Recht!
LUKAS
Nicht begehr ich eure Schwüre, Herr Alkalde!
Was ich fordre, Herr Alkalde, sind Beweise!
REPELA
hervortretend
Lieber Müller, ich fürchte,
du wandelst im falschen Geleis.
Selig nur macht der Glaube,
Selig nicht macht der Beweis.
LUKAS
Nein, fürwahr, den meine Augen
mir gegeben, der Beweis
hat mich selig nicht gemacht.
Oder war es kein Beweis,
Als ich deinen Herrn im Bette
meines Weibes liegen sah?
REPELA
Lieber Müller, dort lag er,
aber er lag dort allein!
Sie indessen, geflüchtet,
lief nach dir querfeldein.
FRASQUITA
Böser Lukas, dort lag er,
aber er lag dort allein!
Ich indessen, geflüchtet,
lief nach dir querfeldein.
CORREGIDOR
Dummer Müller, dort lag ich,
aber ich lag dort allein!
Sie indessen, geflüchtet,
lief nach dir querfeldein.
FRASQUITA
Ja, und fühle nur die Kleider,
die du trägst, wie feucht sie sind.
In den Mühlbach, hilfeschreiend,
fiel der Herr Corregidor.
Seine Stimme nicht erkennend
hab im ersten Schrecken ich -
LUKAS
Sage mir nichts mehr, du Süsse!
FRASQUITA
Als ich dann die Flucht ergriff,
sandte er mir nach Repela.
REPELA
Und von diesem begleitet,
kam sie bis an das Haus
des Alkalden; der stürzte
eben zum Tore hinaus.
ALKALDE
Ja, der Schlaf des Gerechten
ward mir erheblich gestört,
als ich durch meine Getreuen
von dem Ereignis gehört.
REPELA
Wir erfuhren mit Bangen,
dass uns der Müller entfloh'n.
Und so stürmten wir eilends
alle zusammen davon.
FRASQUITA
Denn ich stellte mit Schaudern
mir die Möglichkeit vor,
dass du in unserm Hause
fandest den Corregidor!
LUKAS
Also bist du unschuldig?
Also bist du noch mein?
O, so lass uns denn selig
alles Geschehne verzeihnl
REPELA
Bist du noch eifersüchtig,
Lukas, so sei es auf mich.
Denn von Frasquita am meisten
diese Nacht genoss ich!
FRASQUITA
sich der Umarmung des Lukas entziehend
Geh mir! Eh ich dich umarme,
will ich wissen, was geschah.
MERCEDES
Das sollst du durch mich erfahren.
CORREGIDOR
eilig
Ja, Senora, denn ich warte
darauf schon seit einer Stunde.
Wirst du endlich dich erklären?
MERCEDES
Eher nicht, bist du die Kleider
wieder hast mit ihm getauscht.
Corregidor und Lukas gehen ins Haus. Repela folgt ihnen
MERCEDES
sich an das anwesende Gesinde und die Alguacils wendend
Kinder, nun erzählt, was
Schlechtes ihr von eurer Herrin wisst.
CHOR
Gesinde und Alguacils
Mit dem Schlüssel des Gebieters
Tio Lukas trat ins Haus.
Tio Lukas, finster blickend,
sah wie der Gebieter aus.
Und wie dieser pflegt zu schreiten,
schritt er in das Schlafgemach,
weil die Herrin schon zu Bette,
folgte ihm kein Diener nach.
FRASQUITA
Ich verstehe keine Silbe,
alle schreien sie zugleich.
MERCEDES
Einer mag das Wort ergreifen.
Amme, ich erteil es euch!
DUENNA
Abzuwarten den Gebieter,
Rosenkranz hatt' ich gebetet
mit der Herrin im Verein,
als wir drinnen Schritte hörten.
MERCEDES
Behutsam schleichende Schritte,
gedämpft und heimlich, als glitte
leise ein Räuber herein.
Wir lauschten mit Beben, wir Armen!
O, heilige Jungfrau von Carmen!
Wer mag im Alkoven sein?
