ERSTER AKT
Freier Platz vor der Kirche Santa Maria - am Johannestag
Nr. 1 - Introduktion
CHECCO und die BETTLER
Heut am Tag des Patron von Florenz
Ist am Kirchtore stark die Frequenz.
Jung und alt, reich und arm,
Ohne Halt drängt der Schwarm;
Da wird reiche Ernte für uns Bettler sein!
Wenn wir flehen, bittend stehen, trägt es heut uns etwas ein!
Misericordia, pietà, moro di fame.
CHECCO
Du Anselmo, stehst da, Giacometto, du dort!
Tita Nana mir nah, jeder hat seinen Ort,
Recht erbärmlich nur geheult - und was einkommt, wird geteilt.
Nur schnell, nur schnell an Ort und Stell'!
LEONETTO
geheimnisvoll auftretend
Mich erwartet Frau Beatrice - holdes Weibchen, o wie schlau!
ihr Gemahl ist noch auf Reisen, und es langweilt sich die Frau.
Drum vertraut sie mir den Schlüssel, und ich kenn' den Weg genau.
CHOR
Tralla la la, corri, vola alla fiera a giubilar.
LEONETTO
Singt nur, Freunde, ohne mich.
Er verschwindet im Hause
CHECCO
Presto avanti - jetzt acht geben. Presto avanti! Macht's nur wie ich!
CHOR
Schöner Tag - Sonnenschein lockt hinaus und ladet ein.
Alles reget flink die Hände, schmückt mit Kränzen kahle Wände.
Oi---la oila
Alle Strassen bunt geschmückt, alle Mienen froh beglückt,
Mira quà, mira la; tutto invita a rallegrar.
Guarda sù - guarda giu; tutto tenta ad alletar
A giubilar. a esaltar, su, su - a vol oila!
Schöner Tag - Sonnenschein usw., usw.
Ja der Morgen findet ganz Florenz im Freudentaumel schon,
Denn wir feiern ja den Namenstag von unserm Schutzpatron!
DIE BETTLER
Misericordia, pietà moro di fame.
CHOR
Keine Klage walte da, voll Lust soll tanzen selbst der Lahme.
Seht, dort nahen die Studenten, stets dabei, wo Freude spriesst! -
Hieher, hieher, seid froh begrüsst.
STUDENTEN
Flotte Studiosen, hier gibt's Rosen in der herrlichsten Pracht!
Den Jubel zu teilen ohne Weilen sind wir bedacht!
Gefährten, lasst eure Lieder hier ertönen!
Mit vollstem Klang halle freudig unser Sang.
Das Lied erobert die Herzen aller Schönen,
ihr Dankesblick sei dem Sänger höchstes Glück!
CHOR
Italia, suol di Venere l'amor in te respira
Le frondi ancor si tenere ah si rivivon d'amor.
Alle seid lustbereit! Weiht die Zeit der Fröhlichkeit!
Schöner Tag, Sonnenschein - usw.
Der Kolporteur tritt mit einem Handwägelchen auf
KOLPORTEUR
Neueste Novellen aus den besten Quellen, wer kaufet? Wer?
CHOR
Novellen? Schnell hieher!
KOLPORTEUR
Langsam, will euch gleich zufriedenstellen,
Neueste Novellen, eben erschienen!
Höret und staunet und kauft geschwinde!
Erst von Sacchetti sind hier Geschichten.
Ja, der versteht sich auf das Dichten, Exzellent!
Wie der vollendet die Handlung wendet;
Wie alles passt. wie alles klappt!
Hier sein "Müller und der Abt"!
CHOR
Wie heisst's? Der Müller und der Abt!
KOLPORTEUR
Zehn Bajocchi, - gar kein Geld!
Hier. Fiorentino, der feinste Schreiber,
Der angenehmste Zeitvertreiber - Eminent!
Sein Stil ist blühend, lebendig, glühend!
Merkt auf, ihr Freunde des Skandals!
Hier ,,Die Freundin des Kardinals!"
CHOR
Die Freundin des Kardinals!
KOLPORTEUR
Fünfzehn Bajocchi, ein Schandpreis -
Doch mit niemand zu vergleichen und von keinem zu erreichen
Unterhält und stimmt uns froh Giovanni Boccaccio!
CHOR
Boccaccio! Boccaccio!
KOLPORTEUR
Der weiss vieles euch zu sagen, was sich niemals zugetragen.
An Erfindung und Humor tat's ihm keiner je zuvor.
