ERSTER AUFZUG
(Salon in einem Wiener Stadthotel. Flügeltür in der Mitte. Rechts vorne ein Fenster , weiter rückwärts eine Tür. Links gleichfalls eine Tür. Der Salon ist reich und neu möbliert im Geschmack der 1860er Jahre.
Adelaide mit der Kartenaufschlägerin an einem Tisch links. Zdenka in Knabenkleidern, rechts beschäftigt, auf einem anderen Tischerl Papiere zu ordnen)
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Die Karten fallen besser als das letzte Mal.
ADELAIDE
Das gebe Gott!
(Es klopft.)
Nur keine Störung jetzt!
(Zdenka läuft an die Mitteltür. Man gibt ihr von draußen etwas herein.)
ZDENKA
Mein Vater ist nicht hier, die Mutter hat Migräne!
Kommen Sie später. – Es ist wieder eine Rechnung!
ADELAIDE
(abwinkend)
Jetzt nicht! Leg’ sie dorthin!
ZDENKA
Es liegen schon so viele da!
ADELAIDE
Still, still! Wie liegen unsere Karten?
Die Sorge und die Ungeduld verzehren mich!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
(über die Karten gebeugt)
Beruhigen Sie sich.
Die Erbschaft rückt schon näher...
nur langsam!
ADELAIDE
(mit gerungenen Händen)
Nein, wir können nicht mehr warten!
Es gibt nur eine Hoffnung:
die baldige Vermählung unserer Arabella!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Den Vater seh’ ich,
Ihren Herrn Gemahl – o weh,
die Sorge steht ihm nah – ganz finster ist’s um ihn.
Er kämpft, er spielt – oh weh, und er verspielt
schon wieder die große Summe.
ADELAIDE
Heil’ge Mutter Gottes!
Komm mir zu Hilfe durch mein schönes Kind!
Um Gottes Willen, die Verlobung – ist sie nah?
Unser Kredit ist sehr im Wanken, liebste Frau!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
(betrachtet lange die Karten)
Da steht der Offizier.
ADELAIDE
Ein Offizier’? O weh!
ZDENKA
Matteo!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Nein! Der ist der Eigentliche nicht!
ADELAIDE
Das will ich hoffen!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Von dort herüber kommt der fremde Herr, der Bräutigam.
ADELAIDE
Die Brosche mit Smaragden ist Ihr Eigentum, wenn ihre Prophezeihung Wahrheit wird in dieser Woche!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
(Langsam wie das Schicksalsbuch entziffernd)
Er kommt von weiter her.
ADELAIDE
Von weiter her?
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Ein Brief hat ihn gerufen.
ADELAIDE
Es ist Graf Elemer, kein Zweifel!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Ich sehe einen großen Wald: dort kommt er her.
ADELAIDE
O wie Sie ihn beschreiben!
Das ist er! Elemer!
Herrlich!
Doch warum zögert er?
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Die Zögerung kommt von ihr.
ADELAIDE
Sie sehen durch die Menschen wie Glas!
Das ist ihr namenloser Stolz.
O Gott, erweiche ihren Stolz!
Er ist so groß wie ihre Schönheit.
(Es klopft. Zdenka eilt an die Tür.)
ZDENKA
Nein, jetzt ist es ganz unmöglich!
(Sie empfängt wieder eine Rechnung, die sie hinlegt.)
ADELAIDE
(a Kartenaufschläagerin)
Was meinen Sie?
Was runzeln Sie die Stirn?
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Es drängt sich wer hinein zwischen
die schöne Tochter und den reichen Herrn!
ADELAIDE
Heil’ge Mutter Gottes,
laß es nicht gescheh’n!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
(über die Karten gebeugt)
Wie? Haben Euer Gnaden eine zweite Tochter?
O das wird eine ernstliche Gefahr!
ADELAIDE
(kniet neben dem Tisch nieder)
Ihr Engelscharen droben,
hört das Flehen einer Mutter in ihrer Herzensangst!
ZDENKA
(ängstlich)
Mama!
ADELAIDE
Zdenka, bleib still und kümmere dich um nichts,
was hier geschieht!
(auf Zdenka deutend)
Leise, sie ist es!
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Dort der junge Herr?
ADELAIDE
Sie ist ein Mädchen.
Weil sie wild war wie ein Bub,
hat man sie weiterhin als Buben laufen lassen.
Wir sind nicht reich genug, in dieser Stadt zwei Mädchen standeswürdig auszuführen –
allein sie liebt die ältere Schwester über alle Maßen;
wie könnte sie ihr Böses tun?
KARTENAUFSCHLÄGERIN
Die Karten lügen nicht.
Da steht der Offizier.
Da steht das blonde Mädel.
Gezogene Säbel seh’ ich,
und der Bräutigam zieht sich zurück.
Die Karten warnen Sie!
ADELAIDE
(steht auf)
Hier in mein Zimmer!
Sie versuchen es noch einmal!
(Zieht sie ins Nebenzimmer links,
Zdenka nimmt die Rechnungen zur Hand, die sich angehäuft haben, sieht hinein.)
ZDENKA
Sie wollen alle Geld!
Sie droh’n mit den Gerichten!
Was? davon weiß ich ja gar nichts:
sie schreiben, sie haben schon gehört,
daß wir verreisen wollen!
Oh! Dann ist alles aus!
