DRITTER AKT
Hügelland. Ein Weg im Hintergrund oben und ein Weg im Vordergrund unten, durch einen Pfad verbunden. Nacht; bewölkter Himmel mit manchmal durchbrechendem Mondschein.
ERSTE SZENE
FRASQUITA
kommt den oberen Weg und läuft den Pfad herunter; sieht sich lauschend um
Sonderbare Nachtgeräusche
folgen mir von Ort zu Ort.
Wie ich mich beständig täusche!
Schritte hör ich fort und fort.
Lukas lauft auf dem oberen Wege vorüber
Oder ist's mein eignes Blut,
das mir in den Ohren saust?
Der Mond kommt hervor
Neugier'ger Mond,
du hast uns belauscht,
als wir der Liebe
Geständnis getauscht.
Erster Bezeigung
Glühender Neigung
warst du ein lieber Vertrauter.
Repela kommt auf dem untern Weg und bleibt in einiger Entfernung stehen
So hilf mir nun treu,
verrate mich nicht.
Birg heute in Wolken
dein strahlendes Licht!
Nächtlich sich Schleichenden,
heimlich Hinstreichenden
bist du kein lieber Vertrauter.
ZWEITE SZENE
Die Vorigen, Repela näherkommend
FRASQUITA
erschrickt, fasst sich aber gleich
Wer ist's? Was wollt ihr?
REPELA
Kein Wolf, ein zahmes Tier!
FRASQUITA
Ach du! Was suchst du hier?
REPELA
nimmt eine Priese, niest
Wenn sich schöne Frauen rüsten,
nächtlich über Land zu gehn,
sollten sie doch die Begleitung
eines Ritters nicht verschmähn!
FRASQUITA
Hat dein Herr nach mir geschickt?
Will er zurück mich holen lassen,
der Schändliche, der Bösewicht?
REPELA
Deiner Tugend opferfreud'gen Herold,
warum schmähst du ihn?
FRASQUITA
Opferfreudig? Ha, ha! Er ist meiner
Tugend sittenloser Feind.
REPELA
Unerprobt, wär sie denn Tugend?
Der die Prüfung dir bereitet,
dich zu mut'ger Tat verleitet,
höher als der Freunde besten
schätze einen solchen Feind.
FRASQUITA
Willst du spottend mich verhöhnen?
Oder suchst mich auszusöhnen
mit den Lastern und Gebrechen,
die dein Herr in sich vereint?
Aber die Künste der Überredung,
lieber Repela, lassen mich kalt.
Mich zurück zu bringen
wird dir nicht gelingen,
weder mit Güte, noch mit Gewalt!
will davoneilen
REPELA
geheimnisvoll
Schlecht geraten! Andre Pläne
führ ich gegen dich im Schild.
FRASQUITA
umkehrend
Sag sie mir, ich bitte dich!
REPELA
Wenn du schmeichelst, fürcht ich mich.
Sei doch wieder stolz und wild.
FRASQUITA
schmeichlerisch
Herzens-Repela, was hast du im Sinn?
REPELA
Unwiderstehliche Schmeichlerin!
FRASQUITA
ihn bei der Hand fassend
Repela, du bist ein Schelm.
Nicht darf man im Ernste dich fassen.
So kannst du dir ja im Scherz
ein Wörtchen entschlüpfen lassen.
ihn streichelnd
Was führest du heimlich im Schild?
Was ist dein Plan, dein Geheimnis?
REPELA
Ich fühl es, ich werde schwach
plauder' ich aus mein Geheimnis?
Es ist -
FRASQUITA
O, sprich!
REPELA
Es ist -
FRASQUITA
O, sprich!
REPELA
Es ist -
FRASQUITA
dringend
O, sprich nur!
REPELA
Zeitversäumnis!
FRASQUITA
sich ärgerlich zum Gehen wendend
So versäume denn deine Zeit allein!
REPELA
Also gehst du doch zum Arzt?
FRASQUITA
Kümmert's dich, wohin ich geh?
REPELA
Nein, so wenig wie den Schatten,
der dir folgt, wohin es sei.
FRASQUITA
Nun, dann höre: Zum Alkalden
geh ich suchen meinen Mann!
REPELA
Lass das lieber sein und laufe
nicht vom Regen in die Traufe!
Weisst du auch, dass der Alkalde
schönen Frauen seine Dienste
nicht umsonst zu Füssen legt?
FRASQUITA
Ha, der sollte mir nur kommen!
Ihr und euer Herr im Bunde
wolltet alle mich verderben!
