Erster Akt
Salon des pontevedrinischen Gesandtschaftspalais in Paris.
Links die Haupttüre. Rechts führen einige Treppen zu einer Art Kabinett. Hinten zwei weitere hell erleuchtete Säle. St. Brioche, Bogdanowitsch, Sylviane, Kromow, Olga, Pritschitsch, Praskowia, Herren und Damen der Gesellschaft. Diener, die Champagner servieren.)
CASCADA
Verehrteste Damen und Herren,
Ich halt' es für Gastespflicht
den Hausherrn dankend zu feiern,
doch Redner - das bin ich nicht!
Ich sag' darum in aller Kürze,
die bekanntlich immer die Würze:
der Baron gab heute sein Bestes,
wir bringen ihm ein dreifach' Hoch!
(stößt mit Zeta an)
CHOR
(anstoßend)
Dreimal hoch der Geber des Festes!
Er lebe dreimal, dreimal hoch!
ZETA
Wenn Beifall dieser Abend findet,
Den man mir herzlich dargebracht,
so hat dies nicht nur mich als Hausherrn,
auch als Gesandten stolz gemacht!
Des Festes höhere Bestimmung
ist nicht nur Amusement allein:
sie gilt dem Geburtstag des Fürsten,
dem patriotisch wir uns weih'n!
Bin Landesvater per procura,
drum rührt mich patriotisch dies,
denn ich bin also in figura:
Pontevedro in Paris!
(stößt mit allen an)
VALENCIENNE, SYLVIANE, OLGA, PRASKOWIA, CAMILLE, SAINT BRIOCHE, CASCADA, KROMOW, DAMEN UND HERREN
Als Landesvater per procura,
da rührt ihn patriotisch dies,
denn er ist also in figura:
Pontevedro in Paris!
(Die Diener nehmen den Gästen die Gläser ab; die Gesellschaft zerstreut sich in alle drei Säle. Valencienne nähert sich Camille.)
Nr. 1a Ballmusik
VALENCIENNE
(zu Camille, leise)
Camille, ich muß mit Ihnen sprechen!
CAMILLE
Sie machen mich selig!
VALENCIENNE
Nicht darüber…
Was schreiben Sie da auf meinen Fächer?
CAMILLE
Nun, weil Sie mir verbieten, es Ihnen zu sagen,
so schreibe ich: "Ich liebe dich!"
VALENCIENNE
Ich werde dazuschreiben: "Ich bin eine…"
ZETA
(hinzutretend)
Liebe Valencienne -
VALENCIENNE
Du wünschest, lieber Mirko?
ZETA
Verzeih, ich möchte dich bitten nachzusehen,
ob nicht schon Frau Glawari gekommen ist.
VALENCIENNE
Gern!
(wirft Camille einen vielsagenden Blick zu und geht dann ab.)
CAMILLE
Ja, gern!
Ich begleite Sie, gnädige Frau.
(geht ihr nach)
ZETA
(bleibt allein zurüch)
Frau Glawari, darf keinen Pariser heiraten!
Die Erbschaft muss Pontevedro zufallen,
und es ist auch heldenhaft, fürs Vaterland zu erben!
Valencienne, Valencienne!
(Zeta geht nach links ab; Valencienne und Camille treten von rechts auf.)
Nr. 2 Duett
VALENCIENNE
(sieht sich um)
So kommen Sie! 's ist niemand hier!
CAMILLE
Sie sehen den glücklichsten Mann in mir!
VALENCIENNE
Ich habe mit Ihnen zu sprechen.
CAMILLE
Ich möchte Ihnen ein Wort nur sagen.
VALENCIENNE
Oh still!
Sie wissen, dass ich dies nicht hören will!
CAMILLE
Sag' ich's auch nicht, Sie hören es doch!
Nur einmal möchte ich es sagen noch!
VALENCIENNE
Ach, liebster Freund, warum sich so quälen?
Wir machen ein Ende!
CAMILLE
Ein Ende?
VALENCIENNE
Ich will Sie vermählen!
CAMILLE
Vermählen? Mich?
Nie darf das sein!
Ich liebe nur dich, nur dich allein!
VALENCIENNE
Ach, bitte schön, still!