Dann seh’ ich ihn nie mehr!
(Sie läuft an die Tür links und horcht.)
Sie sagt, der Arabella droht etwas...
von einem Offizier.
Er darf nicht mehr ins Haus, sagt die Mama,
sie wird kompromittiert von ihm.
Nicht mehr ins Haus?
O Gott... dann bringt er sich ja um...
und alle wissen darum: es ist wegen ihr...
und sie... dann endlich weiß sie,
wie er sie geliebt hat!
(Geth weg von der Tür)
Mein Gott, laß es nicht zu,
daß wir verreisen müssen!
Laß den Papa gewinnen!
Laß in Görz die Tante sterben!
Mach, daß die Bella den Matteo über alles liebt,
und daß er glücklich wird,
und daß wir nicht mehr arm sind!
Aufopfern will ich mich dafür –
mein Leben lang in Bubenkleidern laufen
und Verzicht auf alles, auf alles tun!
(Es klopft. Sie geht an die Mitteltür. Indem wird die Tür von außen vorsichtig aufgemacht und Matteo tritt ein, in Jägeruniform, aber ohne Säbel.)
ZDENKA
Matteo!
MATTEO
Zdenko! Du! Bist du allein?
ZDENKA
(leise, ängstlich)
Da drin ist die Mama.
MATTEO
Und Arabella?
ZDENKA
Sie ist spazieren auf dem Ring mit der Begleiterin.
MATTEO
(Einen Schritt näher)
Und nichts für mich?
Kein Wort? Kein Brief?
(Zdenka schüttelt traurig den Kopf)
Und gestern abend?
ZDENKA
War sie in der Oper, mit der Mama.
MATTEO
(eifersüchtig)
Mit der Mama allein?
ZDENKA
(zögernd)
Ich glaub’ mit der Mama und den drei Grafen.
MATTEO
Und Nachmittag?
ZDENKA
(ängstlich)
Sie kommen mit Schlitten und holen sie ab
ich soll auch mit.
MATTEO
(tief getroffen)
Dahin ist es gekommen zwischen mir und ihr!
Hätt’ ich nicht dich...
ZDENKA
Ein Chaperon muß doch auch dabei sein.
MATTEO
Ich wüßt’ nicht einmal mehr, was sie tut!
Sie hat nichts mehr für mich, als hie und da
einen halb finstern, halb zerstreuten Blick!
ZDENKA
Und doch hat sie dich lieb! Glaub mir!
Ich weiß es!
MATTEO
Du weißt’s? Sie hat es dir gestanden?
ZDENKA
Hat sie dir nicht vor drei Tagen den
Brief geschrieben, über den du selig warst?
MATTEO
O dreimal selig... wie vom Himmel war der Brief!
Dann aber geht sie wieder kalt und fremd an mir vorbei!
Wie soll ich das begreifen und ertragen, Zdenko, wie?
ZDENKA
(leise und mit wichtigen und Weisheit)
So ist ein Mädel.
Geben will ein Mädel mehr und mehr...
nur zeigen will sie nichts.
Sie schämt sich halt so furchtbar.
MATTEO
Wie du das weißt, du lieber Bub!
So weiß du auch, was das für Stunden sind
und was für Gedanken da Herrschaft haben
(Er fass Zdenka am arm, sie macht sich sogleich los)
über mich, wenn sie so durch mich durchschaut
wie durch leere Luft,
und du mir nicht ein Zeichen bringst,
von dem ich wieder hoffen kann und leben!
ZDENKA
(drängend)
Gewiß.
Ich bring’ dir wieder solch’ einen Brief.... heut oder morgen!
MATTEO
(angstvoll)
Heute noch! Du bist mein einziger Freund!
Gib mir dein Manneswort...
auf dich verlaß ich mich!
Und wenn ich mich auf dich nicht mehr verlassen könnte,
dann käme etwas andres!
ZDENKA
(gespannt)
Was?
Was käme dann, Matteo?
MATTEO
(sehr finster)
Dann stünd’ ich morgen beim Rapport
und bäte um Versetzung nach Galizien,
und wenn mir das nichts hilft
und ich auch dort die Arabella nicht vergessen kann,
dann gibt’s halt einen Ausweg:
(gesprochen)
den Revolver!
ZDENKA
Mein Gott im Himmel!
MATTEO
Denk daran, wie du mir hilfst!
(Er eilt weg.)
ZDENKA
(voller Angst und Emotion)
Ihm helfen – o mein Gott!
Und mir! Wer hilft denn mir!
Die Wörter hätt’ ich wohl in mir für hundert solche Briefe, und auch die Schrift, die treff’ ich ja im Schlaf;
was aber hilft ihm denn ein Brief, wenn ich für sie die zärtlichen verliebten Wörter schreibe!
Die Wörter muß ich finden, die ins Herz ihr gehn, daß sie erkennt den Einzigen, der es verdient, von ihr geliebt zu sein.
Das ist das Schwere, und wenn’s mir nicht gelingt, hab ich verspielt.
ARABELLA
(ist eingetreten, in Hut, Schleier und Pelz, hinter ihr die Begleiterin)
Ich danke, Fräulein.
Holen Sie mich morgen um die gleiche Zeit,
für heute brauch’ ich Sie nicht mehr.
Adieu.
