1. Akt.
Halle im Wormser Konigsschloß. Altdeutsch. Rechts am Tisch: Kriemhild, Ute, Dankwart, Hagen, Giselher,Volker. In der Mitte in einem Lehnstuhl, mit einem Tuch um dem Kopf: Gunther. Links an einem Tisch: Die ubrigen Magen. Auftritte rechts und links. Allgemeiner Auftritt durch die Mitte im Hintergrund.
Die Magen
Er sieht so miesepetrig aus,
Und nicht wie sonst so munter!
Was hat er bloß? Was hat er bloß?
Der gute König Gunther!
(abwechselnd)
Vielleicht sitzt ihm der Gram im Magen!
Vielleicht ist ihm vor 14 Tagen
Bei unserm letzten Krönungsmahl
Die Drachenblutwurst nicht bekommen!
Vielleicht hat er sich übernommen!
Er überißt sich jedesmal.
Alle
Du mußt nicht so genüßlich sein,
Geliebter König Gunther!
Nimm etwas saures Natron ein,
Dann wirst Du wieder munter!
(abwechselnd)
Vielleicht sitzt ihm der Gram im Herzen,
Vielleicht hat er gar Minneschmerzen,
Das wäre allerdings fatal.
Vielleicht ist er in Lieb’ entglommen,
Vielleicht hat er ‘nen Korb bekommen!
Es wäre nicht das erste Mal.
Alle
Du mußt nicht so poussieren gehn,
Du treibst’s auch täglich bunter!
Wie heißt sie denn? Wie heißt sie denn?
Geliebter König Gunther!
Gunther
Ach Freunde, Sippen, Eltern, Magen!
Ich halt’s nicht aus, ich muß Euch’s sagen:
Sie heißt Brunhild von Isenland.
Doch ist es keineswegs was Liebes,
Im Gegenteil, ‘s ist was sehr Trübes,
Was mich mit jener Maid verband.
Ich bin durch meine Leidenschaft
In schweres Pech geraten!
Ich bin am End’ mit meiner Kraft,
Vielleicht könnt Ihr mir raten!
Magen
Er ist so hitzig von Natur,
Wir merken schon den Braten,
Erzähl’s uns nur! Erzähl’s uns nur!
Wir werden Dir schon raten!
Gunther
(begleitet sich zur Harfe):
Da wuchs in Isenlanden
Ein starkes Magedin!
Die macht mir ihrer Kraft zuschanden
Gar manchen Recken: tapfer, mutig,
Wohlhabend, aus guter Familie und kühn!
Schön war und stark Brunhilde
Und reich und wonniglich!
Und jeder Recke dachte:
Traun! Was meinen Sie,
Das wär’ so ein Partiechen für mich!
Des lachte baß Brunhilde:
„Nur den kies’ ich zum Mann,
Der mich besiegt im Zweikampf!“
Wenn jemand verrückt wird, fängt’s im Kopfe an!
Da meldeten zum Zweikampf
Die Recken sich Mann für Mann.
Auch ich als allerletzter!
Was meinen Sie, wär’ mir heute wohler,
hätt’ ich’s nicht getan!
Denn streitbar war Brunhilde,
Mit Kräften wundersam
Erschlug sie all’ die andern,
Und heut’ bekomm’ ich von ihr folgendes Telegramm:
„Zum Zweikampf, König Gunther,
Den mir Dein Wort verhieß,
Fahr’ ich gen Worms noch heute,
Erwarten Sie mich am Bahnhof
Um 4 Uhr 25 präcis.
Ich will Dich niederstrecken
Nach freilich kurzer Frist.“
Ihr wohlgemuten Recken:
Hei! Was meinen Sie, wie schlimm mir
Vor dem blödsinnigen Zweikampfe ist!
Die Magen
Du mußt nicht so romantisch sein,
Das bringt den Menschen runter,
Das kommt davon, das kommt davon,
Geliebter König Gunther!
(Alle stehen auf. Der Thronsessel wird weggetragen.)
Dankwart
Schöne Geschichten sind mir das. Wie kannst Du als sinniger Mensch Dich auf solche wilden Sachen einlassen!
Ute
Was wirst Du jetzt bloß anfangen, wenn das Fräulein heut Nachmittag wirklich kommt, um sich mit Dir zu duellieren?
Kriemhild
Wirst Du sie im Zweikampf besiegen und uns so eine Schwiegertochter ins Haus bringen?
Hagen
Oder wirst Du dich gar besiegen lassen und außer Deinem Verstand auch noch Deinen Kopf verlieren?