Sie wissen, dass ich dies nicht hören will!
Ich bin eine anständ'ge Frau
und nehm's mit der Ehe genau.
Ich will derlei Aventüren
um gar keinen Preis mehr riskieren!
Es ist ja ein törichtes Spiel,
das niemals ans führt zum Ziel!
Sie wissen das, hoff' ich, genau:
Ich bin eine anständ'ge Frau!
Ich kann nur verlieren
und Sie nichts gewinnen,
drum müssen der Lockung,
wir eiligst entrinnen.
Gib acht, gib acht!
Mein Freund, gib acht.
Und spiele mit dem Feuer nicht!
Eh' du's gedacht,
wird's rasch entfacht,
aus Funken eine Flamme bricht!
Sehr gefährlich ist des Feuers Macht,
wenn man sie nicht bezähmt, bewacht!
Wer das nicht kennt,
sich leicht verbrennt.
Nimm vor dem Feuer dich in acht.
(setzt sich und sieht ihn verliebt an)
CAMILLE
Sie sind eine anständ'ge Frau,
das weiß ich ja leider genau.
Doch können Sie wirklich mir glauben.
Sie predigen hier einem Tauben!
Erreich' ich auch niemals mein Ziel,
erkaltet doch nie mein Gefühl.
Ich werde noch alt und noch grau -
Sie bleiben die anständ'ge Frau!
Ich kenn' die Gefahren,
Ich muß sie ertragen!
(Er eilt auf sie zu; sie huscht an ihm vorbei.)
Ich kann Ihnen nimmer
und nimmer entsagen!
VALENCIENNE
Gib acht, gib acht,
mein Freund gib acht!
CAMILLE
Ich hab's gedacht,
VALENCIENNE
Und spiele mit dem Feuer nicht!
CAMILLE
ich hab's gedacht,
Sie pred'gen nur von Pflicht.
VALENCIENNE
Eh' du's gedacht,
wird's rasch entfacht,
CAMILLE
Das Liebesglück
VALENCIENNE
aus Funken eine Flamme bricht!
CAMILLE
mir nimmer lacht,
denn Liebe ist das nicht!
VALENCIENNE
Sehr gefährlich ist des Feuers Macht,
wenn man sie nicht bezähmt, bewacht!
CAMILLE
Wenn die Liebe spricht: gib acht, gib acht!
So ist dies nicht
VALENCIENNE
Wer das nicht kennt,
CAMILLE
der Liebe Macht!
VALENCIENNE
sich leicht verbrennt.
CAMILLE
Denn wahre Liebe wagt
VALENCIENNE
Nimm vor dem Feuer dich in acht.
CAMILLE
und nimmt sich nie in acht!
(Valencienne und Camille gehen nach rechts ab; Zeta tritt mit Njegus von links auf.)
ZETA
Nun Njegus,
haben Sie meinen Auftrag ausgerichtet?
haben Sie meinen Botschaft überbracht?
NJEGUS
Mit Verlaub, Exzellenz.
Graf Danilowitsch wird in einer
Viertelstunde da sein!
ZETA
Gott sei Dank…! Einmal alle heiligen Zeiten
braucht man ihn, und wo steckt er?
NJEGUS
Im Maxim!
ZETA
Wo?
NJEGUS
Mädchen sind dort…
ZETA
Er ist mein Triumph in diesem Spiel…
NJEGUS
Keiner kann ihm das Wasser reichen…
ZETA
Höchstens dieser Herr Rosillon!
NJEGUS
Der ist doch schon verliebt bis über beide Ohren…
ZETA
In wenn?
NJEGUS
Das weiß man nicht… Es soll eine verheiratete
Dame sein…
ZETA
So…?
Meine Frau wird das schon herausbekommen…
ST. BRIOCHE
(von draußen)
Achtung, meine Herren, die Glawari kommt!
Nr. 3 Entrèe-Lied und Ensemble
(Zwanzig Herren, darunter Cascada und St. Brioche, eilen aus dem rückwärtigen Saal durch den Salon zurHaupttür.)
ZETA
Er muss unserem Vaterlande
die 20 Millionen verdienen!
