3. Akt.
(Schlossgarten. Links vorn ein für 7 Personen gedeckter Kaffeetisch, altdeutsch, an dem, dem Publikum zugekehrt, nur Dankwart sitzt. Einen Teil der linken Querseite der Bühne bildet die Hauswand, an der ein Bauer mit einem Papagei hängt. Im Hintergrunde ein alter Baum mit einer Bank. Auftritt links und rechts.)
Dankwart
(im Morgengewande, [ebenso später Ute und Hagen,] allein am Kaffeetisch; ärgerlich die Zeitung weglegend)
Es kommt wieder kein Mensch zum Kaffee!
(ruft)
Gunther! Kriemhild! Ute!
(Ute, Hagen, Gunther, Volker treten verkatert und mißmutig ein.)
Ist denn keine Ordnung möglich! Also, es ist direkt unerhört! Wo ist denn Giselher?
Volker
Hat keinen Hunger!
(Sie setzen sich.)
Dankwart
Und Kriemhild?
Ute
Kommt nicht zum Frühstück!– Alles wegen der verwünschten Geschichte von heut’Nacht!
Dankwart
Also das gibt’s nicht. In meinem Hause hat man Hunger zu haben. In meinem Hause wird gefrühstückt. Wo ist Siegfried?
Hagen
(von links)
Siegfried läßt sich entschuldigen, er nimmt ein Bad!
Dankwart
(entsetzt)
Was nimmt er?
Hagen
Na, ein Bad!
Dankwart
Ein Bad?
Hagen
Na ja. Ein Sitzbad nimmt er, in Drachenblut. Er sagt, er will sich nicht noch mal so’ner Behandlung aussetzen, wie heut’ Nacht! Wo ist denn mein Kipfel?
Dankwart
(immer wütender zu Gunther)
Und warum, zum Donnerwetter, kommt denn Deine Frau nicht ‘runter?
Gunther
Ach die! Die liegt oben auf dem Sopha und sinnt auf Mord!
Dankwart
Sie soll runter kommen, Kaffee trinken! Sie kann nachher weiter sinnen!
Gunther
Da kennst Du sie schlecht! Die verweigert jede Nahrung. Sie hat geschworen, es soll weder Speise noch Trank über ihre Lippen kommen, bis die große Schmach gerächt ist, die ihr widerfahren.
(Alle sehen ihn ungläubig an.)
Gunther
(beteuernd)
Also, sie hat schon seit ¾ Stunden nichts gegessen und nichts getrunken! Ich ängstige mich förmlich um die Frau!
Ute
Daß sie aber auch so nachträglich ist! So schlimm war doch die Sache gar nicht.
Volker
Ja, mir ist’s auch unklar. Und überhaupt, wo Siegfried doch seine Haue weg hat!
Hagen
Wir haben’s ihm aber auch ordentlich gegeben!
Dankwart
A la bonheur!
Gunther
Und wißt Ihr, Kinder, was das komischste dabei ist? Ihr dürft’s aber nicht weitersagen
(geheimnisvoll)
Siegfried ist an der ganzen Geschichte unschuldig. Er hat wirklich nur in meinem Auftrage mit Brunhilde gerungen, weil sie wieder mal frech war und ich allein mich’s nicht getraut habe.
Hagen
(nach einer Pause)
Aber Gunther, das ist ja fürchterlich!
Gunther
Ja, es tut mir ja auch leid, daß er so unschuldig gelitten hat! –
Hagen
Ach was! Von leid tun ist gar keine Rede! Warum ist er auch so uneigennützig!
Volker
Und so unschuldig
Dankwart
Und so ungeschickt!
Hagen
Aber jetzt wird er’s doch überall ‘rumerzählen, was was Du für ein Waschlappen bist und wie Du Brunhilde besiegst hast, und dann ist die ganze Familie blamiert.
