ZWEITER AUFZUG
ERSTE SZENE
In der Burg von Antwerpen. In der Mitte des Hintergrundes der Palas [Ritterwohnung], links im Vordergrunde die Kemenate [Frauenwohnung]; rechts im Vordergrunde die Pforte des Münsters; ebenda im Hintergrunde das Turmtor. Es ist Nacht. Die Fenster des Palas sind hell erleuchtet; aus dem Palas hört man jubelnde Musik; Hörner und Posaunen klingen lustig daraus her. Auf den Stufen zur Münsterpforte sitzen Friedrich und Ortrud, beide in düsterer ärmlicher Kleidung. Ortrud, die Arme auf die Knie gestützt, heftet unverwandt ihr Auge auf die leuchtenden Fenster des Palas; Friedrich blickt finster zur Erde. Langes düstres Schweigen
FRIEDRICH
erhebt sich rasch
Erhebe dich, Genossin meiner Schmach!
Der junge Tag darf hier uns nicht mehr sehn.
ORTRUD
ohne ihre Stellung zu ändern
Ich kann nicht fort, hierher bin ich gebannt.
Aus diesem Glanz des Festes unsrer Feinde
lass saugen mich ein furchtbar tödlich Gift,
das unsre Schmach und ihre Freuden ende!
FRIEDRICH
finster vor Ortrud hintretend
Du fürchterliches Weib, was bannt mich noch
in deine Nähe?
mit schnell wachsender Heftigkeit
Warum lass ich dich nicht
allein, und fliehe fort, dahin, dahin,
schmerzlich
wo mein Gewissen Ruhe wieder fänd!
im heftigsten Ausbruch schmerzlicher Leidenschaft und Wut
Durch dich musst ich verlieren
mein Ehr, all meinen Ruhm;
nie soll mich Lob mehr zieren,
Schmach ist mein Heldentum!
Die Acht ist mir gesprochen,
zertrümmert liegt mein Schwert,
mein Wappen ward zerbrochen,
verflucht mein Vaterherd!
Wohin ich nun mich wende,
geflohn, gefemt bin ich,
dass ihn mein Blick nicht schände,
flieht selbst der Räuber mich!
O hätt ich Tod erkoren,
fast weinend
da ich so elend bin!
in höchster Verzweiflung
Mein Ehr hab ich verloren,
mein Ehr, mein Ehr ist hin!
Er stürzt, von wütendem Schmerz überwältigt, zu Boden. - Musik aus dem Palas
ORTRUD
immer in ihrer ersten Stellung, während Friedrich sich erhebt
Was macht dich in so wilder Klage doch
vergehn?
FRIEDRICH
Dass mir die Waffe selbst geraubt,
mit einer heftigen Bewegung gegen Ortrud
mit der ich dich erschlüg!
ORTRUD
mit ruhigem Horn
Friedreicher Graf
von Telramund! weshalb misstraust du mir?
FRIEDRICH
Du fragst? War's nicht dein Zeugnis, deine Kunde,
die mich bestrickt, die Reine zu verklagen?
Die du im düstren Wald zu Haus, logst du
mir nicht, von deinem wilden Schlosse aus
die Untat habest du verüben sehn? -
mit eignem Aug, wie Elsa selbst den Bruder
im Weiher dort ertränkt? - Umstricktest du
mein stolzes Herz durch die Weissagung nicht,
bald würde Radbods alter Fürstenstamm
von neuem grünen und herrschen in Brabant?
Bewogst du so mich nicht, von Elsas Hand,
der Reinen, abzustehn und dich zum Weib
zu nehmen, weil du Radbods letzter Spross?
ORTRUD
leise, doch grimmig
Ha, wie tödlich du mich kränkst! -
laut
Dies alles, ja, ich sagt und zeugt es dir!
FRIEDRICH
sehr lebhaft
Und machtest mich, des Name hochgeehrt,
des Leben aller höchsten Tugend Preis,
zu deiner Lüge schändlichem Genossen?
ORTRUD
trotzig
Wer log?
FRIEDRICH
Du! - Hat nicht durch sein Gericht
Gott mich dafür geschlagen?
ORTRUD
mit fürchterlichem Hohne
Gott?
FRIEDRICH
Entsetzlich!
Wie tönt aus deinem Munde furchtbar der Name!
ORTRUD
Ha, nennst du deine Feigheit Gott?
FRIEDRICH
Ortrud!
ORTRUD
Willst du mir drohn? Mir, einem Weibe, drohn?
O Feiger! Hättest du so grimmig ihm
gedroht, der jetzt dich in das Elend schickt,
wohl hättest Sieg für Schande du erkauft!
langsam
Ha, wer ihm zu entgegnen wüsst, der fänd
ihn schwächer als ein Kind!
FRIEDRICH
Je schwächer er,
desto gewalt'ger kämpfte Gottes Kraft!