Und nun liegt zur bösen Stunde
der Corregidor im Sterben.
Ah, die üppigen Gedanken
werden ihm da wohl vergeh'n!
REPELA
Sage nicht nein,
schicke dich drein! Dort oder hier
immer bei dir bleibe ich gern
nach dem Befehl des Herrn.
Schlüpf in den Busch,
eilig, husch, husch, über das Feld,
wie's dir gefällt, ich hinterdrein,
lasse dich nicht allein!
Sähe uns wer von ungefähr,
hielt er wohl gar uns für ein Paar,
das auf der Flucht
Freuden der Liebe sucht.
Doch diese Frau nimmt es genau!
Ehliche Treu' knüpft sie auf's Neu,
ehe Gefahr noch im Verzuge war....
FRASQUITA
gleichzeitig
Muss es denn sein, schick ich mich drein!
Dort oder hier immer mit mir
nehm ich dich gern
Auf den Befehl des Herrn.
Komm durch den Busch,
eilig, husch, husch, über das Feld,
schnurriger Held! Geh hinterdrein,
lasse mich nicht allein!
Sähe uns wer von ungefähr,
hielt er wohl gar uns für ein Paar,
das auf der Flucht
Rettung vor Feinden sucht.
Doch deiner Frau, Lukas, vertrau!
Standhaft und treu steht sie dir bei!
Dein immerdar, so im Glück wie in Gefahr!
Beide ab
Verwandlung
Ein Instrumentalsatz leitet zur nächsten Szene über.
Küche in der Mühle wie zu Anfang des zweiten Aktes. Die Kleider des Corregidors hängen noch vor dem Feuer, welches beinahe niedergebrannt ist. Die Tür steht offen
DRITTE SZENE
LUKAS
tritt herein
Nicht geschlossen? Nicht geschlossen!
besieht die Tür
Nur Frasquita konnte öffnen.
Aber wie? Warum? Wozu?
Auf Befehl? Aus freier Wahl?
lehnt sich fassungslos an den Türpfosten
Welches Todesschweigen!
Ist sie wohl mit ihm gefloh'n?
Oder hat er sie geraubt?
Oder werd ich - werde beide
finden hinter jener Tür?
Jeder Schritt ein Schritt zum Tode!
Lieber möcht ich an der Schwelle
sterben, eh' Gewissheit, - ha!
erblickt die Kleider des Corregidors, stürzt auf sie hin und untersucht sie
Grässliche Gewissheit, ja!
Aber nein, es ist nicht wahr!
Meine Augen sind Betrüger.
Lügner meine Hände!
Welcher Teufel hat dem Schurken
Macht gegeben, dieses Weib,
freventlich mir zu entreissen!
Das Dokument auf dein Tisch bemerkend
Die Ernennung ihres Neffen!
sardonisch
Ich verstehe! -------
Hab ich immer doch geargwohnt,
dass sie ihre Anverwandten
mehr als ihren Gatten liebt!
Aber Antwort, meine Antwort
will ich ihr nicht schuldig bleiben!
ergreift die Donnerbüchse und ladet
Niemand kann mich sehen - Gott nur,
Gott - und der hat dies gewollt!
schleicht zur Tür des Schlafzimmers, auf der ersten Stufe hält er inne
Wenn es dennoch Täuschung wäre?
Muss es denn nicht Täuschung sein?
Viele Möglichkeiten gibt es,
tausend Möglichkeiten gäb es!
schleicht die Stufen hinauf
Wenn es Gott gefallen hätte,
mich durch schlimmen Schein zu prüfen?
schaut durch das Schlüsselloch und prallt zurück
Sein Gesicht!
Auf dem Kissen sein Gesicht!
Nein, ich habe mich getäuscht!
Eifersüchtiger Gedanken
böse Hirngespinste sind's!
sieht noch einmal hin, Mit einer verzweiflungsvollen Gebärde gibt er zu erkennen, dass sein Verdacht sich bewahrheitet. Dann geht er stumm die Stufen herab und verbirgt sein Gesicht in den Händen. Pause
Da sieh ich betrogen,
da sieh ich entehrt,
und doch ist mir Ärmsten
die Rache verwehrt.
Ich könnte sie töten.
Doch wären sie tot,
so hätten die Leute
mit mir ihren Spott.
Verlachten, verhöhnten
den buckligen Mann,
der sich vor der Hochzeit
nicht besser besann.
Lachen würden sie, ja lachen,
weil ich bucklig war und wagte,
eine schöne Frau zu haben.