Hier sein allerneuestes Thema - Spinolloccio und Zeppa!
DIE WEIBER
Ganz verlockend, int'ressant!
DIE MÄNNER
Nichts als Lüge. Schmach und Schand'!
KOLPORTEUR
Daraus lernt der Ehemann, wie er Rache nehmen kann.
Wenn ihr leset diese Sachen, werdet bersten ihr vor Lachen!
DIE WEIBER
Höchstwahrscheinlich, sehr pikant!
DIE MÄNNER
Lauter Unsinn, kein Verstand!
KOLPORTEUR
Und was ganz besonders war: Die Geschichte ist auch wahr!
Sie soll jüngst passiert hier sein, wie's zu lesen ist haarklein!
Aus dem Leben treu und wahr.
Kaufet meine neuste War'. - Eine Lira 's Exemplar.
DIE MÄNNER
Das ist erlogen, frech, ungezogen! Er soll sich schämen, pfui!
DIE WEIBER
Haha, o seht, wie zornentbrannt,
Weil sie der Dichter hat erkannt.
DIE MÄNNER
Reisst den Wisch ihm aus der Hand!
Jagt ihn zum Teufel! Fort mit ihm!
Abassso Boccaccio! Va in malora! (usw.)
DIE WEIBER
Nein, lasst ihn gehn! Wir wollen's lesen!
Evviva Boccaccio! Seht doch die Wut!
Wie sie toben, wie sie schrein; hahaha; da soll man nicht lachen?
Etwas Wahres muss dran sein; hahaha, weil sie gar so schrein!
Haha! recht so! Uns bleibt Boccaccio!
Doch unterhaltend, stets Geist entfaltend.
Eure Wut aber macht, dass man über euch lacht!
DIE MÄNNER
Schämt euch! Schweiget!
O wir treffen ihn schon irgendwo! Das geht nicht so!
Der Wicht soll uns nicht höhnen? Nein, das soll er nicht, der Wicht!
Wenn wir ihn irgendwo wittern, greift zum Dolch!
Vor unsrer Wut soll er zittern, dieser Strolch!
DIE WEIBER
Vor eurem Drohen wird er schwerlich zittern,
Er fürchtet wenig sich vor solchen Rittern!
Erst müsst ihr ihn fangen, dann wird er gehangen!
Solange wir da sind, kriegt ihr ihn nicht.
DIE MÄNNER
Wir packen ihn, wir prügeln ihn!
Wir töten ihn! Wir woll'n ihn massakrieren, den Wicht!
Schweigt doch! -
DIE WEIBER
Just nicht!
DIE MÄNNER
Schlangen!
DIE WEIBER
Tölpel!
DIE MÄNNER
Zangen!
DIE WEIBER
Tröpfe! Trauet unsern Nägeln nicht.
Sonst nimmt das Ding kein gutes End',
ihr kennt doch unsre Nägel, Sapperment!
DIE MÄNNER
Traut nur unsern Fäusten nicht,
Sonst nimmt das Ding kein gutes End',
Ihr kennt ja unsre Fäuste, Sapperment!
ZUSAMMEN
Das Possenspiel wird jetzt zuviel -
Es kocht das Blut in höchster Wut! Kommt nur heran!
DIE MÄNNER
Kommt doch, Schlangen!
DIE WEIBER
Kommt doch, Tröpfe!
KOLPORTEUR
hinter der Szene
Neueste Novellen! Aus den besten Quellen!
DIE MÄNNER
fortstürzend
Seine Bücher wollen wir
Vernichten hier, sie büssen uns dafür!
DIE WEIBER
nacheilend
Seine Bücher kaufen wir,
schont das Papier, es kann ja nichts dafür!
Nr. 2 - Serenade und Ensemble
SCALZA
Holde Schöne, hör' diese Töne,
Hör' mein zärtliches Liebesgestöhne!
Dir, o Süsse, send' ich die Küsse,
Send' ich schmachtende Liebesgrüsse!
Mein Gesang firuliruli, firulirulera.
Dieser Klang firuliruli, firulirulera,
Sagt dir ja, firulirula, wer dir nah, firulirula,
Dein geliebtester Gatte ist da!
LEONETTO
Aus dem Hause Beatricens schreiend:
Weh mir! Hilfe!
SCALZA
hält betroffen inne
LEONETTO
Verdammte Katzen!
SCALZA
Mich zu meiden, von dir zu scheiden,
O wie nahe ging das uns beiden!