Ute
Donnerwetter! Daran hab'ich noch garnicht gedacht! Da wollen wir uns ‘mal schleunigst wieder alle mit Siegfried aussöhnen!
Gunther
Darauf geht Brunhilde nie ein. Sie hat gesagt, einer muß weg von hier. Sie oder er.
(Sie stehen auf. Hagen nimmt seine Tasse mit.)
Dankwart
Na, dann wollen wir Siegfried außer Landes jagen. Ich hab’ die Geschichte jetzt satt. Nichts als Aergernisse hat man von dem Menschen!
Hagen
Und seine 5 Millionen?
Dankwart
Die nehmen wir ihm natürlich vorher weg!
Ute
Damit er einen Krieg mit uns anfängt! Er ist mir überhaupt schon lange unangenehm mit seiner blödsinnigen Körperkraft!
Volker
Und mit seinem widerwärtigen Heldenmut!’
Hagen
Und mit seinem ekelhaften Gelde!
Ute
Ja, was machen wir da bloß?
(Nachdenkliche Pause.)
Dankwart
Ich hab’ einen wunderbaren Einfall!
Hagen
(schnell)
Ich auch!
Ute
Ich auch!
Alle
Alle haben wir’n--Na?
(gleichzeitig)
Siegfried muß sterben!
(Alle sehen sich einen Augenblick an, platzen kurz lachend los und dann haken sie die kleinen Finger im Kreise ineinander, wie man tut, wenn man etwas gleichzeitig gesagt hat. Hagen, der allein nicht mit ihn der Kette ist, schlägt die Hände durch. Alle setzen sich, legen den Finger auf den Mund und machen: Pscht!)
Brunhilde
(tritt strahlend, wie der junge Morgen, unter sie)
Guten Morgen, Kinder! Siegfried muß sterben!
Alle
(klatschen in die Hände)
Bravo!
Hagen
Darauf trinken wir eins.
Dankwart
Aber vorher kaufen wir ihn die Lebensversicherung ein!
Ute
Und Kriemhild? Wir können doch unmöglich so über ihren Kopf weg . . . .
Hagen
Das laß nur meine Sorge sein!
Brunhilde
(von hinten eintretend)
Guten Morgen, Herrschaften! Was Neues?
Hagen
König Attila hat zum Deine Hand angehalten!
Kriemhild
(entzückt)
Was? König Attila? Der reiche Hunnenkönig? Der mächtigste König von ganz Europa? Das ist ja herrlich! Was habt Ihr denn gesagt?
Ute
Na, wir haben gesagt, dass Du schon verheiratet bist!
Kriemhild
(enttäuscht)
Ach ja, richtig! Daran hab’ ich ganz vergessen. Aber das ist ja scheußlich! Ich hab’ aber auch immer solches Pech!
(Bricht in Tränen aus.)
Mama, was soll ich tun? Du musst mir raten! Ach, ich bin ja so unglücklich.
(Sie birgt ihr Haupt in UtesSchoß.)
Ute
(ernst)
Mein Kind, wenn die Stimme Deines Herzens nicht spricht – ich kann Dir nicht raten!
Kriemhild
(sich aufrichtend und ihre Tränen trocknend)
Die Stimme meines Herzens hat schon gesprochen. Ich nehme König Attilas Antrag an!
Ute
Und Siegfried?
Kriemhild
(nonchalant-selbstverständlich)
Ach, Siegfried, Siegfried muß sterben!
Ute
Na Also, Kinder! Im Guten geht alles!
(Alle stehen auf und fassen sich bei der Hand. Der folgende Ermordungschor wird als Tanzreigen gesungen. Lieblich, lustig, ausgelassen.)
(Alle in einer Reihe vor- und rückwärts.)
I.
Nun, so laßt uns denn Siegfried ermorden
Und lustig fließe sein Blut, Blut, Blut!
Ist er erst ’mal ein Engel geworden,
Dann geht alles noch einmal so gut! Holdrio!