ORTRUD
Gottes Kraft? Ha, ha!
Gib mir die Macht, und sicher zeig ich dir,
welch schwacher Gott es ist, der ihn beschützt.
FRIEDRICH
von Schauer ergriffen, mit leiser, bebender Stimme
Du wilde Seherin, wie willst du doch
geheimnisvoll den Geist mir neu berücken!
ORTRUD
auf den Palas deutend, in dem das Licht verlöscht ist
Die Schwelger streckten sich zur üpp'gen Ruh; -
setz dich zur Seite mir! Die Stund ist da,
wo dir mein Seherauge leuchten soll!
Während des Folgenden nähert sich Friedrich, wie unheimlich von ihr angezogen, Ortrud immer mehr und neigt sein Ohr aufmerksam zu ihr herab
Weisst du, wer dieser Held, den hier
ein Schwan gezogen an das Land?
FRIEDRICH
Nein!
ORTRUD
Was gäbst du doch, es zu erfahren,
wenn ich dir sag: ist er gezwungen,
zu nennen, wie sein Nam und Art,
all seine Macht zu Ende ist,
die mühvoll ihm ein Zauber leiht?
FRIEDRICH
Ha! Dann begriff ich sein Verbot!
ORTRUD
Nun hör! Niemand hier hat Gewalt,
ihm das Geheimnis zu entreissen,
als die, der er so streng verbot,
die Frage je an ihn zu tun.
FRIEDRICH
So gält es, Elsa zu verleiten,
dass sie die Frag ihm nicht erliess?
ORTRUD
Ha, wie begreifst du schnell und wohl!
FRIEDRICH
Doch wie soll das gelingen?
ORTRUD
Hör! -
Vor allem gilt's, von hinnen nicht
zu fliehn; drum schärfe deinen Witz!
Gerechten Argwohn ihr zu wecken,
tritt vor, sehr bestimmt klag ihn des Zaubers an,
mit dem er das Gericht getäuscht!
FRIEDRICH
mit fürchterlich wachsender innerer Wut
Ha! Trug und Zaubers List! -
ORTRUD
Missglückt's,
so bleibt ein Mittel der Gewalt!
FRIEDRICH
Gewalt?
ORTRUD
Umsonst nicht bin ich in
geheimsten Künsten tief erfahren;
drum achte wohl, was ich dir sage!
Jed Wesen, das durch Zauber stark, -
wird ihm des Leibes kleinstes Glied
entrissen nur, muss sich alsbald
ohnmächtig zeigen, wie es ist.
FRIEDRICH
Ha, sprächst du wahr!
ORTRUD
lebhaft
O hättest du
im Kampf nur einen Finger ihm,
ja, eines Fingers Glied entschlagen,
der Held - er war in deiner Macht!
FRIEDRICH
ausser sich
Entsetzlich! Ha, was lässest du mich hören!
Durch Gott geschlagen wähnt ich mich: -
mit furchtbarer Bitterkeit
Nun liess durch Trug sich das Gericht betören,
durch Zaubers List verlor mein Ehre ich!
Doch meine Schande könnt ich rächen,
bezeugen könnt ich meine Treu?
Des Buhlen Trug, ich könnt ihn brechen,
und meine Ehr gewänn ich neu!
O Weib, das in der Nacht ich vor mir seh, -
betrügst du jetzt mich noch, dann weh dir! Weh!
ORTRUD
Ha, wie du rasest! Ruhig und besonnen!
So lehr ich dich der Rache süsse Wonnen!
Friedrich setzt sich langsam an Ortruds Seite auf die Stufen nieder
ORTRUD UND FRIEDRICH
Der Rache Werk sei nun beschworen
aus meines Busens wilder Nacht!
Die ihr in süssem Schlaf verloren,
wisst, dass für euch das Unheil wacht!
ZWEITE SZENE
Elsa, in weissem Gewande, erscheint auf dem Söller; sie tritt an die Brüstung und lehnt den Kopf auf die Hand. - Friedrich und Ortrud ihr gegenüber auf den Stufen des Münsters sitzend
ELSA
Euch Lüften, die mein Klagen
so traurig oft erfüllt,
euch muss ich dankend sagen,
wie sich mein Glück enthüllt!
Durch euch kam er gezogen,
ihr lächeltet der Fahrt;
auf wilden Meereswogen
habt ihr ihn treu bewahrt.
Zu trocknen meine Zähren
hab ich euch oft gemüht;
wollt Kühlung nur gewähren
der Wang, in Lieb erglüht!
ORTRUD
Sie ist es!
FRIEDRICH
Elsa!
ORTRUD
Der Stunde soll sie fluchen,
in der sie jetzt mein Blick gewahrt - Hinweg!
Entfern ein kleines dich von hier!
FRIEDRICH
Warum?