ZETA
Was hat denn das zu bedeuten?
NJEGUS
Die 20 Millionen, Exzellenz!
ZETA
Was?
NJEGUS
Nun, die Glawari ist da.
(Zeta und Njegus gehen ab. Die Herren bilden bei Hannas Auftritt Spalier.)
HANNA
(zu den Herren, die sie umringen)
Bitte, meine Herrn…
CASCADA
Sie sind der Sterne schönster Stern…
HANNA
Welche Galanterien…
CASCADA
…Die hier strahlend zieh'n…
HANNA
Bitte, nicht doch. ,s ist genug!
ST. BRIOCHE
Und wie ein holdser Sinnentrug,
der uns blendet…
HANNA
Doch jetzt geendet!
Hören Sie,
ST. BRIOCHE, CASCADA, UND HERREN
Empfangen Sie die Huldigung
HANNA
Oh bitte, schweigen Sie!
ST. BRIOCHE, CASCADA, UND HERREN
als dieses Festes Stern!
HANNA
Sie machen mich verlegen, meine Herr'n!
ST. BRIOCHE, CASCADA, UND HERREN
Als schönster Stern!
HANNA
Hab' in Paris mich noch nicht ganz
so aklimatisiert,
daß dieser süße Firlefanz
von mir verstanden wird!
Bin noch Pontevedrinerin
ein bißchen allzusehr.
Ja, wär' ich schon Pariserin,
verstünd' ich etwas mehr!
Die Herr'n sind liebenswürdig sehr,
gilt das meiner Person?
Ich fürchte, dies gilt viel mehr
meiner… vielfachen Million!
ST. BRIOCHE, CASCADE UND HERREN
Oh, oh, oh, oh!
HANNA
Ach, tun Sie nur nicht so!
Gar oft hab' ich's gehört,
wir Witwen ach,
wir sind begehrt.
Erst wenn wir armen Witwen reich sind,
ja, dann haben wir doppelten Wert!
Ja!
HERRENCHOR
Sie hat richtig gehört,
CASCADA UND ST. BRIOCHE
Wir sind tief gekränt,
daß man von uns denkt,
HERRENCHOR
Witwen, die reich,
sind sehr begehrt!
CASCADA UND ST. BRIOCHE
geld hätte nur Wert.
HANNA
In unser'm Gelde
liegt unser Wert,
so hab' ich's immer gehört!
ST BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
Bitte, nur weiter,
nur weiter im Text!
Welch' and're Wahrheit
folgt zunächst?
HANNA
Bei mir daheim ist's nicht der Brauch,
daß Damen man hofiert.
ST BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
Diese Weise
HANNA
Mit Komplimenten wird man auch
fast niemals molestiert.
ST BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
macht Sie doppelt so reizend.
HANNA
Geht einer gar ins Zeug so scharf,
so unnerschämt wie Sie,
ST BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
Darum preise
HANNA
dann weiß man wohl, daß er es darf,
ST BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
ich Sie voll Sympathie!
HANNA
denn heucheln wird er nie!
Lassen Sie das fade Schmeicheln!
HERRENCHOR
Ach nein,
ST. BRIOCHE, CASCADA
Oh, nicht Schmeichelei
HANNA
Ich durchschaue Euer Heuchein!
HERRENCHOR
Gnäd'ge, ach nein!
ST. BRIOCHE, CASCADA
und nicht Heuchelei,
HANNA
ja, ja, ja, ja, -
HERRENCHOR
Wir können auch ehrlich wohl sein!
ST. BRIOCHE, CASCADA
ja, mir geht das nah!
HANNA
Ach, es geht mir gar nicht nah,
denn nur Süßholz…
ST. BRIOCHE
Oh bitte, nicht zu zweifeln da!
HANNA
…raspelt ihr da!
CASCADA
Oh bitte ich mein's ehrlich ja!
ST. BRIOCHE, CASCADA
Und mir geht's wirklich sehr nah!
HERRENCHOR
Wir meinen's ehrlich, ach ja!
HANNA
Ach ja!
(Zeta, Valencienne, Camille treten auf)
VALENCIENNE
Ah, gnädige Frau, ich bin glücklich,
Sie in meinem Hause begrüßen zu können.