DUENNA
Und als wir das Licht ergriffen,
sahen wir den Tio Lukas,
angetan wie unser Herr.
CHOR
Plötzlich in dem Schlafgemache
tönte lautes Hilfgeschrei.
"Räuber, hörten wir es schallen,
Bartolo, herbei!"
An der Wand des Schlafgemaches
stand der Herr Corregidor,
zitternd, blass wie eine Leiche,
brachte gar kein Wort hervor.
DUENNA
"Ins Gefängnis!", schrien wir,
weidlich auf den Lukas hauend;
denn wir glaubten den Gebieter
tot und ausgeraubt, bis
Lukas zu der Herrin also sprach:
"Herrin! Räuber bin ich nicht!
Doch ein Räuber meiner Ehre
ist mir in das Haus gedrungen,
liegt mit meiner Frau zu Bett."
CHOR
Ja, wir hieben, bis die Herrin
einzuhalten uns befahl;
denn sie ehrte, wollt' es scheinen,
in den Kleidern den Gemahl.
Aber hätte sich die Herrin
so wie wir in ihm geirrt,
bei dem Heiligen von Comportella!
Sagt, sagt, was wäre da passiert!
DUENNA
Schweigt, ihr unanständigen Schwätzer!
Ja, Frasquita, er bekannte,
welcher Zweck ihn hergeführt.
Denkt euch, hätte sich die Herrin
in der Dunkelheit geirrt, und vielleicht -
MERCEDES
Auf diesem Wege spart euch weitere Belege.
Was geht ein "vielleicht" uns an?
Und als sich mein Arger gekühlet,
hab ich Erbarmen gefühlet
mit dem betrogenen Mann,
und habe befohlen, wenn später
erschiene der Missetäter,
gekleidet als Müller allhier,
so wird er Betrüger gescholten
und Gleiches mit Gleichem vergolten,
zur Strafe, glaub er's, von mir.
CHOR
Und wir haben, ihr gehorchend,
durchgebläut den eignen Herrn!
Sie verbürgte sich für unsre Köpfe,
und so bläuten und so bläuten,
und so bläuten wir ihn gern!
FRASQUITA
Lukas, armer, süsser Lukas,
neu gewonnen hab ich dich!
LUKAS
Süsse, teure Frasquita,
bist du wieder gut mit mir?
CORREGIDOR
den Stock auf den Boden stossend
Nun, Señora, ich erwarte
eure Erklärungen!
MERCEDES
Lebtest du auch tausend Jahre,
dennoch wirst du nie erfahren,
was in meinem Schlafgemache
vorgegangen heute nacht!
Wärest du darin gewesen,
brauchtest jetzt zu fragen nicht!
CORREGIDOR
gereizt
Angehört will ich sie also
alle richten, kraft des Amtes!
MERCEDES
gebieterisch
Und ich rate euch, Caballero,
breitet über das Gescheh'ne
lieber einen Schleier dicht!
Denn ihr kämet in die Enge,
wenn zum Bischof der Bericht
eures Abenteuers dränge.
Guten Morgen, liebe Leute!
Sie verneigt sich mit Grandezza, schreitet die Stufen vor dem Haustor hinauf und verneigt sich unter der Tür nochmals
Inzwischen ist es allmählich Tag geworden
CORREGIDOR
ihr mit saurer Miene nachblickend und sich hinter den Ohren kratzend
Guten Morgen, edle Donna!
Da wir uns soweit verständigt,
hoff ich, dass dies Abenteuer
ohne Bischof für mich endigt!
LUKAS und FRASQUITA
die indessen lebhaft miteinander gesprochen und gelacht haben
Guten Morgen, edle Donna!
Da wir beide uns verständigt,
scheint es, dass dies Abenteuer
glücklich hat für uns geendigt!
ALKALDE
Guten Morgen, edle Donna!
Alle haben sich verständigt,
und so hat dies Abenteuer
auch für mich noch gut geendigt!
CHOR
Guten Morgen, edle Donna!
Alle haben sich verständigt,
und so hat dies Abenteuer
noch für alle gut geendigt!