ORTRUD
Sie ist für mich, - ihr Held gehöre dir!
Friedrich entfernt sich und verschwindet im Hintergrunde
ORTRUD
in ihrer bisherigen Stellung verbleibend, laut, mit klagendem Ausdruck
Elsa!
ELSA
nach einem Schweigen
Wer ruft? - Wie schauerlich und klagend
ertönt mein Name durch die Nacht?
ORTRUD
Elsa!
Ist meine Stimme dir so fremd?
Willst du die Ärmste ganz verleugnen,
die du ins fernste Elend schickst?
ELSA
Ortrud! - Bist du's? Was machst du hier,
unglücklich Weib?
ORTRUD
..."Unglücklich Weib!" -
Wohl hast du recht mich so zu nennen!
In ferner Einsamkeit des Waldes,
wo still und friedsam ich gelebt, -
was tat ich dir? was tat ich dir?
Freudlos, das Unglück nur beweinend,
das lang belastet meinen Stamm, -
was tat ich dir? was tat ich dir?
ELSA
Um Gott, was klagest du mich an?
War ich es, die dir Leid gebracht?
ORTRUD
Wie könntest du fürwahr mir neiden
das Glück, dass mich zum Weib erwählt
der Mann, den du so gern verschmäht?
ELSA
Allgüt'ger Gott! Was soll mir das?
ORTRUD
Musst ihn unsel'ger Wahn betören,
dich Reine einer Schuld zu zeihn -
von Reu ist nun sein Herz zerrissen,
zu grimmer Buss ist er verdammt.
ELSA
Gerechter Gott!
ORTRUD
Oh, du bist glücklich! -
Nach kurzem, unschuldsüssem Leiden
siehst lächeln du das Leben nur;
von mir darfst selig du dich scheiden,
mich schickst du auf des Todes Spur, -
dass meines Jammers trüber Schein
nie kehr in deine Feste ein!
ELSA
sehr bewegt
Wie schlecht ich deine Güte priese,
Allmächt'ger, der mich so beglückt,
wenn ich das Unglück von mir stiesse,
das sich im Staube vor mir bückt!
O nimmer! Ortrud! Harre mein!
Ich selber lass dich zu mir ein!
Sie eilt in die Kemenate zurück. - Ortrud springt in wilder Begeisterung von den Stufen auf
ORTRUD
Entweihte Götter! Helft jetzt meiner Rache!
Bestraft die Schmach, die hier euch angetan!
Stärkt mich im Dienste eurer heil'gen Sache!
Vernichtet der Abtrünn'gen schnöden Wahn!
Wodan! Dich Starken rufe ich!
Freia! Erhabne, höre mich!
Segnet mir Trug und Heuchelei,
dass glücklich meine Rache sei!
ELSA
noch ausserhalb
Ortrud, wo bist du?
Elsa und zwei Mägde mit Lichtern treten aus der unteren Tür der Kemenate auf
ORTRUD
sich demütigend vor Elsa niederwerfend
Hier, zu deinen Füssen.
ELSA
bei Ortruds Anblick erschreckt zurücktretend
Hilf Gott! So muss ich dich erblicken,
die ich in Stolz und Pracht nur sah!
Es will das Herze mir ersticken,
seh ich so niedrig dich mir nah!
Steh auf! O, spare mir dein Bitten!
Trugst du mir Hass, verzieh ich dir;
was du schon jetzt durch mich gelitten,
das, bitte ich, verzeih auch mir!
ORTRUD
O habe Dank für so viel Güte!
ELSA
Der morgen nun mein Gatte heisst,
anfleh ich sein liebreich Gemüte,
dass Friedrich auch er Gnad erweist.
ORTRUD
Du fesselst mich in Dankes Banden!
ELSA
mit immer gesteigerter heiterer Erregtheit
In Früh'n lass mich bereit dich sehn, -
geschmückt mit prächtigen Gewanden
sollst du mit mir zum Münster gehn:
Dort harre ich des Helden mein,
freudig stolz
vor Gott sein Eh'gemahl zu sein.
ORTRUD
Wie kann ich solche Huld dir lohnen,
da machtlos ich und elend bin?
Soll ich in Gnaden bei dir wohnen,
stets bleibe ich die Bettlerin!
immer näher zu Elsa tretend
Nur eine Kraft ist mir gegeben,
sie raubte mir kein Machtgebot; -
durch sie vielleicht schütz ich dein Leben,
bewahr es vor der Reue Not!
ELSA
unbefangen und freundlich
Wie meinst du?
ORTRUD
heftig
Wohl, dass ich dich warne,
sich mässigend
zu blind nicht deinem Glück zu traun;
dass nicht ein Unheil dich umgarne,
lass mich für dich zur Zukunft schaun.
ELSA
mit heimlichem Grauen
Welch Unheil?
