ZWEITER AKT
Halle im Palast Adorno
ERSTE SZENE
Der Podestà und die drei Senatoren kommen erregt und aufgebracht aus dem Gemache des Herzogs.
PODESTÀ
Er spielt mit uns,
Wie die Katz' mit der Maus -
ERSTER SENATOR
Allzu mächtig ist er geworden,
der hohe Herr!
ZWEITER SENATOR
Sein letzter Sieg über
Branciforte stieg ihm zu Kopf.
DRITTER SENATOR
Verwöhnt hat ihn das Volk.
PODESTÀ
Immerhin - es schuldet
ihm Dank.
ERSTER SENATOR
wegwerfend
Es bezahlt ihn.
ZWEITER SENATOR
Ein adliger Söldner -
nichts weiter.
DRITTER SENATOR
Wie steht die Sache?
PODESTÀ
Er sprach sich nicht aus;
nicht für und wider.
"Einerseits - sei es erfreulich
für Genuas Volk,
anderseits müsst es der
Adel bedauern,
wenn ein wertvoll Stück
Grund und Boden
verloren ihm ginge.
Sein - des Herzogs - Herz
spräche fürs Volk -
entschiede zu seinen
Gunsten; Billigkeit aber
und Rücksicht auf seine
Freunde geböten ihm
Vorsicht - er müsse es
"noch bedenken und
sich beraten" - und
ähnliche Phrasen.
ERSTER SENATOR
bitter
Er neidet uns herzlich
die Schenkung.
ZWEITER SENATOR
Die ganze Geschichte
ist ihm zuwider.
ERSTER SENATOR
Der Mann des Tages
ist Alviano Salvago!
DRITTER SENATOR
Die ganze Stadt
preist seinen Namen.
ZWEITER SENATOR
Volkstümlich ward er
mit einem Mal.
ERSTER und DRITTER SENATOR
nickend
Das ist's - !
PODESTÀ
nickt ebenfalls
Das ist's - !
ZWEITER SENATOR
Als gestern abend
Euch zu besuchen,
Salvagos Karosse fuhr
durch die Strassen -
ward er erkannt -
DRITTER SENATOR
Man jubelt' ihm zu -
ERSTER SENATOR
Warf ihm Blumen!
PODESTÀ
Es ist ihm zu gönnen.
ZWEITER SENATOR
Ein Mann voll Güte
und stiller Grösse!
ERSTER SENATOR
Übel behandelt vom Schicksal!
PODESTÀ
Meine Tochter Carlotta,
nicht leicht zu erobern,
oft sprach sie von ihm -
sein Wesen ahnend -
nun hat er im Sturm
sie gewonnen.
DRITTER SENATOR
scharf
Der Herzog Adorno
möge sich hüten!
ERSTER SENATOR
Volksgunst ist schwankend
und leicht zu gefährden.
ZWEITER SENATOR
Sein Einspruch könnt'
Böses zur Folge haben!
DRITTER SENATOR
Ein Veto in diesem Fall
hiesse Raub!
ERSTER SENATOR
Man wird es nicht dulden - .
ZWEITER SENATOR
im Abgehen begriffen
Er möge sich hüten, der
Herzog Adorno!
Alle ab.
ZWEITE SZENE
ADORNO
der schon während des letzten mit Tamare aufgetreten ist und die drohenden Phrasen gehört hat.
Hast du's gehört?
Dies ist die Stimmung.
TAMARE
Macht Euch bange das Pack?
ADORNO
aufmerksam
Du sprachst gestern anders?
TAMARE
grimmig
Ja - gestern
unwirsch
erinnert mich nicht!
ADORNO
mit sanftem Vorwurf
Sprichst Du so mit dem Freund?
TAMARE
Verzeiht! Doch it's nicht genug,
dass ich selbst mich verachte?
Soll Euer Spott mir die Wunde
ätzen, und meiner Freunde
Gelächter zur Tollheit mich treiben?