(Bei dem folgenden steht Hagen im Vordergrunde, die Kette auf ihn zu.)
Volker
Der gute Onkel Hagen
Gunther
(Hagen ein riesiges Schwert einhändigend)
Soll ihn nach Tisch erschlagen?
Ute
(ihm eine Lanze gebend)
Mit Speeren und mit Spießen!
Dankwart
(gibt ihm ein Gewehr)
Er kann ihn auch erschließen!
Brunhilde
(sinngemäß)
Revolver, Dolch und Gift!
Kriemhild
So oder so! Wie’s trifft!
(Alle bilden einen Kreis um Hagen, der mit seinen Mordwaffen beladen in der Mitte steht, und tanzen um ihn mit angefaßten Händen herum.)
Ute
Ach, wie wird das lustig sein!
Dankwart
Ach, wie werden wir uns freu’n!
Volker
Wenn er sanft entschlafen ist und still!
Kriemhild
Und der schwere Schicksalsschlag
Volker
Trifft uns heute Nachmittag
Brunhild
Zwischen vier und fünfe, so Gott will!
Alle
Nun, so laßt uns denn Siegfried ermorden,
‘s ist das Beste für ihn. Denn Ihr wisst,
‘s ist noch keiner unsterblich geworden,
Der nicht vorher gestorben ist!
Holdrio!
(Tanz.) (Schuhplattler.)
II.
Dankwart
Wir wollen ihn diskret begraben,
Gunther
Er soll ‘ne schöne Leiche haben,
Ute
Wir schreiben auf seinem Leichensteine:
Volker
Hier ruh’n vom Herrn Siegfried die Herr’n Gebeine!
Kriemhild
Und wenn wer fragt, dem wird gesagt:
Brunhild
Er starb per Zufall auf der Jagd!
Ute
Da zerbricht man sich so oft
Dankwart
Seinen Kopf und sinnt und hofft,
Volker
Und steht ratlos und verzweifelt da!
Kriemhild
Müht sich, plagt sich und erwägt,
Gunther
Grübelt, denkt und überlegt
Brunhild
Und das Gute liegt doch stets so nah!
Alle
(Um- und Abzug)
Nun, so laßt uns denn Siegfried ermorden,
Dann sind wir mit Anstand ihn los!
Im Guten, im Guten geht alles,
Im Guten geht alles famos.
Holdrio!
(Schuhplattler.)
(ab.)
Hagen
(bleibt allein zurück. Er betrachtet schauernd seine Mordwaffen und läßt sich auf einen Stuhl am Kaffeetisch nieder. Ein Gewitter zieht auf. Es donnert fern. Der Wind heult. Hagen schaudert)
Hu! Hu!
Ich weiß nicht, ob ich’s tu!
(er setzt sich.)
Ein gutes Gewissen
Ist ein sanftes Ruhekissen!
(es klärt sich etwas auf).
Aber eigentlich ist
Im Leben
Doch alles Bestimmung!
Und wir tun
Doch nur,
Was wir müssen!
(rabbulistisch).
Aber wenn wir nun,
Nichts weiter tun,
Als das, was wir müssen –
Wozu brauchen wir dann ein Gewissen
Mit Gewissensbissen?
(es donnert heftig. Er schielt nach oben)
Man kann zwar nicht wissen!
(wie oben)
Man hat manchmal so’n Empfinden,
So’n blasses!
‘s ist vielleicht besser, ich laß es!!
(die Sonne durchbricht das Gewölk.)
(philosophisch)
Was ist der Mensch?
Ein Wurm! Ein Nichts!
Der Wind verweht’s,
Der Sturm zerbricht’s
Ein Duft! Ein Hauch!
(es fängt an zu regnen.)
Ein Schall! Ein Rauch!
Und die Recken auch!
Alle müssen sterben!
Und verderben!
(kleine Pause.)
Und die andern erben!