ORTRUD
sehr geheimnisvoll
Könntest du erfassen,
wie dessen Art so wundersam,
der nie dich möge so verlassen,
wie er durch Zauber zu dir kam!
ELSA
von Grausen erfasst, wendet sich unwillig ab; - voll Trauer und Mitleid wendet sie sich dann wieder zu Ortrud
Du Ärmste kannst wohl nie ermessen,
wie zweifellos ein Herze liebt?
Du hast wohl nie das Glück besessen,
das sich uns nur durch Glauben gibt?
freundlich
Kehr bei mir ein! Lass mich dich lehren,
wie süss die Wonne reinster Treu!
Lass zu dem Glauben dich bekehren:
Es gibt ein Glück, das ohne Reu!
ORTRUD
für sich
Ha! Dieser Stolz, er soll mich lehren,
wie ich bekämpfe ihre Treu!
Gen ihn will ich die Waffen kehren,
durch ihren Hochmut werd ihr Reu!
Ortrud, von Elsa geleitet, tritt mit heuchlerischem Zögern durch die kleine Pforte ein; die Mägde leuchten voran und schliessen, nachdem alle eingetreten. - Erstes Tagesgrauen
FRIEDRICH
tritt aus dem Hintergrunde vor
So zieht das Unheil in dies Haus! -
Vollführe, Weib, was deine List ersonnen;
dein Werk zu hemmen fühl ich keine Macht!
Das Unheil hat mit meinem Fall begonnen, -
nun stürzet nach, die mich dahin gebracht!
Nur eines seh ich mahnend vor mir stehn:
Der Räuber meiner Ehre soll vergehn!
DRITTE SZENE
Friedrich, Nachdem er den Ort erspäht, der ihn vor dem Zulaufe des Volkes am günstigsten verbergen könnte, tritt er hinter einen Mauervorsprung des Münsters
Allmählicher Tagesanbruch. Zwei Wächter blasen vom Turm das Morgenlied; von einem entfernteren Turme hört man antworten. Während die Türmer herabsteigen und das Tor erschliessen, treten aus verschiedenen Richtungen der Burg Dienstmannen auf, begrüssen sich, gehen ruhen an ihre Verrichtungen usw. Einige schöpfen am Brunnen in metallenen Gefässen Wasser, klopfen an die Pforte des Palas und werden damit eingelassen. Die Pforte des Palas öffnet sich von neuem, die vier Heerhornbläser des Königs schreiten heraus und blasen den Ruf. Die Heerhornbläser treten in den Palas zurück. Die Dienstmannen haben die Bühne verlassen. Aus dem Burghofe und durch das Turmtor kommen nun immer zahlreicher brabantische Edle und Mannen vor dem Münster zusammen; sie begrüssen sich in heiterer Erregtheit
DIE EDLEN UND MANNEN
In Frühn versammelt uns der Ruf,
gar viel verheisset wohl der Tag!
Der hier so hehre Wunder schuf,
manch neue Tat vollbringen mag.
Der Heerrufer schreitet aus dem Palas auf die Erhöhung, vor dessen Pforte heraus, die vier Heerhornbläser ihm voran. Der Königsruf wird wiederum geblasen; alle wenden sich in lebhafter Erwartung dem Hintergrunde zu
DER HEERRUFER
auf der Höhe vor der Pforte des Palas
Des Königs Wort und Will tu ich euch kund;
drum achtet wohl, was euch durch mich er sagt! -
In Bann und Acht ist Friedrich Telramund,
weil untreu er den Gotteskampf gewagt; -
Wer sein noch pflegt, wer sich zu ihm gesellt,
nach Reiches Recht derselben Acht verfällt.
DIE MÄNNER
Fluch ihm, dem Ungetreuen,
den Gottes Urteil traf!
Ihn soll der Reine scheuen,
es flieh' ihn Ruh und Schlaf!
Beim Rufe der Heerhörner sammelt sich das Volk schnell wieder zur Aufmerksamkeit
DER HEERRUFER
Und weiter kündet euch der König an,
dass er den fremden, gottgesandten Mann,
den Elsa zum Gemahle sich ersehnt,
mit Land und Krone von Brabant belehnt;
doch will der Held nicht Herzog sein genannt, -
ihr sollt ihn heissen: Schützer von Brabant!
DIE MÄNNER
Hoch der ersehnte Mann!
Heil ihm, den Gott gesandt!
Treu sind wir untertan
dem Schützer von Brabant!
Neuer Ruf der Heerhornbläser
DER HEERRUFER
Nun hört, was Er durch mich euch sagen lässt: -
Heut feiert er mit euch sein Hochzeitfest; -
doch morgen sollt ihr kampfgerüstet nahn,
zur Heeresfolg dem König untertan;
er selbst verschmäht der süssen Ruh zu pflegen,
er führt euch an zu hehren Ruhmes Segen!