ZETA
Ich rechne es mir zur hohen Ehre an!
HANNA
(zu den Herren gewendet)
Meine Herren, kommen Sie morgen zu mir,
ich gebe ein echt pontevedrinisches Fest.
Vorwärts!
(Hanna geht mir dem Baron ab. Die anderen folgen. Valencienne und Camille bleiben zurück.)
Nr. 3a Ballmusik
VALENCIENNE
Camille!
CAMILLE
Ja was?
VALENCIENNE
Sie werden sie heiraten!
CAMILLE
Aber Valencienne! Nein!
VALENCIENNE
Ich will es, ich befehle es! Sie müssen glücklich werden, und ich bleibe eine anständige Frau.
CAMILLE
Nun gut, werd' ich nie also heiraten.
VALENCIENNE
Unterstehn Sie sich!
CAMILLE
Aber Valencienne!
(Valencienne geht mit Camille ab.)
Nr. 4 Auftrittslied
(Graf Danilo tritt in Begleitung von Njegus auf.)
DANILO
Also bitte, ich bin hier.
Aber wo ist der Vaterland?
NJEGUS
Ich melde Sie sogleich seiner Exzellenz!
DANILO
Oh Vaterland, du machst bei Tag
mir schon genügend Müh' und Plag'!
Die Nacht braucht jeder Diplomat
doch meistenteils für sich privat!
Um eins bin ich schon im Bureau,
doch bin ich gleich drauf anderswo,
weil man den ganzen lieben Tag
nicht immer im Bureau sein mag!
Erstatte ich beim Chef Bericht,
so tu' ich's meistens selber nicht,
die Sprechstund' halt' ich niemals ein,
ein Diplomat muß schweigsam sein!
Die Akten häufen sich bei mir,
Ich finde, 's gibt zu viel Papier;
Ich tauch' die Feder selten ein
und komm' doch in die Tint' hinein!
Kein Wunder, wenn man so viel tut,
dass man am Abend gerne ruht
und sich bei Nacht, was man so nennt,
Erholung nach der Arbeit gönnt!
Da geh' ich zu Maxim,
dort bin ich sehr intim,
ich duze alle Damen,
ruf' sie beim Kosenamen:
Lolo, Dodo, Jou-jou,
Clo-clo, Margot, Frou-frou,
sie lassen mich vergessen,
das teure Vaterland!
Dann wird champagnisiert,
auch häufig cancaniert,
und geht's ans Kosen, Küssen,
mit allen diesen Süßsen:
Lolo, Dodo, Jou-jou,
Clo-clo, Margot, Frou-frou,
dann kann ich leicht vergessen
das teu're Vaterland.
Njegus, Geliebter, ich bin hier,
Nun, was will der Vaterland?
NJEGUS
Seine Exzellenz ist noch - mit Verlaub -
in ein Gespräch verwickelt mit Frau Glawari!
DANILO
(sehr überrascht)
Hanna Gla-? Ich meine Frau Glawari. So, so?
NJEGUS
Also, Ich melde Sie jetzt…
(will ab)
DANILO
Nein, Njegus, Geliebter, noch nicht melden! -
Heute ist schon vierte Nacht, dass Ich nicht geschlafen habe. Ich muss mich ein bissel niederlegen!
NJEGUS
Also gut, schlafen Sie a bissel!
(Danilo legt sich auf die ottomane. Njegus geht ab. Hanna kommt von den rückwärtigen Sällen in den Salon, von vier Herren begleitet.)
ST. BRIOCHE
Gnädige Frau, dürfte ich Ihnen sagen, wie glücklich wir alle…
HANNA
Bitte, meine Herren, lassen Sie mich einen Augenblick allein…
(Die Herren ziehen sich widerstrebend zurück.)
Oh, da schnarcht jemand!
Den muss Ich mir in der Nähe ansehen!
Da schnarcht ja jemand mitten auf dem Fest…
DANILO
Rrrruhe! Himmeldonnerwetter, kann man denn nicht einmal in Ruhe…
Hanna -? O, Verzeihung, Gospodina, Sie wohnen jetzt in Paris?