(Die Begleiterin geht ab. Legt den Hut und die Jacke ab, sie sieht die Rosen, die auf einem Gueridon stehen)
Wie schönen Rosen! Hat die ein Husar gebracht?
(Sie nimmt die Rosen.)
ZDENKA
Wie? Ein Husar?
ARABELLA
Der Leibhusar von einem fremden Reisenden!
ZDENKA
Nein, sie sind von Matteo.
(Arabella legt die Rosen schnell weg, Zdenka tut sie wieder in die Vase. Sanft)
So gehst du mit seinen Blumen um!
Und trotzdem bringt er neue jeden Tag.
ARABELLA
(kurz)
Ah laß! Und dort das andere Bukett?
ZDENKA
Vom Elemer, und das Parfüm vom Dominik,
und Spitzen vom Lamoral.
ARABELLA
(spöttisch)
Die drei! Verlumpen Geld zu dritt,
verlieben sich zu dritt ins gleiche Mädel.
Am End verloben sie sich auch noch alle drei mit mir!
ZDENKA
Nichts wert sind sie –
und etwas wert ist nur der eine, der...
(Sie hält ihr Matteos Rosen entgegen)
ARABELLA
Ah, laß! die drei sind lustiger.
ZDENKA
(mit einem Ton der Vorwurf)
Kannst du das sagen!
Er liebt dich doch aus seiner ganzen Seele.
ARABELLA
(spöltisch)
...und aus allen seinen Kräften.
ZDENKA
Du hast ihn lieb gehabt!
ARABELLA
Vielleicht! Gehabt!
So ist’s vorbei: du sagst es selbst.
ZDENKA
Gib acht, daß er dich das aussprechen hört!
Es wär sein Tod. Anbeten tut er dich!
ARABELLA
(sieht sie an)
Zdenkerl, du hast schon ganz den exaltierten Ton von der Mama! Paß auf auf dich!
ZDENKA
(leidenschaftlich)
Weil’s mir das Herz umdreht, wenn ich ihn leiden seh’!
ARABELLA
(starrte neugierig)
Bist du verliebt in ihn?
ZDENKA
(stampft auf)
Sein Freund bin ich!
Sein einziger Freund auf dieser Welt!
ARABELLA
(sieht sie wieder aufmerksam an)
Zdenkerl, in dir steckt was Gefährliches seit letzter Zeit.
Mir scheint, Zeit wär’s, daß du ein Mädel wirst
vor aller Welt und daß die Maskerad’ ein End’ hat.
ZDENKA
Ich bleib ein Bub bis an mein End.
Ich will nicht eine Frau sein – so wie du eine bist.
Stolz und kokett und kalt dabei!
ARABELLA
(zehr ernst)
Er ist der Richtige nicht für mich!
Ich red’ im Ernst, ich red’ die Wahrheit jetzt zu dir!
Ich kann ja nichts dafür, daß ich so bin.
Ein Mann wird mir gar schnell recht viel
und wieder schnell ist er schon gar nichts mehr für mich!
Da drin im Kopf geschieht’s und schnell,
ich weiß nicht wie!
Es fängt zu fragen an, und auf die Fragen find
ich die Antwort nicht, bei Tag und nicht bei Nacht.
Ganz ohne meinen Willen dreht sich dann mein Herz
und dreht sich los von ihm.
Ich kann ja nichts dafür –
aber der Richtige –
wenn’s einen gibt für mich auf dieser Welt –
der wird einmal dastehn da vor mir
und wird mich anschaun und ich ihn,
und keine Zweifel werden sein und keine Fragen,
und selig werd’ ich sein
und gehorsam wie ein Kind.
ZDENKA
(sie liebevoll ansehend)
Ich weiß nicht wie du bist,
ich weiß nicht, ob du Recht hast,
dazu hab’ ich dich viel zu lieb!
Ich will nur, daß du glücklich wirst
mit einem, der’s verdient!
und helfen will ich dir dazu.
(liebevoll und Vorbereiten der Ausfahrt. Für sich)
So hat ja die Prophetin es gesehn,
sie ganz im Licht,
und ich hinab ins Dunkel.
(jeweils nacheinander und Duo)
Sie ist so schön und so lieb –
ich werde gehn,
und noch im Gehn
werd’ ich dich segnen,
meine Schwester.
ARABELLA
(für sich)
Aber der Richtige,
wenn’s einen gibt für mich auf dieser Welt,
der wird einmal dastehn, a vor mir
und wird mich anschaun, und ich ihn,
und keine Zweifel werden sein und keine Fragen,
und selig werd’ ich sein
und gehorsam wie ein Kind!
(Man hört das Glöckchen eines Schlittens)
ZDENKA
Das ist der Schlitten vom Elemer. Ich kenn’ die Schellen.
ARABELLA
(wieder ganz leicht und munter)
Und hinter ihm kommt der Dominik gefahren,
und hinter dem der Lamoral, so treiben sie’s, und ich
– ich treib’ halt mit – weil halt nur einmal Fasching ist.
ZDENKA
Nein! heute kommt der Elemer allein. Freust du dich?
Nein! Er kann der Richtige nicht sein!
ARABELLA
Ich weiß ja nicht! –
Kann sein, ich muß ihn nehmen.
(steigt mit versonnen Luft)
ZDENKA
Nein, nein, das darf nicht sein!