Der Heerrufer geht nach einiger Zeit mit den vier Heerhornbläsern in den Palas zurück
DIE MÄNNER
mit Begeisterung
Zum Streite säumet nicht,
führt euch der Hehre an!
Wer mutig mit ihm ficht,
dem lacht des Ruhmes Bahn!
Von Gott ist er gesandt
zur Grösse von Brabant!
Während das Volk freudig durcheinander wogt, treten im Vordergrunde vier Edle, Friedrichs sonstige Lehensmannen, zusammen
DER ERSTE EDLE
Nun hört, dem Lande will er uns entführen!
DER ZWEITE
Gen einen Feind, der uns noch nie bedroht?
DER DRITTE
Solch kühn Beginnen solle ihm nicht gebühren!
DER VIERTE
Wer wehret ihm, wenn er die Fahrt gebot?
FRIEDRICH
ist unbemerkt unter sie getreten
Ich!
Er enthüllt sein Haupt; sie fahren entsetzt zurück
DIE VIER EDLEN
Ha! Wer bist du? - Friedrich! Seh' ich recht?
Du wagst dich her, zur Beute jedem Knecht?
FRIEDRICH
Gar bald will ich wohl weiter noch mich wagen,
vor euren Augen soll es leuchtend tagen!
Der euch so kühn die Heerfahrt angesagt,
der sei von mir des Gottestrugs beklagt!
DIE VIER EDLEN
War hör' ich? Rasender! Was hast du vor?
Verlorner du, hört dich des Volkes Ohr!
Sie drängen Friedrich nach dem Münster, wo sie ihn vor dem Blicke des Volkes zu verbergen suchen. - Vier Edelknaben treten aus der Tür der Kemenate auf den Söller, laufen munter den Hauptweg hinab und stellen sich vor dem Palas auf der Höhe auf. Das Volk, das die Knaben gewahrt, drängt sich mehr nach dem Vordergrunde
EDELKNABEN
Macht Platz für Elsa, unsre Frau:
Die will in Gott zum Münster gehn.
Sie schreiten nach vorn, indem sie durch die willig zurückweichenden Edlen eine breite Gasse bis zu den Stufen des Münsters bilden, wo sie dann sich selbst aufstellen. Vier andere Edelknaben treten gemessen und feierlich aus der Tür der Kemenate auf den Söller und stellen sich daselbst auf, um den Zug der Frauen, den sie erwarten, zu geleiten
VIERTE SZENE
Ein langer Zug von Frauen in prächtigen Gewändern schreitet langsam aus der Pforte der Kemenate auf den Söller; er wendet sich links auf dem Hauptwege am Palas vorbei und von da wieder nach vorn dem Münster zu, auf dessen Stufen die zuerst Gekommenen sich aufstellen
DIE EDLEN UND MANNEN
während des Aufzugs
Gesegnet soll sie schreiten,
die lang in Demut litt!
Gott möge sie geleiten,
Gott hüte ihren Schritt! -
Die Edlen, die unwillkürlich die Gasse wieder vertreten hatten, weichen hier vor den Edelknaben aufs neue zurück, welche dem Zuge, da er bereits vor dem Palas angekommen ist, Bahn machen. Elsa ist, prächtig geschmückt, im Zuge aufgetreten und hier auf der Erhöhung vor dem Palas angelangt; die Gasse ist wieder offen, alle können Elsa sehen, welche eine Zeitlang verweilt
DIE EDLEN UND MANNEN
Sie naht, die Engelgleiche,
von keuscher Glut entbrannt!
Elsa schreitet aus dem Hintergrunde langsam nach vorn durch die Gasse der Männer
Heil dir, o Tugendreiche!
Heil Elsa von Brabant!
Hier sind ausser den Edelknaben auch die vordersten Frauen bereits auf der Treppe des Münsters angelangt, wo sie sich aufstellen, um Elsa den Vortritt in die Kirche zu lassen; unter den Frauen, welche ihr noch folgen und den Zug schliessen, geht Ortrud, ebenfalls reich gekleidet; die Frauen, die dieser zunächst gehen, halten sich voll Scheu und wenig verhaltenem Unwillen von ihr entfernt, so dass sie sehr einzeln erscheint: in ihren Mienen drückt sich immer steigender Ingrimm aus. Als Elsa unter dem lauten Zurufe des Volkes eben den Fuss auf die erste Stufe zum Münster setzen will, tritt Ortrud, welche bisher unter den letzten Frauen des Zuges gegangen heftig hervor, schreitet auf Elsa zu, stellt sich auf derselben Stufe ihr entgegen und zwingt sie so, vor ihr wieder zurückzutreten
ORTRUD
Zurück, Elsa! Nicht länger will ich dulden,
dass ich gleich einer Magd dir folgen soll!