ADORNO
Was ist Dir, Tamare?
Ich erkenn' Dich nicht wieder.
Meines Hofes glänzendster
Kavalier, wie kein Zweiter
geehrt, geliebt, von den Frauen
vergöttert, stets gelaunt
zu den tollsten Streichen -
TAMARE
Es gibt Menschen, Herzog,
die sehen nur Licht - und
das Dunkel ist ihnen fremd.
Solch einer war ich. Das Leben
schien mir ein Born der Freude,
aus dem ich trank mit durstigen
Zügen; sorglos, ohn' Besinnen.
Reckt ich die Hand aus,
hielt ich die Rose, sog
ihren Duft und
zerwühlte die Blüte.
Liess ich mich fallen,
fiel ich auf Moos;
mich mieden die Dornen
und spitzen Steine.
Klagte ein Freund mir
von Leid und Schmerzen -
hört ich ihn wohl - doch
verstand ihn nicht.
Und nun hab' ich mit einem Mal
erfahren alle Qual der
Hölle, Demüt'gung und Schmach.
ADORNO
ungeduldig
Erkläre Dich deutlich - !
Du weisst ich bin mächtig.
TAMARE
Da hilfst Du
mir nicht, und wärst Du
Kaiser und Papst zugleich.
Doch urteile selbst:
Herrlich und schön,
wie der Tag - doch - unebenbürtig mir,
ein bürgerlich Kind.
ADORNO
Nun ja - und was weiter?
TAMARE
Als ich zum ersten Male
sie sprach, da hab' ich sie, glaub'
ich, nicht recht verstanden.
Sie heischte ein Opfer
als Pfand meiner Liebe -
doch was sie begehrte -
ungereimt Zeug, Wahnsinn -
geboren vom Augenblick -
müht ich mich zu ergründen,
auszudeuten nach Regeln
höfischer Sitte. Nach einer Nacht,
durchwacht in Kämpfen,
glaubt' ich's gefunden.
Und schwang mich auf's Pferd,
frei und stolz wie ein Gott,
von edlen Gefühlen die
Brust geschwellt.
Und ritt durch die Stadt;
versunken in Träumen
formt ich die Werbung, und sah
mehr und mehr in Selbstironie verfallend
die Schöne beglückt erröten,
fassungslos und gerührt
ob der hohen Ehr': Ein
Graf Andrae Vitelozzo
Tamare beut Herz und Hand -
ADORNO
Du bist wahrlich verrückt!
TAMARE
Gedulde Dich, Herzog!
Als ich hintrat vor sie,
wie das erste Mal schon -
befiel mich Zagen.
Ihr seltsamer Blick,
ihr kühl staunend Lächeln
verwirrten mich.
Doch, um zu bergen
mein kleinmütig Herz,
gab ich mich stolz,
hochfahrend und rauh,
sprach von dem Opfer,
das ich ihr brächte,
ärger als Selbstverstümmlung
und Tod. - Und da ich mir
glücklich ihr "Nein" geholt,
verlor ich vollends den
letzten Rest von Besinnung:
Warf mich hin, ihr zu Füssen,
von all meinen Gütern und
reichen Schätzen stammelt
ich wild wirre Worte.
Ihre Knie umfangend
fleht ich sie an um
Verzeihung und Gnade! -
ADORNO
Tamare, so fass Dich - hörst Du -
Vitelozzo? - Wer ist - diese Frau?
TAMARE
Des Podestà - Tochter - Carlotta.
ADORNO
sehr erstaunt
Ah - - !
nachdenklich
Ein grosser Maler
nannte mir einmal
ihren Namen als den
einer selt'nen Begabung.
Ich möchte Dich warnen
aus manchem Grunde,
wüsst ich nicht, wie
vergeblich solch Tun
und wie verhasst der
Warner dem, der
da unglücklich liebt.
Drum will ich lieber
Dir helfen, statt raten.