Doch zu stehen in deiner Nähen,
O beglückendes Wiedersehen!
Mein Gesang firuliruli, firulirulera - usw.
BEATRICE
Stimme im Hause
Zu Hilfe! Rettet! Schnell!
SCALZA
zitternd
Das war Be-be-beatrice! Was mag da geschehen sein?
BEATRICE
Zu Hilfe, eilet zur Stell'!
SCALZA
Ihr zu Hilfe möcht' ich eilen, doch es zittert mein Gebein!
BEATRICE
heraustretend
Hilfe!
Man hört drinnen Degen klirren
SCALZA
Vorwärts? Mut! Ha, sie kommt - das ist gut!
Liebes Weib, wie bist du blass!
Was ist geschehen? Oh, sag' doch - was? -
BEATRICE
Scalza! Mann! Du kommst mir g'rade
Wie geschickt durch Himmelsgnade!
Nun bin ich schon wieder froh, du kommst gerade apropos!
SCALZA
Was drohet dir?
BEATRICE
's ist zum Verzagen!
SCALZA
So sage mir -
BEATRICE
's ist kaum zu sagen!
Doch - schweig still - hör' mich an - und erbebend bebe dann!
In mein Kämmerlein drang soeben, voll Verzweiflung ein schöner Mann:
"Madonna, helft! Man verfolgt mich,
Bedroht mein Leben, gönnet mir Zuflucht hier!"
Ich versteckt' ihn - schloss die Tür. Ach - da kam ein Kavalier!
Der schien mir schöner fast noch als jener! -
Wütend sprach er: "Wo steckt dieser feige Wicht!" -
Wollt' ihn beschwören, er wollt' nichts hören,
Stösst mich zurück und fuchtelt und haut und sticht!
Schon wank' ich - rufe - fliehe - ach!
Gottlob, da seh' ich in deiner Näh' mich
Halte mich - mir wird schwach!
SCALZA
Sonderbares Abenteuer! Sehr kurios!
Meine Angst ist ungeheuer, riesengross!
BEATRICE
Er war so jung und schön wie Milch und Blut;
Aus seinem Auge strahlte Liebesglut!
BOCCACCIO
hinter der Szene
Wart' nur, ich frikassiere dich, Bube!
SCALZA
ängstlich
Ha, sie sind's -- sie kommen schon heran!
LEONETTO
hinter der Szene
Trotz deiner Larve kenn' ich dich, Bandit!
SCALZA
Sie kommen, - mit - Degen. - sie drohen - mit Schlägen! -
Leonetto und Boccaccio treten fechtend aus dem Haus
LEONETTO
parierend
Ich geb' mich nicht zur Ruh',
Bis nicht dein Blut hier fliesst! -
BOCCACCIO
auf Leonetto eindringend
So steh' doch, Memme, du
Gleich wirst du aufgespiesst!
BEATRICE
Weh uns! Wer hilft? Herbei!
BOCCACCIO und LEONETTO
So stelle dich und fürchte mich!
ich töte dich! Stell' dich! Nun denn, hab' acht!
Jetzt gilt's, du Memme!
SCALZA
Es ist entsetzlich schauderhaft!
Ist niemand da, der Ordnung schafft?
Von Sinnen sind sie ganz und gar.
Ach, wer hilft aus der Gefahr?
BEATRICE
für sich
Recht natürlich spielt das Paar!
BOCCACCIO
Feigling! Verführer! Du sollst dran denken,
Will dir's nicht schenken, dich treff' ich gleich!
LEONETTO
Büsse mir jetzt dafür, nimm den Streich!
Dann parier' diesen hier.
Scalza versucht zu vermitteln und wird von beiden getroffen
SCALZA
Au! Au! Jeder Streich trifft mich zugleich!
BOCCACCIO und LEONETTO
Wer uns störet, hüte sich!
Wer uns wehret, fällt durch mich!
SCALZA
Liebes Weib, lass sie hier schrein! Gehn wir hinein!
SCALZA und BEATRICE
Das wird wohl das beste sein!
SCALZA
Wir schliessen dann vor jedermann uns drinnen ein.
BEATRICE
Wir gehn hinein!
BOCCACCIO und LEONETTO
Ha, ich zeichne dir das Fell!
SCALZA
Ich kann vor Angst nicht von der Stell'!
BEATRICE
Komm doch!
BOCCACCIO
Mori!
LEONETTO
Schurke!