Den Vortritt sollst du überall mir schulden,
vor mir dich beugen sollst du demutsvoll!
DIE EDELKNABEN UND DIE MÄNNER
Was will das Weib?
ELSA
heftig erschrocken
Um Gott! Was muss ich sehn?
Welch jäher Wechsel ist mit dir geschehn?
Ortrud wird von den Edelknaben nach der Mitte der Bühne zurückgedrängt
ORTRUD
Weil eine Stund ich meines Werts vergessen,
glaubst du, ich müsste dir nur kriechend nahn?
Mein Leid zu rächen will ich mich vermessen,
was mir gebührt, das will ich nun empfahn!
Lebhaftes Staunen und Bewegung aller
ELSA
Weh, liess ich durch dein Heucheln mich verleiten!
Die diese Nacht sich jammernd zu mir stahl:
wie willst du nun in Hochmut vor mir schreiten, -
du, eines Gottgerichteten Gemahl!
ORTRUD
mit dem Anschein tiefer Gekränktheit und stolz
Wenn falsch Gericht mir den Gemahl verbannte,
war doch sein Nam im Lande hoch geehrt;
als aller Tugend Preis man ihn nur nannte,
gekannt, gefürchtet war sein tapfres Schwert.
Der deine, sag, wer sollte hier ihn kennen,
vermagst du selbst den Namen nicht zu nennen!
MÄNNER, FRAUEN UND KNABEN
in grosser Bewegung
Was sagt sie? Ha, was tut sie kund?
Sie lästert! Wehret ihrem Mund!
ORTRUD
Kannst du ihn nennen, kannst du uns es sagen,
ob sein Geschlecht, sein Adel wohl bewährt?
Woher die Fluten ihn zu dir getragen,
wann und wohin er wieder von dir fährt?
Ha, nein!
mit grosser Kraft
Wohl brächte es ihm schlimme Not, -
der kluge Held
etwas gedehnt
die Frage drum verbot!
MÄNNER, FRAUEN UND KNABEN
Ha, spricht sie wahr? Welch schwere Klagen! -
Sie schmähet ihn! Darf sie es wagen? -
ELSA
nach grosser Betroffenheit sich ermannend
Du Lästerin! Ruchlose Frau!
Hör, ob ich Antwort mir getrau!
mit grosser Wärme
So rein und edel ist sein Wesen,
so tugendreich der hehre Mann,
dass nie des Unheils soll genesen,
wer seiner Sendung zweifeln kann!
DIE MÄNNER
Gewiss! Gewiss!
ELSA
Hat nicht durch Gott im Kampf geschlagen
mein teurer Held den Gatten dein?
zum Volke
Nun sollt nach Recht ihr alle sagen,
wer kann da nur der Reine sein?
MÄNNER, FRAUEN UND KNABEN
Nur er! nur er! Dein Held allein!
ORTRUD
Elsa verspottend
Ha, diese Reine deines Helden,
wie wäre sie so bald getrübt,
müsst er des Zaubers Wesen melden,
durch den hier solche Macht er übt!
Wagst du ihn nicht darum zu fragen,
sehr bestimmt
so glauben alle wir mit Recht,
du müsstest selbst in Sorge zagen,
um seine Reine steh es schlecht!
DIE FRAUEN
Elsa unterstützend
Helft ihr vor der Verruchten Hass!
Der Palas wird geöffnet, die vier Heerhornbläser des Königs schreiten heraus und blasen
DIE MÄNNER
dem Hintergrunde zu blickend
Macht Platz! Macht Platz! Der König naht!
FÜNFTE SZENE
Der König, Lohengrin und die sächsischen Grafen und Edlen sind in feierlichem Zuge aus dem Palas getreten; durch die Verwirrung im Vordergrunde wird der Zug unterbrochen. Der König und Lohengrin dringen durch die verwirrten Haufen des Vordergrundes lebhaft vor
DIE BRABANTER
Heil! Heil dem König!
Heil dem Schützer von Brabant!
DER KÖNIG
Was für ein Streit?
ELSA
sehr aufgeregt an Lohengrins Brust stürzend
Mein Herr! O mein Gebieter!
LOHENGRIN
Was ist?
DER KÖNIG
Wer wagt es hier, den Kirchengang
zu stören?
DES KÖNIGS GEFOLGE
Welcher Streit, den wir vernahmen?
LOHENGRIN
Ortrud erblickend
Was seh ich! Das unsel'ge Weib bei dir?
ELSA
Mein Retter! Schütze mich vor dieser Frau!
Schilt mich, wenn ich dir ungehorsam war!
In Jammer sah ich sie vor dieser Pforte,
aus ihrer Not nahm ich sie bei mir auf: -
Nun sieh, wie furchtbar sie mir lohnt die Güte,
etwas zurückhaltend
Sie schilt mich, dass ich dir zu sehr vertrau!