ARABELLA
Heut abend ist der Fasching aus.
Heut abend muß ich mich entscheiden.
ZDENKA
O Gott, dann bringt sich der Matteo um –
(wie in Trance und eine Vision zu sehen)
Ich klopf’ an seine Tür, er gibt nicht Antwort.
Ich werf’ mich über ihn –
ich küß zum ersten Mal
seine eiskalten Lippen!
Dann ist alles aus.
ARABELLA
(war an das Fenster gegangen und auf der Straße)
Siehst du, da war ein fremder Mensch heut vormittag,
wie ich hier aus dem Haus gegangen bin, dort drüben war er an der Ecke, groß, in einem Reisepelz.
Und hinter ihm ein Leibhusar –
ein Fremder halt aus Ungarn oder aus der Wallachei,
der hat mich angeschaut mit großen, ernsten, festen Augen.
Ich hätt’ geschworen drauf, daß er mir Blumen schickt.
Blumen von dem, das wäre heute mehr für mich als alles.
ZDENKA
(reißt die Rosen von Matteo aus der Vase, hält sie ihr leidenschaftlich hin)
Nimm die!
Sie kommen von dem treuesten Menschen auf der Welt.
Nimm sie zu dir, ganz nah zu dir, nimm
keine anderen als die! Ich fühl’s:
dein und mein Schicksal hängt daran!
(Zdenka platzierte Blumen in Runde Arabella, aber das können sie zwar stärker fallen hören Sleigh Glocken)
ARABELLA
Was hast du denn? was ist denn los mit dir?
ZDENKA
Sei still! Da kommt der Elemer.
(Geht schnell und leise rechts ab. Die Mitteltür geht auf Graf Elemer steht in der Tür, wirft den Pelz ab, den er unhägen hat ein Groom fängt den Pelz auf schließt von außdn die Tür)
ARABELLA
So triumphierend treten Sie herein?
ELEMER
Heut ist mein Tag!
So haben wir gelost.
Anspannen lassen hab’ ich meine Russen,
denn heut darf ich Sie in meinem Schlitten führen,
und abends dann auf dem Fiakerball
bin ich Ihr Herr!
(Arabella runzelt die Stirn)
Ich meine: ich Ihr erster Knecht,
denn Sie sind immerdar die Königin!
ARABELLA
Ihr habt um mich gelost!
Ihr seid mir schon die Rechten!
ELEMER
Ja, einer von uns dreien muß es sein,
den Sie erwählen! So ist’s beschlossen
und beschworen unter uns.
ARABELLA
Ah! einer von euch dreien muß es sein? Und ich?
Ich bin die Sklavin,
über die ihr schon das Los geworfen habt?
In welchem Krieg habt ihr mich denn
erbeutet, wenn ich fragen darf?
ELEMER
Zum Preis hat sie sich selber eingesetzt,
mit ihren Blicken hat sie
uns gefordert, ihr zu stehn.
Ein Mädchenblick ist stark
und gibt und nimmt –
und er verheißt noch mehr!
ARABELLA
Verheißt er das?
Dann sollt’ ich zornig sein auf euch,
daß ihr mir jetzt den Hof macht einen Fasching lang,
und immer noch habt ihr mir nicht das Herz erlöst,
und immer bin ich noch die gleiche, die ich war,
und dieses einzige bittersüße Glück,
das einem Mädel bleibt, das kost’ ich aus:
versteckt und in der Schwebe sein
und keinem ganz sich geben
und zögern noch und noch –
vielleicht, vielleicht wird aber bald was andres kommen,
Elemer.
(mit einem kleinen Lächeln)
Wer weiß, vielleicht sehr bald,
vielleicht noch diese Nacht!
ELEMER
Das andere wird kommen in der Stunde,
die ich herab vom Himmel flehe, Bella –
wo Sie abwerfen diese feigen, zaudernden Bedenken
und das sein wollen, was Sie sind,
das herrlichste Geschöpf, geschaffen,
Seligkeit zu bringen über mich allein auf dieser Welt!
Hören Sie meine Pferde? Wie sie stampfen
und ihre Glocken schütteln?
Wie sie läuten: du willst ja!
Komm! dann sausen wir mit dir dahin!
Nachdenken ist der Tod:
im Nichtbedenken liegt das Glück!
ARABELLA
(das Thema zu wechseln)
Sind es die Russen?
Schütteln sie sich schon vor Ungeduld?
Ja, ja, ich will. Heut ist doch Faschingsdienstag,
und heut um Mitternacht ist alles aus.
Die Hauptallee hinunter,
daß der Atem mir vergeht –
aber der Zdenko fahrt mit uns.
ELEMER
(zornig, unglücklich)
Kein Wort, kein Wort soll ich mit Ihnen reden dürfen?
Sie Grausame!
ARABELLA
(Tür öffnet es sich)
In einer halben Stunde bin ich unten mit ihm.
Solange müssen sich die Russen gedulden!
(auf eine Gebärde Elemers)
Der Bub kommt mit!
(sich verabschiedend)
Auf Wiedersehn.
ELEMER
Sie sind ein angebetetes Geschöpf,
ein unbegreifliches! ein grausames!
entzückendes Geschöpf.
(Er geht.)
ZDENKA
(tritt rechts herein)
Hast du ihn fortgeschickt?
ARABELLA
Wir fahren aus mit ihm.