Denen fällt's zu!
(Pause.)
(gierig, listig, ängstlich)
Ob ich’s tu?
(Donner)
(Pause.)
Was ist ein Mord? –
Ein kühner Streich!
Dem, den es trifft,
Ist’s meistens gleich.
Denn einen jeden trifft sein Los!
Den einen im späten Alter bloß
Den andern in der Jahre Blüte –
(es donnert stark.)
Vielleicht mich selber –Gott behüte!
[Auf der Erde wohnen
Viele Millionen,
Die sich täglich mehren,
Und neue Millionen –
Und Billionen –
Und Trillionen –
Gebären,
Die wieder neuen Trillionen
Das Leben schenken –
‘s ist gar nicht auszudenken!!!
Und wenn nun wirklich schon
Von den vielen Million’
Der oder der
Mal ‘n bischen eh’r
Verstirbt dann und wann –
‘s kommt bei der Menge
Wahrhaftig nicht drauf an! –
Und Brunhilde liegt doch so viel dran!]
(Pause.)
Und was ist Geld? –
Ein Hort! Ein Schatz!
Der eine braucht’s,
Der andere hat’s!
Ein nicht’ger Tand
In Siegfried’s Hand,
Des schnöden Gauchs,
Und ich, ich brauch's!
Ja, unerforschlich ist Wotans Will’!
Und 5000 Mill’ sind 5000 Mill’.
(Das Gewitter setzt ein; er merkt es nicht.)
Und zu 4 Prozent
Sind das am End’
(steht auf, wird immer wilder und spricht zum Gewitter.)
200000 Mark pro Jahr!
Das ist doch klar!!
(gestikuliert nach oben, es donnert und blitzt.)
Und da rechn’ ich noch schlecht
Und zu niedrigem Fuß!
(Es donnert wie wahnsinnig).
Ach was, Unsinn!
(6 starke Schläge. Hagen hält sich die Ohren zu)
Ich tu’s!!
(läuft mit zugehaltenen Ohren vor dem Donner weg. Ab.)
(Sonnenschein auf der Bühne und im Orchester. Siegfried erscheint im Bademantel von hinten.)
Siegfried
Ich hab’ ein Bad genommen
Unmittelbar nach Tisch,
‘s ist mir nicht gut bekommen,
Ich fühl’ mich gar nicht frisch.
tralala etc.
Ich hab’ ein Weib genommen,
‘s war zu verführerisch,
‘s ist mir nicht gut bekommen,
Ich fühl’ mich gar nicht frisch.
tralala etc.
‘s ist mit dem Hochzeitmachen
Genau wie mit dem Bad,
‘s sind lauter solche Sachen,
Die man nicht nötig hat.
tralala etc.
Siegfried
(er setzt sich unter Zeichen des Schmerzes an den Kaffeetisch. Halb zum Publikum, halb zu sich)
‘nen feinen Schwager hab’ ich, was? Ich kann heut noch nicht sitzen. – ‘s Frühstück haben sie mir auch weggegessen! Ich hätt’ doch nicht in die Familie reinheiraten sollen.
(Er putzt sich wiederholt sein Glas.)
Ich weiß nicht, mein Monocle läuft mir immer so blau an. Es muß mir irgend ein Unheil bevorstehen! Also das ist ein ganz sicheres Zeichen. Ich muß doch gleich mal den Vogel fragen.
(Zum Publikum)
Es ist Ihnen doch bekannt, daß ich die Vogelsprache verstehe? Ich sage Ihnen, es geht gar nichts über ein bischen Sprachkenntnis.
(Er stellt sich vor das Bauer und verbeugt sich leicht.)
Guten Morgen, Herr Vogel!
Der Vogel
(Attrappe, die Flüge und Schnabel bewegt)
Guten Morgen, Herr Siegfried!
Siegfried
Sagen Sie mal, Herr Vogel, Sie kennen doch die Zukunft?