LOHENGRIN
den Blick fest und bannend auf Ortrud heftend, welche vor ihm sich nicht zu regen vermag
Du fürchterliches Weib, steh ab von ihr!
Hier wird dir nimmer Sieg! -
Er wendet sich freundlich zu Elsa
Sag, Elsa, mir,
vermocht ihr Gift sie in dein Herz zu giessen?
Elsa birgt ihr Gesicht weinend an seiner Brust
LOHENGRIN
sie aufrichtend und nach dem Münster deutend
Komm, lass in Freude dort diese Tränen fliessen!
Er wendet sich mit Elsa und dem König dem Zuge voran nach dem Münster; alle lassen sich an, wohlgeordnet zu folgen
Friedrich tritt auf der Treppe des Münsters hervor; die Frauen und Edelknaben, als sie ihn erkennen, weichen entsetzt aus seiner Nähe
FRIEDRICH
O König! Trugbetörte Fürsten! Haltet ein!
DER KÖNIG
Was will der hier?
DIE MÄNNER
Was will der hier? Verfluchter, weich von dannen!
FRIEDRICH
O hört mich an!
KÖNIG
Zurück! Weiche von dannen!
DIE MÄNNER
Hinweg! Du bist des Todes, Mann!
FRIEDRICH
Hört mich, dem grimmes Unrecht ihr getan!
KÖNIG
Hinweg!
DIE MÄNNER
Hinweg! Weich von dannen!
FRIEDRICH
Gottes Gericht, es ward entehrt, betrogen!
Durch eines Zaubrers List seid ihr belogen!
DIE MÄNNER
Greift den Verruchten!
KÖNIG
Greift den Verruchten!
DIE MÄNNER
Hört! er lästert Gott!
Sie dringen von allen Seiten auf ihn ein
FRIEDRICH
mit der fürchterlichsten Anstrengung, um gehört zu werden, seinen Blick nur auf Lohengrin geheftet und der Andringenden nicht achtend
Den dort im Glanz ich vor mir sehe,
den klage ich des Zaubers an!
Die Andringenden schrecken vor Friedrichs, von höchster Kraft der Verzweiflung erbebender Stimme zurück und hören endlich aufmerksam zu
Wie Staub vor Gottes Hauch verwehe
die Macht, die er durch List gewann!
Wie schlecht ihr des Gerichtes wahrtet,
das doch die Ehre mir benahm, -
da eine Frag ihr ihm erspartet,
als er zum Gotteskampfe kam!
Die Frage nun sollt ihr nicht wehren,
dass sie ihm jetzt von mir gestellt: -
in gebieterischer Stellung
Nach Namen, Stand und Ehren
frag ich ihn laut vor aller Welt!
Bewegung grosser Betroffenheit unter allen
Wer ist er, der ans Land geschwommen,
gezogen von einem wilden Schwan?
Wem solche Zaubertiere frommen,
des Reinheit achte ich für Wahn!
Nun soll der Klag er Rede stehn;
vermag er's, so geschah mir recht, -
wo nicht, so sollet ihr ersehn,
um seine Reine steh es schlecht!
Alle blicken bestürzt und erwartungsvoll auf Lohengrin
DER KÖNIG, DIE MÄNNER, FRAUEN UND KNABEN
Welch harte Klagen! Was wird er ihm entgegnen?
LOHENGRIN
Nicht dir, der so vergass der Ehren,
hab not ich Rede hier zu stehn!
Des Bösen Zweifel darf ich wehren,
vor ihm wird Reine nie vergehn!
FRIEDRICH
Darf ich ihm nicht als würdig gelten,
dich ruf ich, König, hoch geehrt!
Wird er auch dich unadlig schelten,
dass er die Frage dir verwehrt?
LOHENGRIN
Ja, selbst dem König darf ich wehren,
und aller Fürsten höchstem Rat!
Nicht darf sie Zweifels Last beschweren,
sie sahen meine gute Tat!
Nur Eine ist's, der muss ich Antwort geben:
Elsa...
Lohengrin hält betroffen an, als er, sich zu Elsa wendend, diese mit heftig wogender Brust in wildem innerem Kampfe vor sich hinstarren sieht
LOHENGRIN
Elsa! - wie seh ich sie erbeben!
In wildem Brüten muss ich sie gewahren!
Hat sie betört des Hasses Lügenmund?
O Himmel! schirm ihr Herz vor den Gefahren!
Nie werde Zweifel dieser Reinen kund!
FRIEDRICH UND ORTRUD
In wildem Brüten darf ich sie gewahren,
der Zweifel keimt in ihres Herzens Grund!
der mir zur Not in dieses Land gefahren,
er ist besiegt, wird ihm die Frage kund!
DER KÖNIG UND ALLE MÄNNER
Welch ein Geheimnis muss der Held bewahren?