Schnell, zieh dich an! Im Schlitten.
ZDENKA
Dazu brauchst du mich?
ARABELLA
Ja, dazu brauch ich dich.
(Der Schlitten unten lebhafter. Arabella schaut aus dem Fenster)
Schau doch die schönen Rappen,
wie sie ungeduldig sind,
(mit plötzlich veränderter Stimme)
Zdenka!
ZDENKA
Was ist denn? Was erschrickst du so?
ARABELLA
Er! das ist er! mein Fremder! da!
dort drüben geht er mit seinem Diener.
Sicher will er wissen, wo ich wohne.
Paß auf, jetzt sucht er, welches meine Fenster sind.
Schau seine Augen an,
was das für große ernste Augen sind.
ZDENKA
(hinter ihr)
Wie soll ich seine Augen seh’n, er schaut ja nicht herauf.
ARABELLA
Nein, er schaut nicht herauf.
(wendet sich ins Zimmer)
Er geht vorüber.
ZDENKA
So willst du fahren mit dem Elemer?
ARABELLA
Ja, ja. Geh’ und zieh’ dich an.
Du fährst mit uns. Ich will’s.
ZDENKA
Pst, die Mama.
(Adelaide ist links herausgetreten, horchend: sie hat Waldner kommen gehört. Waldner kommt im gleichen Augenblick durch die Mitteltür, gut angezogen, Stadtpelz und Zylinder, Stock, Handschuhe. Er sieht elegant, aber ermüdet und übernächtig aus, geht durchs Zimmer als sehe er die andern nicht und läßt sich in einem Fauteuil vorne rechts nieder.)
ADELAIDE
Laßt uns allein, meine Kinder,
euer Vater hat Sorgen.
(Arabella geht links ab. Zdenka geht rechts rückwärst ab.)
WALDNER
(steht auf, sieht die Kuverts mit den Rechnungen, betrachtet sie mechanisch, reißt ein Kuvert auf, dann das nächste.)
Nichts als das Zeug da?
Und von niemand sonst ein Brief?
ADELAIDE
Du hast gespielt? Du hast verloren, Theodor?
(Waldner schweigt)
Du hast an deine Regimentskameraden geschrieben?
WALDNER
Von keinem eine Antwort, das ist hart!
(Wirft sich auf den Fauteuil; vor sich him, halb zu Adelaide)
Da war ein gewisser Mandryka,
der war steinreich und ein Phantast dazu.
Für ein Mädel hat der einmal die Straßen von Verona bestreuen lassen mit dreitaus end Scheffeln Salz, weil sie hat Schlitten fahren wollen mitten im August!
Ich hab’ an seine Großmut appelliert –
und hab’ von der Bella ein Bild hineingelegt –
in dem stahlblauen Ballkleid mit Schwanenbesatz –
ich hab mir gedacht:
vielleicht kommt er daher, ein Narr, wie er ist,
und heirat’ das Mädel!
ADELAIDE
O Gott, mein schönes Kind mit einem alten Mann!
WALDNER
(heftig)
Es muß ein solider Bewerber daher
und ein End mit der ewigen Hofmacherei, die zu nichts führt!
Ich weiß sonst keinen Ausweg!
ADELAIDE
(mit plötzlicher)
Fort mit uns! Zur Tante Jadwiga.
Sie nimmt uns auf, auf ihre Schlösser!
Du wirst Verwalter,
ich führe der Tante das Haus!
WALDNER
Und die Mädeln?
ADELAIDE
Zdenka wird Groom für ew’ge Zeiten –
wir sind nicht in der Lage,
zwei Töchter zu erhalten!
Und Arabella – ihr ist prophezeit,
sie macht ihr Glück durch eine große Heirat!
WALDNER
(grimmig)
Inzwischen ist der letzte Fünfziger dahin!
ADELAIDE
Sei ruhig, Theodor, mir sind im Traum drei Nummern
erschienen! Unfehlbare, herrliche Zahlen!
WALDNER
Ah, Geschwätz!
Versetz die Smaragdbrosch’
und gib mir das Geld!
Was, du hast sie nicht mehr?
Versetzt? Verpfändet?
ADELAIDE
Schon vorige Woche.
Sie war das Letzte. O dieses Wien!
Dúo
WALDNER
Und heut hätt’ ich Glück!
Ich spür’s in jedem Finger!
Du unglückselige Person!
ADELAIDE
Allein, so hab’ ich’s oft geträumt!
Aus tiefster Schmach hebt’s uns einmal
empor zu höchster Höhe durch
die Hand der Schönheit!
WALDNER
Ich hab’ nicht einen Gulden mehr im Sack!
(Winkt ihr heftig ab)
ADELAIDE
Hat’s denn vielleicht im Allerhöchsten Erzhaus
noch keine Liebesheiraten gegeben?
(Sie geht schnell ab.)
WALDNER
(wieder zu den Rechnungen zurück)
Bin nicht in der Lage, länger zu warten!
(Nimmt die zwite)
Müßte die Gerichte in Anspruch nehmen.
Arme Frau! Arme Mädeln!
(Er läutet am Glockenzug. Der Zimmerkellner tritt ein.)
Cognac!
ZIMMERKELLNER
(gesprochen)
Auf Nummer 8 darf ich nichts mehr servieren!
Außer wünschen sofort zu bezahlen!
