ERSTER AKT
Vorspiel
Ein gepflasterter Platz vor der Mühle. Seitlich eine geräumige Weinlaube
ERSTE SZENE
Ein Nachbar und Lukas. Lukas ist im Begriffe, mit einem Korb auf die Weinlaube zu steigen
NACHBAR
Euch gelingt's in allen Stücken,
Tio Lukas! Selbst die Trauben
reifen früher hier bei euch.
Pflückt ihr heute wirklich schon?
LUKAS
Der hochwürd'ge Bischof wird
heute wohl so gnädig sein,
in der Mühle einzukehren.
NACHBAR
etwas näselnd
Habt ihr schon einmal berechnet,
was euch diese Gastereien
wohl im Jahre kosten mögen?
LUKAS
lachend
Diese Arbeit überlass ich
arithmetisch mehr Geübten,
euch zum Beispiel, guter Freund.
NACHBAR
Aber glaubt ihr nicht, dass mancher
nicht allein der Trauben wegen
oder andrer Leckerbissen
seine Gegenwart euch schenkt?
Wäre ich an eurer Stelle,
dann bedächte ich genau,
dass Frasquita eine schöne,
eine wunderschöne Frau.
LUKAS
Nun, dann ist's ein Glück,
dass euch das Geschick
nicht an meinen Platz gesetzt.
Lieber Nachbar, guten Tag.
Er steigt hinauf. Nachbar ab
ZWEITE SZENE
Lukas auf der Weinlaube, Frasquita mit einem Tischtuch, das sie auf den Tisch vor dem Hause breitet; sie singt, wählend sie den Platz fegt und besprengt und die Stühle zurechtstellt
FRASQUITA
Kommt ein Knabe her des Weges:
"Lieber Knabe, bleibe stehn!
Magst den Trunk aus kühlem Brunnen
an der Mühle nicht verschmähn."
Oder kommt ein Caballero
angeritten über's Feld:
"Gastlich ist die Mühle offen,
Küch und Keller wohlbestellt."
Ist's der Bischof, sind's Prälaten,
Eminenzen mildgesinnt:
"Darf der Müller euch kredenzen,
was bei ihm vom Zapfen rinnt?"
LUKAS
Denkst du aber nicht, Frasquita,
lieber sei's den Eminenzen,
den Prälaten, Caballeros,
allen Knaben jung und alt,
wenn die Müllerin Frasquita
an des Müllers Statt kredenzt?
FRASQUITA
Du dort oben in der Laube,
böser Spotter, gib nur acht,
dass du nicht herabfällst! Sonst -
LUKAS
Und was denkst du, sucht der alte
stattliche Corregidor,
wenn er schwitzend nach der Mühle
seinen hochgewölbten Rücken
wöchentlich so oft herausträgt?
FRASQUITA
O der Tausend, Herr Don Lukas,
wären Sie wohl eifersüchtig?
LUKAS
Eifersüchtig auf den Alten?
Nein, ich freue mich von Herzen seiner Liebe.
FRASQUITA
Ei, das wäre?
LUKAS
In der Sünde liegt die Strafe!
Denn die Meine, denn Frasquita
wird von allen Erdenmännern
ewig nur den Einen lieben,
ewig ihm nur angehören.
FRASQUITA
Seht einmal den eitlen Mann!
Aber wie, wenn ich es lernte,
einen Zweiten noch zu lieben?
LUKAS
O, dann wärst du nicht Frasquita,
meine süsse, holdeste Frasquita,
die von allen Erdenmännern
ewig nur wird einen lieben.
FRASQUITA
ihn unterbrechend
Ewig ihm nur angehören?
Ja! Du eitler, guter, treuer
närrisch lieber Herzenslukas,
steige nur aus deiner Laube
endlich auf die Erde nieder,
dass du fühlst, wie Liebe tut.
Lukas steigt von der Laube herunter und eilt auf sie zu. Stürmische Umarmung
LUKAS
der sich inzwischen einmal umgesehen hat
Ho, Frasquita! Mit Repela
seh' in seinem roten Mantel
den Corregidor ich nah'n.
FRASQUITA
Schon so früh? Was mag er wollen?
Welche Absicht führt ihn her?
LUKAS
Dass wir es genau erfahren,
will ich hier im Laub versteckt,
lauschen eurem Zwiegespräch.
FRASQUITA
Köstlicher Gedanke, Lukas!
Trifft der Alte mich allein,
wird er mir sein runzlig altes,
garst'ges Herz beredsam öffnen,
mit affektierter Zärtlichkeit
wird er sehr gesprächig sein.