TAMARE
ungläubig
Ah - wenn Du könntest -
ADORNO
Ich werbe für Dich.
TAMARE
Du kennst diese Frau nicht.
ADORNO
Doch kenn' ich - die Frauen.
Drum hoff' ich für Dich;
doch - versprich mir eins:
Ist die Botschaft schlecht,
und kehr ich zurück
mit leeren Händen,
so wüte nicht gegen
Dich und mich -
sei stark, verzweifle
nicht, wirf's hinter Dich -
und vergiss diese Frau!
TAMARE
grimmig
Höre, Herzog - ich will
sie vergessen - ich will -
langsam
sie vergessen. - -
mit höchstem Nachdrucke
Doch erst
bis sie - mein ward.
Bis ihres Mundes Odem
ich in mich getrunken;
bis diese Hände getränkt sind
vom Duft ihres Haares,
bis diese Frau, will sie
mein Weib nicht sein,
- meine Dirne ward!
ADORNO
rasch abwehrend
Das gäb' böses Blut!
Wir sind gebunden
an Recht und Gesetz
wie alle, die andern;
vergiss das nicht.
Die Bürgerschaft ist
unruhig und
arg verstimmt, und
meine Leute sind
draussen im Feld.
Des Podestà Tochter - !
Bedenke!
TAMARE
Doch wenn man nicht
ahnt, wer der Täter,
wenn keine Spur
ihn verrät -
ADORNO
Das entdeckt sich bald.
TAMARE
Ei, Herzog, wie kommt's
dann, dass
seit Wochen Genuas
schönste Mädchen
spurlos verschwinden?
Erst gestern wieder -
ADORNO
auffahrend
Was - gestern - ?
Es ward mir noch
nichts gemeldet -
TAMARE
Eh' ich heraufkam
zu Dir, sprach sich's
bereits herum in
der Stadt. Des reichen
Scotti Tochter Ginevra -
ist plötzlich verschwunden
und seltsam ist nur,
dass wir selbst nicht
wissen - wohin.
ADORNO
argwöhnisch, Tamare von der Seite musternd
Was heisst das?
Seid Ihr denn sonst
so genau unterrichtet?
losbrechend
Ah, meine Ahnung!
Dacht ich's doch, dass
bei diesen Freveln
Eure ruchlose Sippe
die Hand im Spiel hat!
TAMARE
Du bringst mich zum Ziel.
Meine Freunde sandten
mich her, Dich zu bitten:
Du mögest hindern, dass
Alvianos Eiland "Elysium",
übergeh' in der Stadt Besitz.
ADORNO
Alle Teufel, was hat Salvago,
was hat das Eiland zu tun
mit Euren verruchten Streichen?
TAMARE
verhalten.
Herrliche unterirdische
Räume, eigens geschaffen
zu Liebesfesten, erschliesst
eine künstliche Grotte,
auf jenem Eiland.
Betrittst Du die Grotte,
umglitzert dein Auge
ein blauer Schein.
Schwere Düfte verwirren
die Sinne Dir, Irrlichtern
gleich locken rötlich
zuckende Flammen,
ferne Musik und
leise Gesänge Dich
tiefer und tiefer.
Über einen Abgrund hin
führt ein schmaler Steig
zum Eingang der Höhle;
dichte Rosengehege
verschleiern ihn Deinen
Blicken - doch entdeckt
man der Grotte Geheimnis -
verhalten
so sind wir verloren.
ADORNO
frei
Und weiss - Salvago
von Eurem Treiben?
TAMARE
Salvago - ha, ha! -
Ein Spiel der Natur,
wenn Du willst,
eine seltsame Laune.
Genuas hässlichster
Mann - ist der Schöpfer des Abenteuers,
dieses verwirklichten
Schönheitsgedankens.
ADORNO
starr
Und er selbst -
TAMARE
Er selbst - hält sich fern.