WALDNER
Verschwinden Sie, Ich brauch’ nichts.
(Zimmerkellner ab. Waldner geht auf und ab)
Jetzt setzen sie sich hin und fangen wieder an zu spielen.
(ängstlich)
Und alles andre is verlorene Zeit!
ZIMMERKELLNER
(eintretend mit einem Tablett)
Ein Herr!
WALDNER
Sie sagen, ich bin ausgegangen.
Das Zeug dorthin!
(Der Zimmerkellner legt eine Karte hin und geht ab)
Das ist ja keine Rechnung. Melden sich
die Lieferanten jetzt schon mit Visitenkarten an?
(Er geht hin, nimmt die Visitenkarte in die Hand, freudig überrascht.)
Mandryka!
Der reiche Kerl!
Mein bester Freund im Regiment!
ZIMMERKELLNER
(an der Tür)
Der Herr fragt dringend an.
WALDNER
Ich lasse bitten!
(Dem Eintretenden mit offenen Armen entgegen)
Tschau, Kamerad!
(Mandryka großer, sehr kräftiger, eleganter Mann von höchstens fünfunddreißig Jahren, etwas angezogen, ohne jede provinzielle Eleganz, tritt ein. Welko, hinter Mandryka eintretend, bleibt in der Tür stehen. Waldner perplex, tritt zurück)
MANDRYKA
Hab’ ich die Ehre mit dem Rittmeister Graf Waldner?
WALDNER
Waldner, so heiß ich.
Rittmeister nicht mehr.
(Mandryka streckt seine rechte Hand nach hinten. Welko unter Verneigung gibt ihm einen Brief in die Hand.)
MANDRYKA
(mit dem Brief auf Waldner zutretend)
Sind Sie, Herr Graf, der Schreiber dieses Briefes?
(sehr leicht und munter und artig)
Er ist ein biss’l blutig worden und nicht mehr leserlich.
Ich bin den Tag, wo er mir zugekommen, auf eine alte Bärin gegangen, sie hat mich angenommen und ein biss’l gekratzt – dabei ist das passiert.
WALDNER
(indem er ihm den Brief zurück gibt, nachdem er einen Blick darauf geworfen hat)
Geschrieben hab’ ich allerdings an einen Herrn Ihres Namens – er war mein Freund und Regimentskamerad.
MANDRYKA
Das war mein Onkel. Er ist tot.
Ich bin der einzige Mandryka.
Somit verzeihen Sie,
daß ich den Brief zu öffnen mir gestattete.
Jetzt kommt es auf eines an:
Welko, das Bild!
WELKO
(indem er eine Photographie überreicht)
Es ist in Ordnung, Gospodar.
Das schöne Fräulein mit dem Gesicht wohnt hier.
MANDRYKA
(die Photographie in der Hand)
Herr Graf, Sie haben Ihrem werten Brief, der kameradschaftlich an meinen Onkel gerichtet war Sie haben dieses Damenbildnis beigelegt.
WALDNER
(leicht hinsehend, ganz ohne Wichtigkeit)
Ah ja, die Photographie meiner Tochter Arabella!
MANDRYKA
(mit merklicher Aufregung, aber ohne die Stellung zu verändern)
Die gnäd’ge Tochter ist unvermählt?
WALDNER
Noch unvermählt –
MANDRYKA
– und derzeit nicht verlobt?
WALDNER
Derzeit noch nicht.
MANDRYKA
(sehr wrnst, beinache feielich)
Dann bitte ich um ein Gespräch von fünf Minuten.
(Welko rückt schnell zwei Fauteuils einander gegenüber, zieht sich dann zurück. Waldner und Mandryka setzen sich. Eine kleine Pause der Verlegenheit bei Mandryka, der Spannung bei Waldner)
Darf ich so unbescheiden sein und eine Frage stellen?
WALDNER
Du bist der Neffe – und Erbe
meines teuren Kameraden.
Verfüge über mich!
MANDRYKA
Ich danke sehr.
(er überlegt einen Moment)
Als in dem Brief an meinen sel’gen Onkel das reizende Porträt des Fräulein Tochter hineingeschlossen wurde,
darf ich annehmen, daß da eine Absicht im Spiele war? –
ich bitte um Vergebung.
WALDNER
Mein Gott, ich hab’ mir halt gedacht,
ich mach’ damit dem Alten einen Spaß.
MANDRYKA
(sehr aufmerksam, bestrebt, jedes Wort Waldners nach seinem vollen Gewicht zu erfassen)
Dem Onkel einen Spaß? –
Wenn aber das die Folge wär gewesen:
daß mein Herr Onkel, der ein ganzer Mann gewesen ist
und in den besten Jahren,
sich hätte in die Schönheit des Porträts verliebt
und wär getreten hier vor Ihnen, hochgeborner Herr,
so als ein offenherziger Edelmann
vor einen andern, und hätt’ gesagt:
wer das Gesicht gesehen hat und tritt nicht als Bewerber auf, verdient nicht, daß ihn Gott auf dieser schönen Erde leben läßt: so gib das Mädel mir zur Frau und Herrin!
Was wäre dann gewesen?
Gesetzt den Fall, er hätte so gesagt!
WALDNER
Dann hätten wir uns
in einer unerwarteten Situation befunden.