Vogel
Na, was man so für’s Haus braucht!
[Siegfried
Sagen Sie mal, wie wird denn morgen die Montanbörse sein?
Vogel
Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Siegfried!
Siegfried
Na, wozu sind Sie dann Vogel?
Vogel
Herr Siegfried, wenn ich das wüßte, wär ich schon lange nicht mehr Vogel!]
Siegfried
Dann sagen Sie mir wenigstens, ob mir ein Unglück bevorsteht!
Vogel
Na, wie man’s nimmt! Sie sollen ermordet werden.
Siegfried
Sieh mal! Sieh mal! Ich hab’ schon gedacht, ich werd’ mein Vermögen verlieren!
(doch etwas ängstlich)
Werd’ ich sterben, Herr Vogel?
Vogel
Ach Unsinn! In ‘ner Operette! Sie werden leben und gesund sein, Herr Siegfried!
Siegfried
Bis 100 Jahr!
Vogel
Adieu, Herr Siegfried!
Siegfried
Adieu, Herr Vogel!
(setzt sich wieder an den Kaffeetisch.)
Vogel
Noch einen Rat, Herr Siegfried; verkaufen Sie Nibelungen-Aktien!
Siegfried
(erschreckt)
Wie?!
Vogel
Bestens, Herr Siegfried, bestens!
Siegfried
Da hab’n wirs! Ich hab’ aber der Rheinischen Bank nie recht getraut!
(Sieht das auf dem Tisch liegende Morgenblatt nach.)
Gott sei Dank, in der Königlich privilegierten Burgundischen Zeitung steht noch nichts! Ein Glück übrigens, daß mir das nicht vor der Hochzeit passiert ist!
(Er fängt an zu frühstücken. Hagen schleicht von hinten mit einem Riesenschwert an, geht auf Siegfried zu, späht scharf aus, sagt verzweifelt: „Ich kann’s Fleckel nicht finden!“ und kehrt wieder um. Seelenkampf. Siegfried dreht sich um, als Hagen ihm den Rücken wendet, und zuckt geringschätzigdie Achseln. Der Himmel verfinstert sich, der Sturm heult, der Vogel krächzt warnend. Siegfried dreht sich, wieder von Hagen ungesehen, zum Vogel um.)
Ich danke, ich seh’schon!
(Und zum Himmel.)
Ich bin unterrichtet!
(Hagen schleicht an ihn heran und zückt das Schwert. Siegfried dreht sich halb um und nimmt es ihm weg.)
Siegfried
(ungehalten)
Also, laß den Blödsinn!
Hagen
(fällt vor ihm auf die Knie)
Gnade, Siegfried, Gnade.
Siegfried
(ärgerlich)
Ach, Unsinn, steh’ auf! Von Uebelnehmen ist garnicht die Rede! Ich weiß, Du hast mich ermorden wollen, aber nicht aus Blutdurst oder aus Uebermut, sondern meines Geldes willen, also aus edlen, lautern und verständigen Motiven. Und so was nehm' ich nie übel. Aber geschickter hätt'st Du’s anfangen können!
Hagen
(erleichtert)
Na, ich kann’s ja das nächste Mal nachholen.
Siegfried
Nee, nee, daran liegt mir gar nichts. Ich hab’ keine Lust, wegen der lumpigen paar Mark immer auf dem qui vive zu sitzen. Sieh’ mal, Hagen, ich werd’ Dir was sagen! Dein ganzer Groll ist umsonst. Die Nibelungenaktien sind um 200 Prozent gefallen! Ich bin ein armer Mann und das einzige Glück ist, daß ich schon verheiratet bin!
Hagen
Siegfried, Du bist ein Ehrenmann!
Siegfried
Und Du bist ein Galgenstrick!
Hagen
Laß uns Freunde sein!
(sie schütteln sich die Hände.)