Lachen aber will ich selbst,
wenn ich meine Rache fand.
Aber welche Rache, welche?
Wenn ich -? Nein, so geht es nicht!
Aber seine Frau? Auch sie
ist ja eine schöne Frau!
Und auch ich hab einen Buckel!
lacht auf
Ha, ha!
Ja, das ist sublim! Entzückend!
Das soll meine Rache sein!
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!
beginnt, von Anfallen sarkastischen Gelächters unterbrochen, die Kleider des Corregidors anzuziehen
Schöne Frau Corregidora!
Hätten Sie das wohl gedacht?
Schöne Frau Corregidora!
Guter Rat kommt über Nacht!
besieht sich mit Hohnlachen, ergreift Stock und Handschuhe, stülpt den Dreispitz tief in die Stirn. Mit einer drohenden Gebärde wendet er sich noch einmal der Tür des Schlafzimmers zu und geht langsam ab
FÜNFTE SZENE
CORREGIDOR
im Nachtkleid, eine Zipfelmütze auf dem Kopfe, vorsichtig die Türe öffnend
Welcher Spuk tobt hier im Haus?
Sässe nicht bei dem Alkalden
Tio Lukas fest, ich schwüre,
dass desselben rauhe Stimme
und sein Lachen hier erscholl.
Sind die Kleider erst getrocknet,
so verlass ich dieses Haus,
eh' der Morgen graut.
sucht seine Kleider
Was, zum Henker? Fremdes Zeug?
Oh verdammt! Ward ich bestohlen?
Liess ein Vagabund die Kleider
hier zurück? Nun, um so besser!
Unerkannt komm ich zur Stadt.
Während er sich ankleidet
Einst haben in toller Verwandlung
auch Götter um Liebe gebuhlt,
doch hol' mich der Teufel, es lohnte
sich ihnen zuletzt die Geduld.
Drum hüte dich, Müllerin! Länger
nicht bin ich dein williger Tor!
Es wandelt zum Herrn und Gebieter
zurück sich der Corregidor.
Er hat des Müllers Kleider angezogen und die Felbelmütze aufgesetzt. Das Feuer im Kamin ist erloschen
SECHSTE SZENE
Der Vorige. Frasquita, Repela, der Alkalde, Tonuelo
ALKALDE
an der Tür, nach rückwärts gewendet
Ich als Amtsperson der Erste,
Tonuelo, du der Zweite!
Ihr, Frasquita, wartet draussen!
den Corregidor erblickend
Ha, da ist er ja! Im Namen
Seiner Majestät! Ergebt Euch,
Tio Lukas!
Der Corregidor will in das Schlafzimmer zurückflüchten
TONUELO
Halt, Verräter!
Fahren sollst du nun zur Hölle!
Er versetzt dem Corregidor einen Stoss ins Rückgrat und wirft ihn auf die Erde
FRASQUITA
gleichzeitig, sich auf Tonuelo stürzend und ihn ohrfeigend
Hund, lass meinen Lukas los!
Lass ihn los, und auf der Stelle!
ALKALDE
gleichzeitig, seinen Fuss dem Corregidor in den Magen pflanzend
Dein Entkommen dieses Mal
hindre ich auf alle Fälle!
REPELA
der sich mit ausgebreiteten Armen vor der Schlafzimmertür aufgestellt hat, gleichzeitig
Eines sag' ich: Es betritt
lebend keiner diese Schwelle!
CORREGIDOR
Hilfe! Hilf, Alkalde, Schaf!
Siehst du nicht, dass ich es bin?
ALLE
entsetzt
Der Corregidor!
CORREGIDOR
wütend
Ins Gefängnis, an den Galgen!
ALKALDE
niederkniend
Ach, hoher Herr, verzeiht!
Wer hätte euer Gnaden
erkannt in diesem Kleid?
CORREGIDOR
Weisst du nicht, dass eine Bande
Räuber unter Tio Lukas
meine Kleider mir geraubt?
FRASQUITA
mit äusserster Heftigkeit auf den Corregidor zutretend
Lüge und Verrat!
REPELA
während der Corregidor weiter mit dem Alkalden spricht
Liebe Müllerin, nun trachte
deine Sache beizulegen,
ehe des Gebieters Gunst
sich von dir und Lukas wendet.
Denn auf seiner Stirne seh ich
schlimme Wetterzeichen stehn.
FRASQUITA
Hätte Lukas etwa Grund,
diesen Mann um Gunst zu bitten?