Lukas besteigt lachend die Laube. Repela, vorsichtig umherspähend, nähert sich Frasquita
DRITTE SZENE
Die Vorigen, Repela
REPELA
nimmt eine Prise Schnupftabak … es reizt ihn zu niesen, er niest
FRASQUITA
Nun, wo blieb dein Herr, Repela?
REPELA
mit komischem Pathos
Schreckliche Müllerin, schweige!
Schreckliche Müllerin, zeige mir dein Antlitz nicht.
FRASQUITA
Närrischer Repela, sprich!
Kommst du ohne deinen Herrn?
REPELA
niest wieder
Dass ich ein Mann bin, o wehe!
Unheil der Männer du, gehe
mir aus dem Gesicht!
FRASQUITA
Möchtest du statt solcher Possen
endlich mir nicht Rede stehn?
REPELA
niest
Seh' ich dich, schönste der Frauen,
fühl' ich von Schauder und Grauen
bang mich übermannt.
Rosige Wangen und Lippen,
ach, wie gefährliche Klippen
sind sie dem Verstand!
FRASQUITA
Solche abgeschmackte Weisheit
hab' ich schon genug gehört.
Oder bringst du sie im Auftrag deines Herrn,
dann geh und sag ihm, dass er mir willkommen ist.
REPELA
Wirklich, Müllerin? Erwartest
du allein zu dieser Stunde,
übermütige Frasquita, wirklich den Corregidor?
Und der gute Lukas schläft wohl den Schlaf
vertrauenssel'ger Gatten
drinnen in der Kammer
auf dem weichen Kanapee?
FRASQUITA
Frecher Wicht! Und wenn er schliefe?
REPELA
Sput ich mich, es zu vermelden,
und mein Auftrag ist vollbracht.
ab
FRASQUITA
zu Lukas
Hörst du wohl? Dein Schlummerstündchen
will er sich zu Nutze machen.
LUKAS
Armer Schelm! Es ist zum Lachen!
Beide lachen, man hört Repela noch aus der Ferne niesen
FRASQUITA
nimmt die Castagnetten und tanzt lachend den Fandango
La la la la la la la
VIERTE SZENE
Die Vorigen, der Corregidor
CORREGIDOR
beim Eingang einige Zeit zusehend und dann in die Hände klatschend
Reizend! Himmlisch! Wunderbar!
näherkommend
Gott behüte dich, Frasquita!
FRASQUITA
O wie freundlich, o wie gütig,
Euer Gnaden sind schon hier!
Noch im Sonnenbrand begeben
euer Gnaden sich zu mir!
Niemand sonst ist noch erschienen,
leer der Tisch, leer das Gestühl.
Ihr allein - doch lasst euch nieder.
Hier im Schatten ist es kühl.
CORREGIDOR
Still, Frasquita, nicht so wortreich!
Weckest sonst den Lukas auf -
denn der Gute schläft wohl noch?
FRASQUITA
indem sie schalkhaft mit ihren Haaren spielt
In dem Schatten meiner Locken
schlief mir mein Geliebter ein.
Weck ich ihn nun auf? Ach, nein!
Sorglich strählt' ich meine krausen
Locken täglich in der Frühe;
doch umsonst ist meine Mühe,
weil die Winde sie zerzausen.
Lockenschatten, Windessausen
schläferten den Liebsten ein.
Weck ich ihn nun auf? Ach, nein!
Hören muss ich, wie ihn gräme,
dass er schmachtet schon so lange,
dass ihm Leben gäb und nähme
diese meine braune Wange.
Und er nennt mich seine Schlange,
und doch schlief er bei mir ein!
Weck ich ihn nun auf? Ach, nein!
CORREGIDOR
Lass ihn schlafen, lass ihn ruhen!
Komm und setz dich her zu mir.
Viele Dinge, grosse Dinge
möcht ich anvertrauen dir.
FRASQUITA
Nun, ich sitze, euer Gnaden!
Sprecht! Ich höre zu.
schlagt die Beine übereinander, stützt den Ellbogen auf das Knie und sieht ihn lächelnd an
CORREGIDOR
durch Frasquitas verführerische Haltung verwirrt, starrt sie eine Weile sprachlos an, dann - tief aufatmend und sich den Schweiss von der Stirn wischend - sucht er durch schmachtende Gebärden seinen überschwänglichen Empfindungen Ausdruck zu verleihen
Süsse Zauberin Frasquita,
was in deinen Feuerblicken
mag den männlich harten Sinn
doch so magisch mir bestricken?