SCALZA
Crepa!
BOCCACCIO
Feigling! Verführer! usw.
DIE STUDENTEN
herbeieilend
Da gibt es Rauferei! Haha, juchhei!
Gern sind wir auch dabei! Ob Spass - ob Ernst es sei!
BEATRICE
Jetzt sind's noch mehr! Der Tropf!
Vor Angst verliert er ganz den Kopf!
SCALZA
Jetzt sind's noch mehr! Ich Tropf!
Ich weiss nicht, wo mir steht der Kopf!
BOCCACCIO und LEONETTO
Fall aus - parier' - so stich!
Zum Schluss bleib' doch der Sieger ich!
DIE STUDENTEN
fechten
Ha, wie uns das ergötzt, Haha, juchhei!
Wenn's tüchtig Hiebe setzt. - Aus Spass wird Ernst zuletzt.
BEATRICE
Er hält den Scherz für wahr! Die List gelang uns ganz und gar.
BOCCACCIO und LEONETTO
Voran! Fall aus, parier' - stoss zu,
Bald send' ich dich zur ew'gen Ruh!
SCALZA
Ach, schon so lang stösst man herum,
Und 's fällt noch immer keiner um.
BEATRICE, BOCCACCIO, STUDENTEN und VOLK
Ob Degen blitzen und klirren, gibt's doch nicht Gefahr,
Die Hiebe fallen und schwirren, flach nur immerdar.
Hier setzt es Schläge nach Noten, drum ist's im Takt geboten!
Welch ein lustiges Stück, ha, welch liebliche Musik!
SCALZA
Fürchterlich die Degen klirren.
Rechts und links die Hiebe schwirren,
Rings umgeben von Gefahr ist man dabei fürwahr!
Es setzet Schläge hier nach Noten, drum scheint Vorsicht mir geboten.
Leicht passiert ein Missgeschick - ziehn wir lieber uns zurück!
BOCCACCIO, LEONETTO und STUDENTEN
Feigling, Verführer,
Büsse mir jetzt dafür! usw.
BEATRICE
Ja, es ist gelungen, der Sieg ist errungen, gelungen ist die List.
Ha, er zittert, bebet, ach, der arme Narr!
SCALZA
Hier droht immerdar von allen Seiten uns Gefahr!
Nr. 3 - Lied und Chor
BOCCACCIO
Ich sehe einen jungen Mann dort stehn.
Nach einem fernen Gegenstande spähn;
Der Gegenstand kommt näher bald heran - 's ist Weib - und Mann
Das hübsche Weibchen scheint von heissem Blut,
Aus ihren Augen strahlet Liebesglut;
Aus ihres würd'gen Gatten Angesicht - da strahlt das nicht!
Doch der Jüngling, der dort stehet, sendet einen Feuerblick,
Der um Gegenliebe flehet - und sie - sendet ihn zurück.
Er ist selig - sie beglücket; auch der Gatte scheint entzücket,
Dass sein Weibchen gar so heiter, und zu drei'n spaziert man weiter.
Aber ich hab' auf der Stelle meinen Stoff für die Novelle,
Nehm' die Feder gleich zur Hand.
Der Gegenstand ist alt - bekannt -
Und dennoch immer wieder int'ressant.
Nur muss man verstehen, im voraus zu sehen:
Was noch wird geschehen! -
Das ist doch jedem klar, was hier im Werke war;
Blick, Miene, Worte und Gang steh'n im Zusammenhang.
Kennt man die Menschen nur, kommt leicht man auf die Spur;
Humor und Phantasie allein muss Beistand leihn.
Doch davon gebühret mir ja nicht der Ruhm,
Dazu habt ihr mich inspiriert - und die Novelle mir diktiert!
LEONETTO und STUDENTEN
Ja wir sind es, die ihn inspiriert,
Wir sind's, die die Novelle ihm diktiert.
BOCCACCIO
Dass ich erzähl', was dunkel bleiben sollt',
Ist meine einz'ge Schuld, wenn ihr's so wollt;
Doch diese Schuld kann oftmals, wie ich mein', Verdienst auch sein.
Und g'rad von denen, die ich treffen wollt',
Hat selten einer mir darob gegrollt;
Ein jeder sagt: "Ich weiss schon, wer gemeint;
Der ist's - mein Freund!"
Jeder reibt sich froh die Hände, flüstert: "Recht ist ihm geschehn."
Doch der Richt'ge will am Ende niemals sich getroffen sehn.