Hat wohl schon bereut -
doch begreife ich's nicht.
ekstatisch
Der Schein der Fackeln
vergoldet alles.
Im Taumel der Orgie
wird hässlich schön
und das Schöne wird
hässlich. Die Gegensätze
schwinden im Rausch.
ADORNO
scharf
Und dieser Narr Salvago -
nachdem er gezüchtet
auf seinem Grunde
Sumpfblüten des Lasters,
Giftkraut der Sünde -
gibt er ihn preis, und
sich selbst, und Euch?
TAMARE
begütigend
Er hat uns gewarnt,
doch hat nicht bedacht,
wie schwer einzudämmen
Leidenschaft, einmal
entfesselt.
ADORNO
ausser sich
Das ist mein Fluch:
Eure Masslosigkeit,
Eure wilde Brunst
drängt mich zu Taten,
die ich verdamme!
ruhig im Ausdruck
Ich will retten, was
noch zu retten ist.
Was Dir ich versprach,
will ich halten, weil
Deine Liebe Dich trennt
von dem Kreis der
Verbrecher, und weil
wir Freunde seit
jungen Tagen.
Doch hüte Dich
Vitelozza, Du bist gewarnt -
vor Gewalt.
spöttisch
Salvago mag seinem
Schenkungsdrange
Einhalt gebieten für
lange Zeit;
höhnisch drohend
er wird sich
fügen - der Volksbeglücker,
sonst wehe ihm und
wehe Euch allen!
Rasch ab in seine Gemächer.
TAMARE
macht eine Bewegung als wolle er ihn zurückhalten, geht aber dann mit einer sorglosen Geste nach hinten ab.
Zwischenvorhang
VERWANDLUNG
Carlottas Atelier.
Alviano in ungezwungener Stellung. Carlotta in eifriger Arbeit begriffen, wirft von Zeit zu Zeit einen Blick auf sein Antlitz und spricht während des Malens in leichtem Tone, hie und da, durch ihre Arbeit zu sehr gefesselt, in der Rede stockend.
CARLOTTA
Uns're Zeit ist voll seltsamer Dinge. - -
Ich kannt' eine Frau,
sie lernte malen
gleich mir an Antwerpens
Schule - die malte Hände.
Feine, schlanke, mit
zartem blauen Geäder,
grobe, derbknochige
Männerfäuste, die
alles im leichten Plauderton, jeden dramatischen Ausdruck vermeidend
beringte Hand eines
Weibes, üppig und
weich, mit Nägeln,
spitz und rosig, blinkend
wie Tropfen blassen Blutes.
Eine Hand sah ich da,
die krallte sich fest
in blühendes Fleisch
und eine and're, die
pflückte mit sanften
Fingern, aus grünem
Gebüsch sich reckend, ein Reis.
Aus nebligen Wänden
griffen Hände in's Nichts,
abwehrend, winkend,
flehend und drohend;
aus Fluten tauchten sie
auf wie in Kampf
und Verzweiflung,
und zwei Hände, eng
ineinander verflochten,
die waren gemalt
wie ein wogendes Meer.
Doch das Seltsame war
ein Bild: Eine Hand
bleich und wächsern,
wie die eines Toten,
mit unheimlich langen
dürren Fingern,
hielt ein Etwas umkrampft,
was man nicht sah.
Nur ein schwach purpurn
Leuchten sickerte
durch die gespenstischen
Finger, doch dieser
Schein war wie stumme
Klage, wie unterdrücktes
wimmerndes Weinen
und wie ein Schrei, verhalten
und todesbang, wie ein
verhaltener Schrei nach Erlösung.
- Wollt Ihr, Signor,
nicht ein wenig heben
den Kopf. - So, ich
dank' Euch - ist's besser. -
ALVIANO
Doch des Bildes Bedeutung?
CARLOTTA
Die Ärmste hat wohl
nie empfunden,
was den Künstler
begeistert zu grossen
Taten: Der Liebe Glück,
oder Sehnsucht nach solchem.