Scheu machst du mich, kühn zugleich.
Drohen möcht' ich, möchte schmähen -
und doch wag in stillem Glüh'n
keinen Wunsch ich zu gestehen.
FRASQUITA
Und was wünschen euer Gnaden?
CORREGIDOR
feurig
Alles, was du willst, mein Herz!
FRASQUITA
Was ich will, ihr wisst es ja:
Die Ernennung meines Neffen
allsogleich zum Sekretär
beim Gerichte zu Estella!
Dieses will ich!
CORREGIDOR
Ha, Frasquita!
Ganz Unmögliches verlangst du!
Denn bedenke die Gefahr,
Wenn der hohe Stadtrat gar -
FRASQUITA
ihn unterbrechend
Ach, wie haben die Sitten
sich doch betrüblich verwandelt!
Einst auf weibliche Bitten
wie hätt' ein Spanier gehandelt!
O, Don Eugenio, einst sprachen
Ritter nicht von Gefahren,
kämpften mit Leuen und mit Drachen,
wenn sie im Wege waren.
Aber vielleicht von den Rittern,
werdet ihr sagen, träte
Keiner ohne zu zittern
vor die städtischen Räte?
CORREGIDOR
Nun, ich will es überlegen.
Würdest du um diesen Preis
schenken deine Liebe mir?
FRASQUITA
Ganz gewiss nicht, denn ich liebe
ja umsonst euch, gnäd'ger Herr!
CORREGIDOR
Also wirst du dann mich lieben?
FRASQUITA
Jetzt schon, sagt' ich doch soeben,
jetzt schon lieb ich euch gar sehr!
CORREGIDOR
Aber -
FRASQUITA
Ohne aber, ehrlich
ist und herzlich meine Liebe!
CORREGIDOR
Aber -
FRASQUITA
Dass ich euer Gnaden
treu ergeben, könnt ihr zweifeln?
CORREGIDOR
Aber -
FRASQUITA
Jeder Zweifel würde
kränken tief mein armes Herz.
CORREGIDOR
Aber, süsseste Frasquita!
Deine Liebe ist zu klein
für so grosser Schönheit Reiz.
FRASQUITA
So gefall' ich euch so sehr?
CORREGIDOR
Keine zweite Frau der Erde
ist so schön wie du!
Tag und Nacht raubt deiner Schönheit
Bild mir Glück und Ruh'.
FRASQUITA
Doch eure Frau Gemahlin! So hold und engelgleich,
der Ehefrauen Krone, an Güte überreich!
CORREGIDOR
Ach die Ehe! Gott mag's wissen,
ist ein böses Sakrament.
Auch die schönste Frau gewöhnt man,
wenn man sie die Seine nennt!
FRASQUITA
Von andern hört ich freilich,
dass strenge Zucht sie hält,
mit Argusaugen hütet
den Mann, der ihr vermählt.
CORREGIDOR
Ach, es haben diese andern
manches Wahre dir gesagt;
sehr von ihren schlimmen Launen
bin ich armer Mann geplagt.
Hart ist sie und abgewendet
aller Glut, versteh genau.
Dir will ich es anvertrauen:
Sie ist eine kalte Frau.
Aber wenn dein Blick, Frasquita,
feuersprühend auf mir ruht,
o, da ahn' ich wonnetrunken
eine tiefe Seelenglut.
Dürft ich einmal dich umfassen,
kosten dich, verbot'ne Frucht,
dürft ich diesen Mund berühren,
den mein Blick begehrlich sucht -
Er beugt sich stark über, um sie zu umarmen. Sie weicht unversehens zurück. Er fällt, das Gleichgewicht verlierend, mit dem Stuhl der Länge nach auf den Boden
FRASQUITA
lachend
Herr Corregidor, ich bitte -
LUKAS
aus der Weinlaube hervorkommend
Was ist los, was ist geschehen?
FRASQUITA
Dieser Scherz kam unerbeten!
LUKAS
Herr, ihr seid wohl fehlgetreten?
FRASQUITA
Oder wäre unter euch gar der Stuhl zerbrochen?
zu Lukas
Höre, fauler Müller!
Hohe Gäste, schlechte Stühle
taugen für einander nicht!
LUKAS
Euer Gnaden haben sich doch nicht verletzt?
CORREGIDOR
der indessen mühsam aufgestanden ist, mit verhaltenem Ingrimm
Nein, ich bin ganz heil geblieben.
zischend, aber leise zu Frasquita
Frau, das sollst du mir bezahlen!