Bringt es ihm Not, so wahr es treu sein Mund!
Wir schirmen ihn, den Edlen, vor Gefahren;
durch seine Tat ward uns sein Adel kund!
ELSA
der Umgebung entrückt vor sich hinblickend
Was er verbirgt, wohl brächt es ihm Gefahren,
vor aller Welt spräch es hier aus sein Mund;
die er errettet, weh mir Undankbaren,
verriet ich ihn, dass hier es werde kund. -
Wüsst ich sein Los, ich wollt es treu bewahren!
Im Zweifel doch erbebt des Herzens Grund!
DER KÖNIG
Mein Held, entgegne kühn dem Ungetreuen!
Du bist zu hehr, um, was er klagt, zu scheuen!
DIE MÄNNER
sich an Lohengrin drängend
Wir stehn zu dir, es soll uns nicht gereuen,
dass wir der Helden Preis in dir erkannt!
Reich uns die Hand! Wir glauben dir in Treuen,
dass hehr dein Nam, wenn er auch nicht genannt!
LOHENGRIN
Euch Helden soll der Glaube nicht gereuen,
werd euch mein Nam und Art auch nie genannt!
Während Lohengrin, von den Männern, in deren dargereichte Hand er jedem einschlägt, umringt, etwas tiefer im Hintergrund verweilt - drängt sich Friedrich unbeachtet an Elsa, welche bisher vor Unruhe, Verwirrung und Scham noch nicht vermocht hat, auf Lohengrin zu blicken, und so, mit sich kämpfend, noch einsam im Vordergrunde steht
FRIEDRICH
leisa mit leidenschaftlicher Unterbrechung sich zu Elsa neigend
Vertraue mir! Lass dir ein Mittel heissen,
das dir Gewissheit schafft!
ELSA
erschrocken, doch leise
Hinweg von mir!
FRIEDRICH
Lass mich das kleinste Glied ihm nur entreissen,
des Fingers Spitze, und ich schwöre dir,
was er dir hehlt, sollst frei du vor dir sehn,
dir treu, soll nie er dir von hinnen gehn!
ELSA
Ha! Nimmermehr!
FRIEDRICH
Ich bin dir nah zur Nacht, -
rufst du, ohn Schaden ist es schnell vollbracht.
LOHENGRIN
schnell in den Vordergrund tretend
Elsa, mit wem verkehrst du da?
Elsa wendet sich mit einem zweifelvoll schmerzlichen Blick von Friedrich ab, und sinkt tief erschüttert zu Lohengrins Füssen
LOHENGRIN
mit fürchterlicher Stimme zu Friedrich und Ortrud
Zurück von ihr, Verfluchte!
Dass nie mein Auge je
euch wieder bei ihr seh!
Friedrich macht eine Gebärde der schmerzlichsten Wut
Elsa, erhebe dich! - In deiner Hand,
in deiner Treu liegt alles Glückes Pfand!
Lässt nicht des Zweifels Macht dich ruhn?
Willst du die Frage an mich tun?
ELSA
in heftigster innerer Aufregung und in schamvoller Verwirrung
Mein Retter, der mir Heil gebracht!
Mein Held, in dem ich muss vergehn, -
mit Bedeutung und Entschluss
hoch über alles Zweifels Macht
soll meine Liebe stehn.
Sie sinkt an seine Brust
Die Orgel ertönt aus dem Münster; Glockengeläute
LOHENGRIN
Heil dir, Elsa! Nun lass vor Gott uns gehn!
DIE MÄNNER
in begeisterter Rührung
Seht, er ist von Gott gesandt!
DIE FRAUEN UND KNABEN
Heil! Heil!
Lohengrin führt Elsa feierlich an den Edlen vorüber zum König. Wo Lohengrin mit Elsa vorbeikommt, machen die Männer ehrerbietig Platz
DIE MÄNNER
Heil euch! Heil Elsa von Brabant!
Von dem König geleitet, schreiten Lohengrin und Elsa langsam dem Münster zu
Gesegnet sollst du schreiten!
Gott möge dich geleiten!
DIE MÄNNER, FRAUEN UND KNABEN
Heil dir, Tugendreiche!
Heil Elsa von Brabant!
Als der König mit dem Brautpaare die höchste Stufe erreicht, wendet sich Elsa in grosser Ergriffenheit zu Lohengrin, dieser empfängt sie in seinen Armen. Aus dieser Umarmung blickt sie mit scheuer Besorgnis rechts von der Treppe hinab und gewahrt Ortrud, welche den Arm gegen sie erhebt, als halte sie sich des Sieges gewiss; Elsa wendet erschreckt ihr Gesicht ab. Als Elsa und Lohengrin, wieder vom König geführt, dem Eingange des Münsters weiter zuschreiten, fällt der Vorhang