HANNA
Ja, ich will das Pariser Leben genießen, nachholen, was ich versäumt habe, und - vielleicht auch - heiraten!
DANILO
Hanna, so schnell wieder!
HANNA
Wie?
DANILO
Pardon, will ich sagen… Gospodina - wenn es auf mich angekommen wäre, wären Sie jetzt nicht Witwe des seligen Herrn Glawari, sondern Gemahlin des seligen Grafen Danilo, aber Sie wissen, mein alter Oheim - Enterbung…
HANNA
Ach ja, richtig… Ihr aristokratischer Onkel! Jetzt hätte er wohl nichts dagegen, wenn sein Neffe mir seine aristokratische hand reichen würde…
DANILO
Sie glauben doch wohl nicht, daß mich Ihre Millionen…
HANNA
Ein Mann wie der andere! Wenn mir jetzt einer sagt:
Ich liebe Sie! - dann glaub' ich ihm aufs Wort
- ja er liebt sie - meine Erbechaft nämlich!
DANILO
Ich werde Ihnen nie sagen: Ich liebe Sie!
HANNA
Nie?
DANILO
Nie!
(Hanna und Danilo gehen in entgegengesetzten Richtungen ab. Valencienne und Camille treten auf.)
VALENCIENNE
Ich bitte Sie, lieber Freund, es hat doch keinen Zweck. Ich bin verheiratet.
CAMILLE
Wären Sie es nur mit mir!
VALENCIENNE
Oh, das wäre schön! Herrlich!
Nr. 5 Duett
CAMILLE
Ja, was?
VALENCIENNE
Ein trautes Zimmerlein-
CAMILLE
Gewiß.
VALENCIENNE
In Abenddämmerschein-
CAMILLE
Wie süß!
VALENCIENNE
Zwei Menschen ganz allein-
O könnten wie es sein.
CAMILLE
Da sage ich nicht nein!
Was dann?
VALENCIENNE
Wir sitzen still beinand-
CAMILLE
Ganz stumm?
VALENCIENNE
Und halten Hand in Hand-
CAMILLE
Warum?
VALENCIENNE
Ein Zauber hält uns süß gebannt!
BEIDE
Das ist der Zauber der stillen Häuslichkeit,
die Welt liegt draußen so fern und weit!
Das ist der Zauber, der uns gefangen hällt,
wir sind für uns allein die ganze Welt!
VALENCIENNE
Ja, wenn man so recht betrachtet,
wo findet man das Lebensglück?
Dort, wo das Leben lärmend braust?
Dort, wo's im Stillen friedlich haust?
Ja, wenn man es so recht betrachtet,
gibt's einen einz'gen Zufluchtsort,
das ist das Haus, das ist das Heim,
dort ist das Glück, nur dort, nur dort!
CAMILLE
Was nun?
VALENCIENNE
Doch geht es leider nicht!
CAMILLE
Wie schad'!
VALENCIENNE
Drum leisten Sie Verzicht!
CAMILLE
Verzicht?
VALENCIENNE
Es muß ja leider, sein,
es muß ein Ende sein!
CAMILLE
Ich sage nein und nein!
O weh!
VALENCIENNE
Ein Luftschloß ist es nur!
CAMILLE
Ein Traum!
VALENCIENNE
Von Wahrheit keine Spur!
CAMILLE
Das kaum!
VALENCIENNE
Ein Luftschloß ist es leider nur!
BEIDE
Das ist der Zauber der stillen Häuslichkeit,
die Welt liegt draußen so fern und weit!
Das ist der Zauber, der uns gefangen hällt,
wir sind für uns allein die ganze Welt!
wir wärn für uns allein die Welt!
(Valencienne und Camille gehen zur Mitte ab. Zeta und Danilo betreten den Salon.)
ZETA
Ah, da sind Sie ja endlich, lieber Graf!
Also lieber Graf, Sie sind mein Mann!
Und Sie sollen heiraten!
DANILO
(springt auf)
Heiraten?
ZETA
Des Vaterland verlangt es von Ihnen!
DANILO
Das Veterland? Das heisst,
wen soll ich heiraten, bitte?
ZETA
Frau Glawari!
DANILO
Frau Gla -? Niemals!