LUKAS
unbefangen
Nun, dann bin ich euer Gnaden
hoch verpflichtet für dies Stückchen;
denn inmitten meiner Trauben
hat der Schlaf mich übermannt.
Hätte seiner Gnaden lauter
Fall mich nicht erweckt, gewiss
hätt ich auf den Fliesen später
mir gebrochen Arm und Bein.
CORREGIDOR
Also du? Nun, das freut mich,
Müller, freut mich wirklich sehr. -
leise zu Frasquita
Ja, das sollst du mir bezahlen!
FRASQUITA
den Corregidor abstäubend, bittend
O Herr, vergebt dem Armen,
er hat geschlafen wie ein Stock!
zu Lukas
Herbei, du Siebenschläfer,
und bürste seiner Gnaden Rock!
CORREGIDOR
während Frasquita ihm ihre Schürze um die Ohren schlägt
Du Schelm, Du böser Trotzkopf!
FRASQUITA
schmeichelnd
Und euer Gnaden hegen doch länger keinen Groll?
CORREGIDOR
Mein Schatz, es hängt von dir ab,
ob ich verzeihen soll.
Lukas ist indessen mit dem Korb voll Weintrauben herabgestiegen. Frasquita, ihm hinter dem Rücken des Corregidors Kusshände zuwerfend, nimmt zwei Trauben aus dem Korb und stellt sich die Hände mit den Trauben hoch erhoben, lächelnd vor den Corregidor
FRASQUITA
Unsres Weinstocks erste Gaben
seien, Herr, euch zugedacht;
denn die Erstlingsfrüchte haben
eine wundertät'ge Macht.
Nehmet sie gleich einem Pfande,
wie's ein Freund von Freunden nimmt,
das der Freundschaft zarte Bande
zu besiegeln ist bestimmt.
Der Corregidor zögert, die Trauben anzunehmen
FÜNFTE SZENE
Die Vorigen, Repela
REPELA
der schon vorher nähergekommen ist
Müllerin, deine Trauben
mute dem Gaste nicht zu,
denn es stehet zu glauben:
sauer sind sie so wie du.
FRASQUITA
Grober Schlingel! Weisst du denn,
Ob ich sauer bin, ob süss?
REPELA
Wachsen die Trauben auf Mauern
unerreichbar hinan,
wird sie unter die sauern
rechnen der weise Mann.
Aber deinen Freundschaftstrauben
kommt ein Schätzer schon des Wegs.
Müller, Müllerin vor's Tor,
hohe Gäste zu empfah'n.
FRASQUITA
Nein, im Ernste! Kommt der Bischof?
Lukas, komm! Geschwind vor's Tor,
ihn gebührend zu empfah'n.
LUKAS
gleichzeitig
Nein, im Ernste! Kommt der Bischof?
Schnell, Frasquita! Komm vor's Tor,
ihn gebührend zu empfah'n.
Frasquita mit Lukas ab
REPELA
Herr, sofern ihr noch gesonnen,
ungesehn euch aus der Mühle
zu entfernen, nehmet den Weg hier
links hinaus, doch ohne Säumen.
CORREGIDOR
Nein, ich bleibe! Und bezahlen
soll sie mir den Spott, soll teuer
meine Leiden mir bezahlen!
schreibt einige Worte in seine Brieftafel und reisst das Blatt heraus
Höre und versteh, Repela!
Dies hier bringst du dem Alkalden
Juan Lopez und gebiete
Eile ihm bei meinem Zorn.
Dann nach Hause zur Señora
geh und melde, dass ich heute
dringender Geschäfte wegen
auf dem Rathaus übernachte.
Dorten um die neunte Stunde
Harre deines Herrn!
REPELA
Schwachen Kopf und schwache Beine
überbürdet ihr da schwer.
Möchtet ihr nicht lieber Trauben,
die auf dem Spalier der Tugend
hoch und unersteiglich hangen,
gleich dem weisen Tier der Fabel,
unversucht für sauer halten?
CORREGIDOR
Nicht, eh' sie das Spiel bezahlten!
Er weist Repela mit einer gebieterischen Gebärde fort. Repela geht links ab. Im Hintergrunde, wo sich indessen herumziehende Musikanten aufgestellt haben, sieht man den Bischof mit Gefolge, von Lukas und Frasquita begleitet, auftreten. In dem Augenblick, als der Bischof in den Vordergrund tritt und der Corregidor ihm eine tiefe Verbeugung macht, fällt der Vorhang.