Sie hatte wohl gar ein
geheimes Bangen, es könnte
auf ihren Lebenswegen
ihr einmal begegnen
ein mächtig Geschehen;
irgend ein sinnbetörender
Zauber, dem sie erliege.
ALVIANO
leise, halb für sich
Wie seltsam - Angst
vor Glück?
CARLOTTA
Die treibende Kraft
dieses armen Lebens
war Gier nach Ruhm;
und die Quelle, aus der
es schöpfte war Leid -
nicht seelisch - ein
körperlich Leiden.
ALVIANO
Eure Hand Signorina,
ist nicht so ruhig, wie
Eure Stimme, wollt
Ihr mit dem Malen -
CARLOTTA
hastig
Nein, nein! Ihr irrt Euch!
Meine Hand ist ganz ruhig
und die Geschichte ist gleich -
zu Ende. Meine Freundin
krankte seit früher Jugend
am Herzen. Das wollt'
allzuoft gar zu stürmisch
schlagen; und manchmal
war ihr, als griff' eine Hand,
eine harte, unbarmherzige
Hand, nach dem zuckenden
Ding und krampft es
zusammen, furchtbar
und wehe, auf dass es
- - zur Ruh' käm!
Sie hat diese Hand, diese
grausame Hand, und hat -
ihre Schmerzen gemalt.
ALVIANO
Und ob Ihr auch leugnet -
Ihr seid bewegt -
so ging es Euch nahe - ?
CARLOTTA
Sie war mir lieb -
ALVIANO
So ist sie gestorben? -
CARLOTTA
- - - Ich glaube - sie lebt noch.
plötzlich, wie sich losreissend, ganz veränderten Tones
Doch Signor, Euch
zu malen ist wahrlich
kein Kinderspiel.
Wie ein Verliebter
sucht seines Idols
Blick, so hasch' ich nach
Eurem. Doch der weicht
mir aus und flackert
umher, unstet und
irrlichternd.
ALVIANO
ausweichend
Vielleicht - bin ich müde.
CARLOTTA
So setzt Euch zu mir -
kommt, lasst uns rasten;
und seid nicht so schweigsam
und scheu, Cavalière!
Wie war't ihr doch gestern
Abend aufgeräumt
und voll Laune! Wollt'
Ihr Wein?
Sie bringt Wein in einer Karaffe und Gläser.
Seht - höchst-
eigenhändig kredenz' ich
Euch roten Falerner.
Und nun trinkt und
setzt Euch - ganz nah -
und erzählt mir - aus
Eurer Jugend - oder
warum Ihr heut' so trübe
und schlecht gelaunt -
oder auch - warum Euer
Blick - so ängstlich den
meinen flieht -! Was
hab' ich verbrochen - seid
Ihr mir böse?
ALVIANO
gepresst
Signorina Carlotta -
wenn das nur Spiel
ist, was Ihr da treibt,
Lust am Tändeln -
oder - noch Schlimm'res -
so seid Ihr trotz Eures
süssen Gesichts und
Eurer Stimme, die
klingt wie Botschaft
vom Himmel
hervorgestossen
eine Teuf'lin!
CARLOTTA
Um Gott - beschwört nur
nicht gleich - die "Acht",
dass sie mich peinlich
verhör' und als Hexe
verbrenne! Wie seid
Ihr doch noch verbittert
und unfroh! Und ich
müh' mich um Euch - doch
Ihr dankt es mir schlecht.
ALVIANO
Ah - ich kann's nicht fassen!
CARLOTTA
Warum soll g'rade ich,
die ich gut zu Euch bin,
so verderbt und schlecht
sein, wie Ihr mich schildert?
ALVIANO
warm
Ich bitt' Euch um alles
zürnt mir nur nicht!
Habt nur ein wenig
Geduld noch mit mir!