,,'s gilt dem Nachbarn, wetten möcht' ich,
Längst war mir die Frau verdächtig.
Ein Skandal ist's, hab' nicht recht ich?
Die Entdeckung ist ganz prächtig!"
Dabei trägt auch dieser Gute ein Paar Hörnlein unterm Hute,
Ohne dass es ihn verdriesst.
Ein jeder sieht's - sobald er grüsst
Nur er ahnt nicht, was seiner Stirn entspriesst!
Viel hundert Geschichten könnt' so ich berichten,
Brauch' gar nichts zu dichten - brauch' nur zu sehen klar,
Was hier im Werke war: Blick, Miene - usw.
Ab
FIAMETTA und PERONELLA
Die Glocken läuten hell und rein,
Sie laden alle Frommen ein,
Mit andachtsvollem Sinn geht man zur Messe hin,
Und denket nur an Gott allein!
PERONELLA
Zur Kirche ist mein liebster Gang.
FIAMETTA
verstohlen für sich
Wo heut der junge Mann nur steckt?
PERONELLA
Mein neues Kleid scheint fast zu lang.
FIAMETTA
wie oben
Noch hab' ich nirgends ihn entdeckt.
PERONELLA
antreibend
Heut darf man zu spät nicht kommen,
Gilt's doch unserm Schutzpatron.
FIAMETTA
heimlich
Ach, wär' er nur hergekommen,
Wüsst' ich bessern Schutz mir schon!
BEIDE
Und denken nur an Gott allein - usw.
PERONELLA
Wie sind die Häuser bunt bekränzt!
FIAMETTA
für sich
Sonst war er auf dem Platze hier!
PERONELLA
Im Sonntagsstaate alles glänzt.
FIAMETTA
Dann stand er dort und blickt' nach mir!
PERONELLA
Um Vergebung unsrer Sünden beten heute wir zum Herrn.
FIAMETTA
Wüsste ich nur ihn zu finden, ich vergäb's ihm ja so gern.
BEIDE
Und denken nur an Gott allein usw.
FIAMETTA
Hab' ich nur deine Liebe -
die Treue brauch ich nicht.
Die Liebe ist die Knospe nur,
aus der die Treue bricht.
Drum sorge für die Knospe,
dass sie auch schön gedeih',
Auf dass sie sich in vollster Pracht
entfalten mag, o gib drauf acht.
Ob mit - ob ohne Treu'!
Denn selbst auch ohne Treue
hat Liebe oft entzückt,
Doch Treue ohne Lieb' allein
hat keinen noch beglückt!
Drum sorge für die Knospe,
dass sie auch schön gedeih',
Auf dass sie sich in vollster Pracht
entfalten mag, o gib drauf acht.
Ob mit - ob ohne Treu'!
Nr. 5a - Chor
CHOR
Die Glocken läuten hell und rein - sie laden alle Frommen ein;
Mit andachtsvollem Sinn ging man zur Kirche hin --
Um jetzt - dem Frohsinn sich zu weihn.
Nr. 6 - Duett
BOCCACCIO
als Bettler:
Ein armer Blinder flehet um Erbarmen.
O habet Mitleid mit dem Los der Armen!
O spendet Trost und Hoffnung mir,
Und heisser Dank wird Euch dafür!
FIAMETTA
zurückweichend
Was hör' ich? Wie pocht das herz mir bang!
Ja, ja! 's ist seiner Stimme Klang!
BOCCACCIO
für sich
Sie zögert! Sie sinnt! laut
Ein armer Blinder flehet um Erbarmen - usw.
FIAMETTA
für sich
Da er ein Bettler sich genannt,
Sei er von mir auch nicht erkannt.
Will doch sehn - will doch sehn -
Wie sich noch wendet - dieses Spiel!
BOCCACCIO
Ein Wort, ein süsses Wort von Euch
Macht schnell mich gleich dem Krösus reich!
FIAMETTA
Ein Wort?
BOCCACCIO
Ein einzig trautes, süsses Wort!
FIAMETTA
Ein Wort?
BOCCACCIO
O sprecht zu mir ein einzig Wort.
FIAMETTA
Ein Wort, sagt ihr?
BOCCACCIO
Erbarmet Euch!
FIAMETTA
Ein Wort von mir!
BOCCACCIO
Mich macht es reich, das einz'ge süsse Wort!
FIAMETTA
Nur ein Wort, - nur ein Wort! klingt so wenig, - ist so viel!