MANDRYKA
(steht auf, sehr aufgeregt, Aber beherrscht)
Der Onkel ist dahin.
Heut bin ich der Mandryka, niemand sonst.
Mein sind die Wälder, meine sind die Dörfer.
Viertausend Untertanen beten,
daß ich glücklich sei,
und ich, mit aufgehobenen Händen bitte ich:
Herr Vater, geben mir die gnäd’ge Tochter,
geben Sie mir zur Frau, die jetzt seit vierzehn Wochen jeden Gedanken in dieser Brust regiert.
(Waldner schweigt in Staunen.)
Ihr Zögern ist keine Todesurteil?
Nein!
(Waldner schüttelt den Kopf.)
Ich darf sie sehen?
(Waldner nickt.)
Bedenken:
dieser Brief kommt an, und in der gleichen Stunde nimmt mich die alte Bärin in die Arme und drückt mir vier von meinen Rippen ein.
Zwölf Wochen bin ich so im Bett gelegen –
Vor meinen Augen dieses Bild –
und ein Gedanken immer stärker,
bis er die Seele mir herausgezogen hat!
(ganz naiv ohne Prahleret)
Kommen meine Verwalter:
was ist’s mit unserem Herrn?
Kommen die von den Meierhöfen:
was ist’s mit unserem Herrn?
Kommen die von den Fohlenhöfen:
freut unsern Herrn kein Pferd mehr?
Kommen meine Förster:
freut unsern Herrn kein Jagen?
Ich geb ihnen keine Antwort.
Welko ruf’ ich, hol’ mir den Juden, na!
wie heißt der Jud in Sissek, der meinen Wald will kaufen?
Dort den Eichenwald!
Schnell her mit ihm und er soll Geld mitbringen,
denn morgen fahr’ ich in dem Kaiser
seine Hauptstadt,
da kostet Geld ein jeder Atemzug,
und Hindernisse
darf’s nicht geben auf der Brautfahrt!
(Er zieht ein großes Portefeuille hervor: es enthält lose hineingelegteinen dicken Pack Tausendguldennoten.)
Das ist der Wald...
(Waldner sieht erstaunt Geld)
Es war ein schöner Wald:
Einsiedler waren drin,
Zigeuner waren drin und alte Hirschen,
und Kohlenmeiler haben viele drin geraucht –
Hat sich alles in ein paar Fetzen Papier verwandelt!
Duo
Aber es stehen Eichenwälder genug noch
auf meinem Bode für Kinder und Enkel –
Gott erhalte!
Verzeih’n um Gottes willen, daß ich da von solchen Sachen rede! Ist ganz, ich weiß nicht, wie gescheh’n!
WALDNER
Wenn man bedenkt: ein Wald –
Einsiedler waren drin,
Zigeuner waren drin und alte Hirschen,
und auf eins, zwei – ein solches Portefeuille!
Ich hab’ seit vielen Jahren so was nicht gesehen!
MANDRYKA
Ist ganz, ich wiß bich, wie gescheh’n!
(Waldner starrt fasziniert auf das Portefeuille. – Mandryka will es einstecken – Waldner hindert ihn durch eine unwillkürliche Bewegung.)
WALDNER
Oho! ich find’es ungeheuer interessant!
MANDRYKA
(hält das Portefeuille hin, sehr leicht und liebenswürdig)
Darf ich vielleicht? Brauchst du vielleicht?
So für den Augenblick?
Du tust mir eine Gnad’, Teschek, bedien’ dich!
WALDNER
(nach kurzem Zögern, nimmt eine Tausendguldennote)
Mein Bankier ist nur verreist!
Ich geb es dir heut abends spätestens zurück!
MANDRYKA
(hält das Portefeuille nochmals hin, sehr herzlich)
Nicht mehr? Ich bitte vielmals! Aber doch!
Teschek, bedien’ dich!
(Waldner nimmt eine zweite Note und steckt sie zur ersten in die Westentasche.
Mandryka läßt das Portefeuille in seine Brusttasche gleiten - Eine leichte Pause der Verlehenheit)
Und wann wird’s dir genehm sein,
mich deiner Gräfin vorzustellen –
und dann der gnädigen Tochter?
WALDNER
Sie sind gleich da im Nebenzimmer.
Willst du sie sehen?
Ich ruf’ – ich stell’ dich vor.
MANDRYKA
Jetzt? So? ich bitte: nein! auf keinen Fall!
WALDNER
So schüchtern war der Onkel nicht!
MANDRYKA
(sehr ernst)
Das ist ein Fall von andrer Art.
Es handelt sich für mich um etwas Heiliges.
WALDNER
Ganz wie du willst!
MANDRYKA
(in verändertem Ton)
Ich werd’ mich hier im Hause einlogieren
und den Befehl abwarten deiner Gräfin,
wann ich mich präsentieren
darf am Nachmittag oder Abend
– oder wann es wird belieben.
(Verneigt sich, Waldner reicht ihm die Hand und begleitet ihn zur Tür.)
WALDNER
(allein)
Hab’ ich geträumt?
Dahier ist er gesessen,
dahier, der Neffe vom Mandryka.
So was passiert einem doch nicht!
(Er zieht einen zerknitterten Tausender hervor, dann den zweiten, glättet beide, steckt sie in seine völlig leere Brieftasche.)
Hab’ ich geträumt?
Nein! ich hab’ nicht geträumt!