Ich begreif' es nicht -
es ist wie ein Traum
und ich fürcht' -
CARLOTTA
unwillig
Ah, fürchtet doch nicht!
Ihr seid ein Mann und
so ganz ohne Glauben
an Euer Selbst. lst's
so undenkbar, dass eine
Frau sich in warmer Neigung,
in Freundschaft Euch fände?
ALVIANO
auffahrend
Ha, ha - die alte Geschichte!
Doch so, wie Ihr blickt,
mit Augen, deren Leuchten
allein schon Verheissung - !
Und wenn Euer Mund
lächelt, ist mir - als
gäb's auf Erden nichts,
was da "Freundschaft"
heisst - als wär' dies
Wort, dies elende Trostwort
ein Unding, Lüge und Schmach!
CARLOTTA
Und wenn's mehr wäre -
ich sage nicht, dass es ist -
Sollte auf dieser weiten
Welt, unter Millionen
pochender Herzen nicht
eins sich finden, das
Euch entgegenstrebte - in Liebe?
ALVIANO
Mir - mir - der sich
selbst hasst, der sich
flieht, der aus den
Räumen, die er bewohnt
die Spiegel verbannt!
CARLOTTA
Narr, der Ihr seid!
Und der wie kaum ein
Zweiter sich klammert
an das, was so rasch
entflieht, wie ein Maientag:
Das bisschen Schönheit,
das uns Frauen verlässt,
wenn die erste Furche
sich meldet im Antlitz!
Kaum sind wir des Frühlings
bewusst, schon werden Früchte
aus Blüten, die Blätter
welken und fallen ab.
Und das wär' - das Einz'ge?
An sonnigen Tagen -
gingt Ihr nie aus,
bedrückt und traurig,
ohn' dass Ihr wusstet
warum? Und der
herrlichste Mensch,
der blühendste Baum,
entriss Euch nicht
Eurer Bangigkeit.
Und ein andermal
wieder, an Regentagen,
machte Euch nie warm
und froh, ja glücklich,
ein einsam alt' Männlein
verrunzelt und hässlich,
das des Weg's zog und
Euch ansah mit einfält'gen
Augen?
ALVIANO
bebend
Doch wenn ihr an einem
prangenden Tage,
in einem Beete voll
schönster Blumen,
fändet irgend ein
scheussliches Untier,
das Euch die Laune
vergällte - -?
CARLOTTA
belustigt
Euch wird's nicht gelingen,
trotzdem Ihr ein Unhold seid,
Signor; spitzfindig und scheusslich
in Eurem Drange, wollüstig
zu wühlen im eigenen Schmerze.
Doch merke ich eins:
Ihr weicht mir aus
wie früher mit Blicken,
so nun in Worten.
Doch entgeht Ihr mir nicht.
In die Enge treib' ich Euch
jetzt - und weist ihr mich
ab - so habt den Triumph!
Denn ich muss es Euch sagen -
ALVIANO
furchtbar beunruhigt
Carlotta -
bedenkt doch! -
CARLOTTA
Ihr sollt es wissen - -
dass ich Euch - liebe.
ALVIANO
fast schreiend
Carlotta!
CARLOTTA
Um Gott, Signor, was
macht ihr - für Augen!
Da habt meine Hände -
und küsst sie - rasch - - - !
Doch lasst mich - zur Arbeit!
Ich brauch' Eure Augen
zu meinem Bilde -
so sind sie mir - recht -
ergreift, ihn fortwährend scharf im Auge behaltend, sein Antlitz gleichsam studierend, die Pinsel
ALVIANO
Carlotta - Geliebte!
CARLOTTA
ganz in ihre Arbeit versunken, ihn mit ihren Worten gleichsam hypnotisierend, leise
Ich bitt' Euch - sprecht nicht -
und blickt mich nur an -
so ganz voll - und senkt -
Euren Blick - tief in den
meinen;
sehr innig und warm
und denkt an
viel Schönes - dass ich -
Eure Sonne bin, - die
alles Dunkle - aus Eurem
Leben - verscheucht - mit
strahlendem Lichte.