Sonderbar - sonderbar - scheinet mir dies kühne Spiel!
ist der Wunsch - ist der Wunsch auch bescheiden nur und klein,
Muss man doch - muss man doch auf der Hut - bei Bettlern sein!
BOCCACCIO
Solch ein Wort - solch ein Wort saget oft unendlich viel:
Sonderbar - sonderbar scheinet ihr mein kühnes Spiel.
Abgetan - abgetan ist's nicht mit dem Wort allein -
Doch es darf unverschämt kein Bettler sein!
Ich bitt' gar schön, lasst mich nicht vergeblich flehn.
FIAMETTA
Ohne Hoffnung indes soll von hier er nicht gehn;
Mich rührt des Armen bittend Flehn!
Gern hätt' ich Tröstung Euch gespendet -
Da Ihr verlor't das Augenlicht!
BOCCACCIO
Ja, seit ein Strahl der Sonne mich geblendet,
Sah alles andre auf der Welt ich nicht!
Doch kann ein einz'ger Blick von Euch
Die dunkle Nacht erhellen gleich!
FIAMETTA
Will doch sehn, was sein Ziel - wie sich wendet dieses Spiel!
BOCCACCIO
Ein Blick von Euch - ein einz'ger Blick gibt Seligkeit,
Gibt Licht und Leben mir zurück!
FIAMETTA
Ein Blick?
BOCCACCIO
O spendet mir den einz'gen Blick!
Er gibt - was ich verlor - zurück!
FIAMETTA
Ein Blick sagt ihr?
BOCCACCIO
Erbarmet Euch!
FIAMETTA
Ein Blick von mir?
BOCCACCIO
Gewährt mir gleich den holden, süssen Blick!
BEIDE
Solch ein Blick - solch ein Blick, ist so wenig und doch viel!
Sonderbar - sonderbar scheinet ihr/mir das kühne Spiel!
FIAMETTA
Ist der Wunsch - ist der Wunsch, auch bescheiden nur und klein,
Muss man doch, muss man doch, auf der Hut bei Bettlern sein.
Solch ein Wort, solch ein Blick, kündet Liebe und Glück!
BOCCACCIO
Abgetan abgetan ist's nicht mit dem Blick allein -
Doch es darf, doch es darf unverschämt kein Bettler sein!
Erbarmet Euch, gönnet mir der Liebe süsses Glück!
FIAMETTA
Und nun fort - lasst mich gehn!
BOCCACCIO
Erst vergönnt -
FIAMETTA
Was denn noch?
BOCCACCIO
Eure Hand!
FIAMETTA
Nein, oh, nein! Stets soll ein Bettler bescheiden sein!
BOCCACCIO
Lebet wohl, lebet wohl.
Wollt die Kühnheit mir verzeihn! Habet Dank!
In mein Gebet schliess' ich Euch ein!
FIAMETTA
Lebet wohl, lebet wohl! - Hübsch bescheiden müsst Ihr sein.
Ich verzeih'. Ja - ich will Euch verzeihn!
BEIDE
Lebt wohl!
Nr. 7 - Finale
ALLE
Ehrsame Bürger der Stadt o bedenkt,
Wie man behandelt uns hat und gekränkt!
Ungerecht, beispiellos und schlecht ist es - wie man verfährt,
Unsre Stimme nicht hört.
Doch Boccaccio, der so uns gekränkt und verlacht -
Dem sei nicht seine Strafe geschenkt; habet acht!
Ohne Rast, wenn wir ihn gefasst, - büss' er die Geschicht' - eher nicht!
LOTTERINGHI
Der Podestà dreht kaum sich um -
Sagt kurz: Ihr seid - zu dumm!
CHOR
Das geht über'n Spass!
LAMBERTUCCIO
Mich schaut' er an, und sagte dann:
Ihr scheint ein Grobian.
CHOR
Woher weiss er das?
LOTTERINGHI
Ihr seid ein Tropf, sagt' er mir!
CHOR
Das ist sonderbar!
LAMBERTUCCIO
Mich warf er gar aus der Tür.
CHOR
Das war deutlich klar!
LOTTERINGHI und LAMBERTUCCIO
Doch gerächt sei der Hohn!
Rebellion ist nun erste Bürgerpflicht.
Ja, wir woll'n Satisfaktion! Rebellion!
Andres Mittel gibt es nicht!
ALLE
Drum voran! In Person machen wir Rebellion! Ha!
Ehrsame Bürger der Stadt usw.