Brunhild
(von hinten auftretend)
Ha, was seh’ ich! Siegfried, Du lebst noch immer! – Und Hagen, der Rächer meiner Ehre, steht mit meinem Todfeind im trauten Zwiegespräch!
Hagen
Gnädige Frau, mein Zorn ist verraucht, die Nibelungenaktien stehen 15 ¾ und eine Ermordung Siegfrieds würde nicht mehr die Kosten decken!
Brunhild
Und was wird aus der Beleidigung, die er mir angetan?
Hagen
Die bringen wir vor’s Fehmgericht! Ich bin der grimme Hagen!
(Ab.)
Brunhild
(setzt sich auf die Bank am Baum)
Recht so! Berufe die heilige Fehme zusammen, damit der Frevler endlich seine verdiente Strafe erhält!
(Brunhilde setzt sich.)
Siegfried
(ratlos)
Was tu’ ich jetzt, Herr Vogel?
Vogel
Ja, Herr Siegfried, jetzt müssen Sie sich mit Brunhilde aussöhnen, sonst weiß ich wirklich nicht, wie wir aus dem Konflikt herauskommen.
Siegfried
Keinen Ton red’ ich mit der gemeinen Person!
Vogel
Na dann singen Sie ihr doch was vor.
Siegfried
Ja, es fällt mir aber kein neues Lied ein!
Vogel
Na, dann singen Sie doch ein Potpourri aus den alten Liedern. Im 3. Akt kann man sich so was schon erlauben.
Siegfried
Na, wenn Sie meinen, Herr Vogel!
(Er setzt sich neben Brunhild.)
P o t p o u r r i
Siegfried
Sie sieht so miesepetrig aus
Und nicht wie sonst so milde!
Was hat sie bloß? Was hat sie bloß?
Die Königin Brunhilde.
Brunhild
Arglos, harmlos, ungewarnt
Hat er heimlich mich umgarnt!
Kam im Dunkeln, welch Skandal!
Tat, als wär’ er mein Gemahl!
[Vogel
Ach, war das ‘ne schöne Hochzeit,
‘s war, weiß Gott, ‘ne reine Pracht!
So ‘ne wunderschöne Hochzeit
Hab’ ich noch nicht mitgemacht!]
Siegfried
Nein, nein, Brunhild, hör’ an mich, ich beschwöre,
Ganz unschuldig kam ich in diese Affäre,
Ich tat’s, meiner Seel’,
Nur auf Gunthers Befehl’
Ich hätt’ mir’s nie erlaubt,
Doch er befahl’s! Je nun –
Brunhild
Und was der Fürst befiehlt,
Das muß der Recke tun?!
War das bei den Germanen
Seit Alters Brauch?
Siegfried
So taten’s unsre Ahnen,
Und wir tun’s auch!
Brunhild
Mir scheint der Zweikamf kam Dir sehr gelegen,
Und zwar durchaus nicht nur der Sache wegen!
Was dachtest Du Dir denn heut’ Nacht?
Siegfried
Ich hab mir nichts dabei gedacht!
Brunhild
Kreuz-Millionen-Donnerwetter,
Himmel-Herrgott-Sakrament!
Und das wagst Du mir zu sagen,
Pfui, ist das impertinent!
Und Du wagst Dich noch zu rühmen
Deiner frechen Apathie!
Deine Schuld könnt’ ich verzeihen,
Deine Unschuld aber nie!
Ich, Brunhild von Isenland,
Mein Wahlspruch, der ist weltbekannt:
Nichts Schlimm’res gibt’s, als wenn der Mann
Nachher noch sagt, ihm lag nichts dran!
[Vogel
Siegfried, Siegfried, sieh nicht so dämlich aus.
Siegfried, Siegfried, reiß’ Deine Ehre raus,
Tu’ doch den Mund auf und sag’ doch: Pardon!]
Siegfried
Ach Brunhild, ach Brunhild,
Sei doch bloß wieder mild,
Sei doch bloß wieder mild,
Pardon! Pardon!