(Er nimmt den einen Tausender wieder heraus, dreht daraus gedankenlos eine kleine Papiertüte und behält sie in der Hand. Mit leichtem Ausdruck Mandrykas Ton kopierend, ziemlich laut.)
Teschek, bedien’ dich!
ZIMMERKELLNER
(eintretend)
Ist hier gerufen?
(Er gewahrt den Tausender in Waldners Hand und verändert sofort den Ton.)
Haben mich befohlen?
WALDNER
(vor sich, leise, zart)
Teschek, bedien’ dich!
ZIMMERKELLNER
Befehlen diesen Tausender zu wechseln?
WALDNER
Später vielleicht, jetzt nicht.
(Der Zimmerkellner geht ab. Vor sich hin, mit Grazie)
Teschek, bedien’ dich!
(schmelzend, fast zärtlich)
Teschek, bedien’ dich!
(majestätisch)
Teschek, bedien’ dich!
(Er nimmt Mantel, Hut und Stock)
ZDENKA
(aus der Tür rechts heraus)
Hast du gerufen, Papa?
WALDNER
(mit turbulentem Jubel)
Teschek, bedien’ dich!
ZDENKA
Mit wem sprichst du, Papa? Ist dir etwas gescheh’n?
WALDNER
(mit turbulentem Jubel)
Teschek, bedien’ dich!
ZDENKA
Ist dir etwas gescheh’n?
WALDNER
(jetzt erst bemerkend, daß er nicht allein ist)
Gar nichts. Ich geh’ jetzt aus.
Ich werd’ erwartet.
(Er winkt ihr mit dem Tausender, den er in der Hand behalten hat.)
Brauchst du vielleicht?
Ich werd’ mir wechseln lassen. Adieu!
(Ab durch die Mitteltür)
ZDENKA
(allein)
Papa! Er ist schon fort.
So hab’ ich ihn noch nie geseh’n,
die Sorgen haben ihn um den Verstand gebracht!
Wir müssen fort aus dieser Stadt – schon morgen.
Und den Matteo seh’ ich heut vielleicht zum letzten Mal.
O Gott, steh’ mir armem Mädel bei!
(Matteo schnell und verstohlen zur Mitteltür herein. Zdenka erschrickt.)
MATTEO
Er hat mich nicht geseh’n.
Ich hab’ mich rückwärts in die Tür gedrückt.
ZDENKA
(deutet auf die Tür links rückwärts)
Pst! sie ist da! Sie ruft mich.
MATTEO
Kann ich sie nicht sehn?
ZDENKA
Jetzt nicht! ich bitte dich! Jetzt nicht!
MATTEO
Hast du den Brief?
ZDENKA
Den Brief? Ja! Nein! Sie will jetzt nicht.
Sie sagt, sie will ihn dir – heut abend –
komm auf den Fiakerball, – und vorher sei zu Haus,
hier im Hotel – vielleicht bring’ ich ihn dir
ins Zimmer – oder du bekommst ihn dort!
MATTEO
Du, laß mich nicht im Stich!
Ich hab’ dein Wort!
(Zdenka ängstlich, deutet auf die Tür links.
Matteo schnell ab.
Arabella tritt aus der Tür links.
Zdenka steht verwirrt und verlegen da.
Man hört die Schlittenglocken.)
ARABELLA
Bist du nicht fertig!
Ja, was hast du denn gemacht die ganze Zeit?
So zieh’ dich endlich an!
Die Rappen sind schon voller Ungeduld.
ZDENKA
(wütend)
Die Rappen – und dein Elemer!
(Läuft ins Nebenzimmer rechts)
ARABELLA
Mein Elemer! –
das hat so einen sonderbaren Klang...
Er mein – ich sein. Was ist denn das,
mir ist ja, wie wenn eine Angst mich überfiele
– und eine Sehnsucht....
ja, nach was denn auf der Welt?
Nach dem Matteo?
Weil er immer sagt, er kann nicht leben ohne mich und mich so anschaut mit Augen wie ein Kind?
Nach dem Matteo sehnt sich nichts in mir!
(ein Zögen, dann ausbrechend)
Ich möchte meinen fremden Mann einmal noch sehen!
Ich möchte einmal seine Stimme hören! Seine Stimme.
Dann, dann wär’ er wie die anderen für mich.
Wie sagt die Zdenka:
daß wir warten müssen, bis uns einer wählt,
und sonst sind wir verloren.
(Sie schaudert unwillkürlich)
Verheirat’t mit dem Elemer?
Was rührt mich denn so an,
als trät’ ich einem übers Grab?
Ist das der fremde Mann, mit dem ich nie ein Wort geredet hab’, zieht der im Dunkel so an mir?
Herr Gott, er ist ja sicher ein verheirateter Mann,
(Leider)
und ich soll, und ich werd’ ihn nicht mehr wiedersehn!
Und heut und heut ist Faschingsdienstag,
und heut abend ist mein Ball –
von dem bin ich die Königin und dann...
ZDENKA
(tritt heraus, in einem kurzen Pelz, inen Zylinder in der Hand)
So, ich bin fertig.
ARABELLA
Komm!
(Zdenka öffnet ihr die Tür, Arabella geht hinaus; Zdenka setzt den Zylinder auf und folgt ihr. Die Schlittenglocken tönen herauf.)