Ja in Person gebt dem Kujon, gebt ihm den Lohn!
Nur so wird uns Satisfaktion! Rebellion. Rebellion!
Heute schon in Person machet Revolution!
Alle ab, ausser Scalza
STUDENTEN
hinter der Szene
Herr Barbier! Herr Barbier! Herr Barbier!
Wie lange soll man warten hier!
TOFANO und CHICHIBIO
herauseilend, Scalza zurückhaltend
Ei, Barbiere!
Schnell die Schere, sollt uns Bart und Haare kürzen.
SCALZA
Ich muss die Regierung stürzen.
TOFANO und CHICHIBIO
Kommt herein!
SCALZA
hineinrufend
Nein, nein!
GUIDO und CISTI
Zum Rasieren, zum Frisieren, ihr gehört in die Butik'!
SCALZA
wie vorher
Jetzt ruft mich die Politik! -
TOFANO, CHICHIBIO, GUIDO und CISTI
Kommt, bedienet uns, eilet schnell!
SCALZA
Meinethalben geht zur Höll'!
BEATRICE
Hörst du, wie sie schrein! Seife sie doch ein!
LEONETTO
Meister Scalza! Wollet endlich doch beginnen!
SCALZA
Mich ruft Bürgerpflicht von hinnen.
BEATRICE
Hinein - tu' deine Pflicht!
BOCCACCIO
heraustretend
Lasst die Kunden warten nicht! -
BEATRICE
So geh - so geh - lass sie warten nicht! -
SCALZA
Kann ich rasieren ohne Licht?
BOCCACCIO, LEONETTO und die STUDENTEN
Wir warten eine Stunde, bald reisset die Geduld uns schon!
SCALZA
Ich mache hier Revolution, bin ja dabei die Hauptperson!
BEATRICE
Wart' nur, Patron, dich krieg' ich schon!
ab
BOCCACCIO, LEONETTO, STUDENTEN
Wart' nur, Patron, dir wird dein Lohn!
Wir demolieren das ganze Haus und werfen Stühl' und Bänk' hinaus!
SCALZA
Lasst doch das Drohn in solchem Ton!
Da sind sie schon! sie kommen schon!
Die Rebellion beginnet schon!
Männer schleppen Pietro herbei
CHOR
Packt ihn, den Frechen! Es werde dem Patron verdienter Lohn!
PIETRO
sich sträubend
Die Herren irren sich gewiss in der Person!
BOCCACCIO, LEONETTO, STUDENTEN
Was ist das? Welch ein Geschrei?
Ist das ein Spass? Rauferei?
LOTTERINGHI, LAMBERTUCCIO, MÄNNERCHOR
Zeit ist's zu rächen,
Was er an uns verbrach durch seinen Hohn!
PIETRO
Der Rechte bin ich nicht, versichert hab' ich's schon!
BOCCACCIO, LEONETTO, STUDENTEN
Wen bringt hier man daher?
Was wollt ihr? Was soll der?
LOTTERINGHI, LAMBERTUCCIO, MÄNNERCHOR
Wart' nur, wir lehren dich erzählen,
Dein Lohn soll dir nicht fehlen. -
Mit Püffen und Schlägen bezahlen wir dich!
PIETRO
Nein, lasst mich los, 's ist nicht für mich!
LOTTERINGHI, LAMBERTUCCIO, MÄNNERCHOR
Für deinen Spinelloccio, schau' her,
Für deine Zeppa und dergleichen mehr
Nimm dies, nimm das, empfang nur bar
Dein wohlverdientes Honorar.
Für Buffelmacco, Calandrin, Torello, Carisendi, Saladin
Empfang nun bar dein Honorar!
PIETRO
So wartet doch, und schenket mir Gehör!
Ich darf nicht akzeptieren solche Ehr'!
Höret mich, höret mich, bemüht euch nicht,
Ihr werten Herren, glaubet mir,
Es herrscht ein Missverständnis hier!
Höret mich, höret mich, es ist nicht wahr,
Im Irrtum seid ihr ganz und gar -
Ich danke für solch Honorar!
BOCCACCIO, LEONETTO, STUDENTEN
Der Fremde ist's,
Und für Boccaccio hält man ihn, nun wird uns alles klar.
O haltet ein, Boccaccio ist das nicht!
Ein Irrtum waltet hier fürwahr
Lasst ab, lasst ab, es ist nicht wahr!