Nr. 6 Finale I
ZETA
Frau Glawari wird dann einen Pariser heiraten und - unser geliebtes Vaterland verliert die zwanzig Millionen! Und das darf nicht sein!
Es ist Damenwahl, und da kommt die Witwe wieder, los, Graf! Das Vaterland wird es Ihnen lohnen.
(Zeta geht ab. Hanna tritt aus dem rückwärtigen Saal, gefolgt von Cascada, St. Brioche und zwölf Herren.)
HERRENCHOR
Damenwahl!
Hört man rufen rings im Saal!
Ach, Madame, nun hoffentlich,
kommt doch die Reihe jetzt an mich!
(Die Herren umringen Hanna, so daß sie ganz verdeckt wird und man sie nur mit hocherhobenen Händen abwehren sieht.)
Oh bitte, diese Tour,
ach diese einz'ge nur -
Ja, überglücklich wäre ich,
fiel doch die Wahl auf mich.
HANNA
(schafft sich endlich Raum)
Meine Herrn, im Prinzipe
hätt' ich nichts dagegen,
doch die Konkurrenz so vieler
macht mich ganz verlegen.
Da ich nicht beleid'gen will,
sitz' die Tour ich lieber still,
's gibt doch Damen hier die Masse!
DANILO
(für sich)
Doch ist keine so bei Kasse.
HERRENCHOR
Eine Tour! Eine nur!
Eine einz'ge Tour!
DANILO
(für sich)
Zudringlich, auf mein Ehrenwort!
Diese Knaben müssen fort!
Diese Knaben müssen fort!
Knäblein, bettelt ruhig weiter,
ich hole ein'ge Blitzableiter!
(geht ab)
CASCADA
Es gibt keine größ're Beleidigung
und nichts, was so schmerzlich verstimmt,
als wenn auf dem Ball eine Dame
so gar nicht Notiz von uns nimmt!
ST. BRIOCHE
Es kämpfen die Damen schon lange um
das nämliche Recht mit dem Mann.
Jetzt haben Madame hier das Wahlrecht
und fangen damit gar nichts an!
CASCADA
Drum agitier' ich…
ST. BRIOCHE
Drum affichier' ich…
CASCADA, ST. BRIOCHE
Ach bitte, lesen Sie mein Wahlplakat!
CASCADA
Wählen Sie doch Cascada!
ST. BRIOCHE
Wählen Sie doch St. Brioche!
CASCADA, ST. BRIOCHE
Das ist der würdigste Tanzkandidat!
CASCADA
Wählen Sie doch Cascada!
HERRENCHOR
Wählen Sie nicht Cascada!
ST. BRIOCHE
Wählen Sie doch St. Brioche!
HERRENCHOR
Wählen Sie nicht Saint Brioche!
CASCADA, ST. BRIOCHE
Ich bin der würdigste Tanzkandidat!
HERRENCHOR
(treten näher zu ihr)
Ich bin der wördigste Tanzkandidat!
HANNA
Darauf muß ich Ihnen entgegnen:
Verhaßt ist mir Politik;
verdirbt sie beim Mann den Charakter,
so raubt sie uns Frauen den Schick!
Doch wollt Ihr durchaus kandidieren
und leistet auf mich nicht Verzicht,
und gibt mir das Ballrecht das Wahlrecht,
erfüll' ich die Ballbürgerpflicht!
CASCADA
Dann agitier' ich!
ST. BRIOCHE
Dann affichier' ich!
HANNA
Ich kenn' ja ganz genau Ihr Wahlplakat!
Kann es nicht verhehlen,
schwer fällt mir das Wählen,
wer ist der würdigste Tanzkandidat?
CASCADA, ST. BRIOCHE, HERRENCHOR
(umringen sie)
Bitte mich zu wählen!
Bitte mich zu wählen!
(dringen auf sie ein)
Ich bin der würdigste Tanzkandidat!
HANNA
Aber meine Herr'n!
Sie wollen also durchaus mit mir tanzen?
Also gut, ich bin bereit!
DAMENCHOR
(hinter der Szene)
Damenwahl, Damenwahl!