ALVIANO
in höchster Erregung
Um Gotteswillen - Carlotta -
ich muss - zu Deinen Füssen -
ich bin so unsagbar - so -
wahnsinnig glücklich -
will auf sie zustürzen
CARLOTTA
beinahe ängstlich abwehrend
Ich bitte Dich - bleib' noch - !
Und sieh' mich nur an und denk'
dran - dass Du nun nicht mehr -
einsam sein wirst - und
ungeliebt - trotz Deiner -
Hässlichkeit - sieh' wie ruhig -
ich's sage - das Wort, das
Dich quälte - so lange - ;
nun ist's vorbei -
denn ein Wort ist's -
und ein Begriff - nichts
weiter. Doch Du - musst -
gut zu mir sein - Alviano -
schwer, krankhaft schwer atmend
und zart mein Liebster!
Denn ich bin - ein gar -
gebrechliches Spielzeug -
ALVIANO
Carlotta!
Sie hält ihn mit flehender Gebärde zurück und fesselt ihn so an seinen Platz, malt in sichtlich sich steigender Erregung, nahezu fieberhaft an dem Bilde weiter. Er verharrt, ihre Gestalt mit glühenden Blicken verschlingend, schwer atmend, wie eine übermächtige Bewegung gewaltsam bekämpfend.
CARLOTTA
hoch aufatmend - die Pinsel fortwerfend, mit einem prüfenden Blick auf das Bild. Dann plötzlich wankt sie - greift sich ans Herz - droht umzusinken.
So - nun ist's fertig! Doch
nun komm' - und stütz' mich,
ich bin erschöpft -
sie taumelt
doch Du musst - - -
ALVIANO
fängt, zu ihr eilend, sie in seinen Armen auf
Bei allen Heil'gen -
Geliebte - was ist Dir?
Sie hält sich, um nicht umzusinken, an eine Staffelei an, die, mit einem Tuch verhängt, im Hintergrunde steht.
Das Tuch löst sich an einer Seite los. Man sieht ein Bild; eine Art Totenhand, aus der ein roter Schein schwach hervorleuchtet.
ALVIANO
erblickt das Bild, fährt zusammen, begreift, verrät sich nicht, stützt sie, streichelt sie wie ein krankes Kind; feierlich und voll Mitleid.
Du Süsse, Du Arme -
Du Schönste - ! Du gabst
mir das Leben, den
Glauben wieder an Gott
und die Menschheit.
Ich will alles, was ich
habe - Dir weih'n -
ich will mich selbst
breiten unter Deine
Füsse, ich will - unendlich
gut - und will
erstickt
zart - zu Dir sein - - -
Er hält die Bewusstlose in seinen Armen; bemüht, sie wieder zum Leben zu erwecken. Sie regt sich, schmiegt sich hingebungsvoll in seine Arme. Er wird von heftiger, verzweifelter Leidenschaft erfasst. Küsst wild ihre Hände, reisst sie an sich - beugt sich über ihr Antlitz, über ihre sich ihm bietenden, verlangenden Lippen - - und bezwingt sich, küsst nur zart ihre Stirn, sinkt ihr zu Füssen und vergräbt in tiefer Bewegung sein Haupt in ihren Schoss. Sie zieht ihn sanft zu sich empor. Die Beiden verharren in einer seltsam zagen, keuschen Umschlingung.
EINE DIENERIN
aufgeregt hereinstürzend
O Herrin! Der Herzog Adorno!
CARLOTTA
sich langsam in Alvianos Armen aufrichtend, schwach
Der Herzog - was kann
er nur wollen?
Ich lasse bitten - - - er
möge warten!
Sie erhebt sich mit müder Bewegung, tritt vor einen Spiegel, richtet ihr Haar.
Der Vorhang fällt rasch.