Weiss der Himmel, wo der Ärmste
jetzt herumirrt, frech vertrieben
aus dem eignen Haus!
REPELA
Tio Lukas geht zur Stunde,
als Corregidor verkleidet,
in der Stadt umher.
FRASQUITA
Was mag er verkleidet wollen?
REPELA
zuckt die Achseln
Sicher ist nur, dass er hier
offen fand die Eingangstür.
Fand die Kleider meines Herrn -
FRASQUITA
Jesus! Also hält der Ärmste
seine Gattin für entehrt?
zum Corregidor
Don Eugenio de Zuniga!
Fort ging mein unselger Mann,
glaubend an die Schmach der Gattin,
ging er fort von hier!
CORREGIDOR
kalt
Wünscht, dass ihm nichts Schlimm'res droht!
FRASQUITA
Eurer Gattin zu berichten,
was sich hier ereignet hat,
ging er zürnend in die Stadt.
CORREGIDOR
bestürzt
Eingebildete Geschichten!
Dennoch wollen wir ihm nach,
dass er mit erfundner Schmach
meine Gattin nicht belüge.
REPELA
Ja, und gebe Gott, dass Lukas
mit Erzählen sich begnüge!
Die Verkleidung gibt zu denken.
CORREGIDOR
aufbrausend
Glaubst du, dass er fähig wäre -?
FRASQUITA
O, zu allem ist er fähig!
Geht es doch um seine Ehre!
REPELA
zum Corregidor
Was mich auch so sehr erschreckt,
dass in eures Rockes Schössen
eures Hauses Schlüssel steckt!
Glaubt ihr nicht, der Unbedachte
strebt nach der Gebieterin -?
CORREGIDOR
auffahrend
Meiner Frau? Wo denkst du hin?
Ist sie nicht Corregidora?
FRASQUITA
Seht ihr's - euer Beispiel machte
aus der Mühle ein Gomorrha.
CORREGIDOR
Juan Lopez, Tonuelo,
Auf den Flüchtling geht zu fahnden!
Bringt ihr ihn mir nicht zur Stelle,
fürchterlich werd' ich es ahnden.
ALKALDE und TONUELO
Euer Gnaden, untertänigst
bitten wir, uns zu vertraun.
Unbegrenzt ist unser Eifer,
Häuser dürft ihr auf uns baun!
Treulich sorgend, dass das Auge
des Gesetzes immer wacht,
gönnen wir in unserm Amte
Ruh uns weder Tag noch Nacht.
Und wir schwören's! Den Verräter
holen wir in Eile ein.
Doch vor allem, euer Gnaden,
müssen wir zur Stadt hinein.
FRASQUITA
gleichzeitig
Solche Pläne, armer Lukas,
mochte Rachsucht in dir braun!
Deine Wege, deine Pläne,
sie erfüllen mich mit Graun.
Gegen deines Weibes Treue,
Lukas, schöpftest du Verdacht,
und Vergeltung willst du üben
in des Nebenbuhlers Tracht?
Aber noch in meinem Herzen
sag ich "nein", es kann nicht sein!
Doch vor allem ohne Säumen
müssen wir zur Stadt hinein.
CORREGIDOR
gleichzeitig
Uber dir soll nun der Himmel
meiner Gunst nicht länger blaun;
fühlen grimmiglich, Frasquita,
wirst du bald des Löwen Klaun.
Die du mich verspotten wolltest,
Ubermütige, gib acht!
Wenn ich grolle, wenn ich zürne,
hab ich zu verderben Macht.
Steckt nur Lukas erst im Kerker,
dann, Frasquita, bist du mein!
Doch vor allem, ich befehl es,
müssen wir zur Stadt hinein.
REPELA
gleichzeitig
Tugend hab ich nie bezweifelt,
schmähe nicht das Herz der Fraun,
doch verwechselt ist im Dunkeln
leicht der Braune mit dem Graun.
Und es kann gar wohl geschehen,
da das Kleid die Leute macht,
dass sich dieser Schwerenöter
schliesslich noch ins Fäustchen lacht!
Deshalb möchte ich zur Stunde
nicht Corregidora sein.
Doch vor allem, das ist sicher,
müssen wir zur Stadt hinein.
CORREGIDOR
mit gebieterischer Gebärde
Doch vor allem, ich befehl' es,
Gehn wir nun zur Stadt hinein!
Alle rüsten sich zum Aufbruch, Ein Knecht führt vor dem offenen Tor zwei Mülleresel herbei, die von Frasquita und dem Corregidor bestiegen werden