FRAUENCHOR
Hierher - hier findet ihr fürwahr die ganze Heldenschar;
Ein Fremder auch sogar, der in Gefahr.
MÄNNERCHOR
Für jedes einz'ge Exemplar empfange bar dein Honorar!
SCALZA
erkennt Pietro
Haltet, Hochverräter - haltet ein!
Ich erkenn' ihn - geht nicht weiter;
War auf Reisen sein Begleiter - Pietro ist's - Palermos Prinz!
CHOR
ablassend von Pietro
Er, der Prinz - ist's wahr?
SCALZA
Durchlaucht - Hoheit!
Ensemble
PIETRO
Ein Prinz bin ich - was ist s denn mehr?
Umsonst bemüht habt ihr euch sehr
Enthüllt ist das Inkognito, noch bin ich nicht Boccaccio!
Mich amüsieren war mein Zweck;
Nun hab' ich zwar die Schläge weg -
Indes gehör'n sie gar nicht mein,
Drum muss ich gnädig wohl verzeihn!
BEATRICE, BOCCACCIO, ISABELLA, LOTTERINGHI und LEONETTO
Er ist ein Prinz, sonst gar nichts mehr, inkognito kam er hieher,
Sich amüsieren war sein Zweck,
Nun hat er zwar die Schläge weg -
Doch da dieselben nicht gehören sein,
So muss er gnädig auch verzeihn!
CHOR
Ja - er ist ein Prinz! Verzeiht!
Verzeiht, wenn unsere freche Hand
Euch hat berührt aus Missverstand.
Durchlauchtigster, geruhet gnädig zu verzeihn,
Wie hätten sonst wir können wag'n
Euch die durchlaucht'gen Rippen zu zerschlag'n,
Die Schläge sollten ja für Euch nicht sein,
Drum wollet gnädig uns verzeihn!
KOLPORTEUR
hinter der Szene
Neueste Novellen ans den besten Quellen.
'Wer kaufet, wer?
LOTTERINGHI
Boccaccio ist entronnen, doch seine Werke nicht!
Eilt, sie zu konfiszieren, dann halten wir Gericht!
CHOR
Bestrafet den Frechen, die Flamme soll rächen!
LOTTERINGHI
Auf Brüder, her mit dem Kolporteur!
CHOR
Die Bücher her, sie werden konfisziert,
Bei Gegenwehr wirst selbst du massakriert!
KOLPORTEUR
Wie, meine Herrn, mit offner Gewalt
Stör'n Sie Gewerbe, Geschäft, Unterhalt?
Hab' ja dafür meine Steuern bezahlt.
LOTTERINGHI
Schnell erbaut den Scheiterhaufen dann,
Jener Bettler zünd' den Bettel an!
CHOR
So ist's recht - so ist's gut! Den ganzen Bettel in die Glut!
BOCCACCIO
als Bettler, zündet wider Willen den Scheiterhaufen an:
Mögen sie mein Werk verbrennen -
Wahrheit lässt sich nicht verkennen,
Wird nie vergehn, muss als Phönix auferstehn!
LOTTERINGHI, LAMBERTUCCIO und SCALZA
vortretend
Was wir verdammen, das weihen wir den Flammen;
Was uns missfällt, sei vernichtet für die Welt!
Wenn lodernd in Klarheit das Feuer wallt empor,
Sein Werk der Bosheit auch alle Macht verlor!
BOCCACCIO, LEONETTO und STUDENTEN
ebenfalls vortretend
Krieg sei der Dummheit, rufen wir im Chore!
Hoch leb' die Wahrheit, heil sei dem Humore!
Was zur Vernichtung den Flammen sie weihn,
Strahlt in hellem Schein,
Leuchtend erhellt es einst noch die Welt!
Es wird aus den Flammen als Phönix erstehn.
CHOR
Schüret den Flammenschein, blast in die Glut hinein; blast hinein!
Was wir verdammen, das weihen wir den Flammen;
Was uns missfällt, sei vernichtet für die Welt!
BOCCACCIO, LEONETTO, STUDENTEN
Was sie verdammen - usw.
CHOR
Seht die Flamme, wie sie zehrt wie sie Blatt um Blatt verheert,
Blast hinein in die Flut, fachet an die Höllenglut!
BOCCACCIO, LEONETTO, STUDENTEN
Lasst sie zehren, wild verheeren
Das Papier mit Wut - in der Höllenglut,
Wird der Geist doch nie vergehn, muss als Phönix auferstehn.