(Allgemeine Bewegung unter den Herren, die sich Positur stellen, dabei einen blick in den Tanzsaal werfen und, da sie die Damen kommen sehen, sich nach links zurückziehen.)
(Danilo kommt mit acht Damen)
DANILO
Hilfe kommt zur rechten Zeit!
Oh kommet doch, oh kommt, Ihr Ballsirenen,
folgt den süßen Walzertönen,
Wie sie singen und klingen,
so tanzt doch mit,
hebt Eure Füßchen ein bißchen
im Walzerschritt.
Oh kommet doch, oh kommt, Ihr Ballsirenen,
zögert nicht, das Fest zu krönen,
seht, da steht ein Tänzerheer!
(schiebt einen Herrn in die Mitte)
ERSTE DAME
(knickst, zu dem jungen Mann)
Also bitte, bitte sehr!
(Die beiden tanzen ab.)
DANILO
Wie die Blumen im Lenze erblüh'n,
und in leuchtenden Farben erglüh'n,
so erblühet in rosigster Glut,
lockend dar Töne Flut.
Wenn die Geige so zaub'risch erklingt,
und Musik sich den Reigen erzwingt,
dann frisch auf, zögert nicht,
denn die Jugend sie spricht:
's ist der Tanz, holder Füßchen Pflicht!
(Es vereint sich immer ein Herr mit einer Dame, die abtanzen.)
DAMENCHOR
Bitte sehr, wir zögern nicht!
HANNA, DANILO, ST. BRIOCHE, CASCADA UND HERREN
Oh kommet doch, oh kommt, Ihr Ballsirenen,
folgt den süßen Walzertönen,
DAMEN
Ach ja, wir folgen gern den süßen Tönen,
die das Leben uns verschönen,
HANNA, DANILO, ST. BRIOCHE, CASCADA UND HERREN
Wie sie singen und klingen,
o tanzt doch mit,
DAMEN
wie sie singen und klingen;
o Walzerschritt,
HANNA, DANILO, ST. BRIOCHE, CASCADA UND HERREN
hebt Eure Füßchen ein bißchen
im Walzerschritt.
DAMEN
wirst uns besiegen! Wir fliegen
im Tanze mit!
HANNA, DANILO, ST. BRIOCHE, CASCADA UND HERREN
Ja, so ist's recht und schön, Ihr Ballsirenen,
tanzet lustig, meine Schönen,
DAMEN
Wer kann da widerstehen den süßen Tónen?
s'ist der Tanz doch unser Sehnen,
HANNA, DANILO, ST. BRIOCHE, CASCADA UND HERREN
fröhlich singt mit hellen Tönen,
DAMEN
der uns zwingt mit hellen Tönen,
HANNA, DANILO, ST. BRIOCHE, CASCADA UND HERREN
solang' der Walzer klingt,
tanzt leicht beschwingt!
DAMEN
er macht uns leicht beschwingt,
solang' er klingt.
(Alle tanzen ab, bis auf Danilo, Hanna, Cascada, St. Brioche und vier Herren.)
DANILO
Oh Vaterland, du machst bei Tag
mir schon genügend Müh' und Plag'!
Für Nachtdienst dank' ich, Herr Baron,
da geb' ich meine Demission!
CASCADA
Madame, darf letzt ich hoffen?
ST. BRIOCHE
Ich seh' den Himmel offen!
HANNA
Ich habe nun die Qual der Wahl!
DANILO
Der Fall ist immer noch fatal!
HANNA
Na, schön, wen soll ich wählen?
(Valencienne und Camille treten auf.)
VALENCIENNE
(zu Hanna)
Dürft' ich den Tänzer empfehlen?
DANILO
Sapperment!
Ein neuer Konkurrent!
VALENCIENNE
Der junge Mann tanzt Polka,
Ich hab' es ausprobiert.
Auch tanzt famos er Mazurka,
Ich hab' es ausprobiert.
Nach rechts und links kann er tanzen,
Ich habe es ausprobiert.
Im Walzer hat er eszelliert,
drum wird er von mir protegiert!
Drum agitier' ich
und affichier' ich,
ach bitte, hören Sie mein Wahlplakat!