Brunhild
Erst sage mir, Du ungalanter Mann,
Was bietest Du mir zur Versöhnung an?
Siegfried
(schlau)
Was da flimmert,
Was da schimmert,
Was da goldig wogt und rollt,
All’ das Rheingold,
Das sei Dein Gold,
All’ das Nibelungengold!
[Brunhild
(ablehnend)
Die rheinische Bank ist verkracht, ist verkracht!
Die rheinische Bank hat Fallit gemacht!
Wie hat Dein Glück sich gewandelt.
Es werden die Aktien der rheinischen Bank,
Es werden die Aktien der rheinischen Bank,
An der Börse nicht mehr, an der Börse nicht mehr,
an der Börse schon nicht mehr notiert.]
Brunhild
Nein, nein, so wirst Du’s nicht erreichen,
Mein überstolzes Herze zu erweichen!
Im Zorne, im Zorne,
Da ist mein Herz von Horne
Und stark wie ‘n Riese, ach!
Aber in Güte, in Güte,
Erweicht sich mein Gemüte,
In Güte werd’ ich schwach!
Und bist Du brav, reich’ ich Dir meine Hand,
Vielleicht auch meinen Mund zur Sühne hin.
Das ist die Stelle mit dem Lindenblatt,
Das ist die Stelle, wo ich sterblich bin!
Siegfried
(listig-schmeichelnd)
Gott, wie poetisch sie all’ das sagt,
Gott, wie der Vorschlag mir wohl behagt,
Und ich sage nicht ja und ich sage nicht nein,
Und was noch nicht ist, na, das kann ja noch sein!
Beide
Lodernde Liebe liegt in den Lüften,
Mächtige Minne saust durch den Saal!
Siegfried
Heia, Geliebte, zähme die Gluten!
Brunhild
Etepetete? Nicht in die Hand!
Siegfried
Hüpfendes Herz!
Brunhild
Brausende Brust!
Siegfried
Voll und ganz!
Brunhild
Unentwegt!
Siegfried
Jederzeit!
Brunhild
Lieb’ ich Dich
Siegfried
Ich Dich!
Brunhild
Du mich!
Siegfried
Ich Dich!
Brunhild
Du mich!
Beide
All Heil! Hurra!
(Tanzen nach rechts ab.)
(Die Magen, mit schwarzen Fehmgewandern, schauerlich, von links.)
Dankwart
Rache!
Ute
Mord!
Hagen
Wehe!
Brunhilde
(mit Siegfried von rechts)
Kinder, nehmt die Kappen ab. Ich habe mich soeben mit Siegfried ausgesöhnt!
Dankwart
Aber Brunhilde, er hat Dir doch gestern Deine Ehre geraubt!
Brunhild
Ja, aber er hat sie mir eben wiedergegeben!
Gunther
(schüttelt ihm die Hand)
Siegfried, ich hab’ immer gesagt, Du bist ein Kavalier!
Ute
Na seht Ihr, Kinder, im Guten geht alles!
[Gruppe. Siegfried faßt rechts Kriemhild, links Brunhilde unter.)
Ute
Er hat verletzt Brunhilde,
Brunhilde
Die, wo ihn nie betrübt!
Gunther
Und gleicherzeit Kriemhilde,
Kriemhild
Die, wo ihn so geliebt!
Siegfried
Wir machen auch dieser Geschichte ein End’
Und einigen uns jetzt auf 50 Prozent.
Denn so verliert Ihr mich gänzlich
Und so zur Hälfte doch bloß.
Im Guten, im Guten geht alles,
Im Guten geht alles famos! Holdrioh!]
(Gruppe. Siegfried faßt rechts Kriemhild, links Brunhild unter. Um sie gruppiert die übrigen.)
S c h l u ß g e s a n g.
So war’s bei den Germanen etc.
Ende.