(deutet auf Camille)
Wählen Sie doch Rosillon,
wählen Sie doch Rosillon,
er ist der würdigst Tanzkandidat!
CASCADA
Wählen Sie nur Cascada!
VIER HERREN
Wählen Sie nicht Rosillon,
ST. BRIOCHE
Wählen Sie nur Saint Brioche!
VIER HERREN
Wählen Sie nicht Rosillon,
HANNA
Aha, schon wieder ein Tanzkandidat!
VALENCIENNE, CASCADA, ST. BRIOCHE
Er ist der würdigste Tanzkandidat!
VIER HERREN
Ich bin der würdigste Tanzkandidat!
CAMILLE
(zu Hanna)
Pardon, Madam',
zu viel Reklam'!
(Valencienne wird eifersüchtig und zieht Camille mit sich nach hinten.)
HANNA
Das find' ich nicht…
doch nein…
(Ihr Blick fällt auf Danilo)
Den ich als Tänzer möchte,
ist einer, der sich gibt des Schein,
als ob ich ihm egal möcht sein.
(zu Danilo)
Graf Danilo, Sie sind wohl der Rechte?
DANILO
Ich? Gnäd'ge Frau, ich tanze nicht!
HANNA
So leisten Sie kurzweg Verzicht?
DANILO
Verzicht? Oh nein!
Der Tanz ist doch wohl mein?
HANNA
Gewiß! Warum?
DANILO
Nun, da der Tanz mein Eigentum,
so darf mit ihm ich alles tun,
was mir beliebt, nicht wahr?
HANNA
Nun ja?
VALENCIENNE, CAMILLE, ST. BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
Was treibt er da?
DANILO
Der Tanz, den mir die Gnädige gewährt,
ist doch zehntausend Francs wohl wert!
Mir gehört der Tanz,
ich verlang' dafür
zehntausend Francs zu wohltätigem Zweck!
CAMILLE, ST. BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
Zehntausend Francs?
CASCADA
(zu St. Brioche)
's ist unerhört!
DANILO
Für diesen Preis geb' Ich ihn weg!
ST. BRIOCHE, CASCADA, HERRENCHOR
Zehntausend Francs?
(ziehen sich zurück)
ST. BRIOCHE
(zu Cascada)
Er ist verrückt!
DANILO
Sie geh'n!
Jetzt ist es mir geglückt!
HERRENCHOR
Zehntausend Francs, das ist zum Lachen!
(ab)
DANILO
(zu Hanna)
Sehen Sie, meine Gnädige, sehen Sie…
Wie sie aus dem Staub sich machen,
zahles woll'n die Herren nie!
Ein Griff ins Portemonnaie
tut Ihnen furchtbar weh!
So sind die Herren heutzutag,
ein wirklich nobler Schlag!
(Hanna wendet sich empört ab, Danilo tritt zu ihr.)
CAMILLE
(zu Valencienne)
Den Angriff muß Ich gleich parieren,
die zehntausend Francs, die gebe ich!
(greift in die Tasche)
VALENCIENNE
Sind Sie schon verliebt?
CAMILLE
Sie wünschten doch selbst…
VALENCIENNE
(zieht ihn fort)
Untersteh's Sie sich!
(Camille und Valancienne ab in den Ballsaal: Danilo und Hanna allein)
DANILO
Der Letzte ging, Sie sind befreit,
und jetzt, gnädige Frau, bin ich zum Tanz bereit!
HANNA
Jetzt danke ich sehr!
DANILO
Und mein Mandat?
Sie wählten mich doch!
HANNA
Oh Sie Haupt-Diplomat!
Ich tanze nicht!
DANILO
(beginnt zu tanzen)
Geigen erklingen,
locken so süß,
werden Sie zwingen gewiß…
(Er steht hinter ihr, versucht ihr ins Gesicht zu sehen, da wendet den Kopf koket immer weg)
HANNA
Nein, ich will nicht!
(Danilo tanzt allein um sie herum. Sie kämpf noch eine Weile, fliegt dann unwillkürlich in seine Arme und tanzt mit ihm.)
Sie abscheulicher Mann!
Wie prächtig Sie tanzen!
DANILO
Man tut, was man kann!
(Sie tanzen beide ab.)