Gunther
Keins von beiden, liebe Magen, keins von beiden. Ich denke, ich werd’ ausreißen. Ich weiß es zwar noch nicht bestimmt, aber ich hab’ so ein gewisses Gefühl, und das täuscht mich selten.
Dankwart
Aber Gunther, Du wirst uns doch nicht die Schmach antun! Schämst Du Dich denn gar nicht ein bischen?
Gunther
Gewiß schäme ich mich, liebe Eltern, aber ich weiß genau, ich werd’ doch ausreißen.
Ute
Dann müssen wir den Zweikampf unter allen Umständen verhindern.
Gunther
Ach ja, bitte, liebe Magen, seid doch so gut. Tut mir doch den Gefallen!
Ute
Ich denke, das einfachste wäre, wir nehmen die junge Dame gar nicht an, wenn sie heut’ Mittag bei uns Besuch macht.
Gunther
Nee Mama, das geht nicht. Das wäre ungastlich. Und ungastlich sind die alten Germanen niemals gewesen. Aber wie wär’s denn, wenn wir sie vergifteten?!
Dankwart
Das wär’ eine Idee!
Gunther
Aber das geht auch nicht. Eher noch von hinten erschlagen! Hagen, das ist doch deine Spezialität!
Hagen
(ernst)
König Gunther, wenn Du befiehlst, mit Vergnügen. Du weißt, ich bin Dein Manne. Und Mannentreue über alles. Aber ich denke, im vorliegenden Falle kommen wir viel einfacher um die Geschichte rum. Ist denn Brunhilde wirklich so stark?
Gunther
Noch stärker!
Hagen
Und ist sie denn wirklich so unbesiegbar?
Gunther
Noch unbesiegbarer!
Hagen
Ist sie noch nie besiegt worden?
Gunther
Doch, besiegt ist sie schon worden.
Hagen
Von wem?
Gunther
Von Siegfried von Niederland!
Hagen
(aufhorchend)
Von Siegfried von Niederland?
Ute
(listig, Hagen anstoßend)
Von Siegfried von Niederland!
Kriemhild
(schwärmerisch)
Von Siegfried von Niederland!
Ute
Du, Hagen, sie kennt Siegfried von Niederland! – –
Hagen
(mit Blick auf Kriemhilde)
Pscht! Ruhig doch!
Ute
Du, Hagen, das ist doch derselbe.
Hagen
(unwillig)
Na natürlich ist es derselbe!
Ute
Du, das ist ja famos! Das trifft sich ja großartig!
Hagen
Du, wenn Du jetzt nicht gleich ruhig bist, bring’ ich die Partie wieder auseinander! Ich bin der grimme Hagen!
Ute
Kriemhildchen, erzähl’ uns doch, woher kennst Du denn den Herrn Siegfried von Niederland?
Kriemhild
Ach, nur aus dem Traum, liebe Mutter!
Ute
(zu Hagen)
Aus dem Traume kennt sie ihn! Ich hab’ aber immer gesagt: Träume sind keine Schäume!
Kriemhild
(singt)
Einst träumte Kriemhilden
An wonnigem Tag:
Sie läge auf Blüten
Im sonnigen Haag.
Da trat aus dem Walde,
Aus Büschen belaubt
Die Göttin der Minne
Und küßte sie auf’s Haupt.
Ute
Gott, wie poetisch
Ist unser Kind!
Dankwart
Gott, wie prophetisch
Träume oft sind.
Ute
Und ich sage nicht ja
Dankwart
Und ich sage nicht nein.
Hagen
Und was noch nicht ist,
Na, das kann ja noch sein.
Kriemhild
Da nahte ein Ritter
Mit prächtigem Troß,
Er ritt zu Kriemhilden
Und schwang sich vom Roß.
Er beugte in’s Knie sich
Und sagte galant:
„Mein Name ist Siegfried
Von Niederland!“
[Ute
Gott, wie poetisch
Ist unser Kind!
Dankwart
Gott, wie prophetisch
Träume oft sind.
Ute
Und ich sage nicht nein
Dankwart
Und ich sage nicht ja.
Hagen
Und wenn er halt kommt,
Na dann ist er halt da!]
Kriemhild
Mir schwanden die Sinne,
Der Ritter, er naht,
Er tat, was Frau Minne
Im ersten Vers tat:
„Du Holde, du Traute,
O bleibe mir nah’,
Ich spreche noch heute
Mit Deiner Mama!“
Ute
Gott, wie poetisch
Ist unser Kind!
Dankwart
Gott, wie prophetisch
Oft Träume sind.
Ute
Und man weiß oft nicht, wie,
Dankwart
Und man weiß oft nicht, wann!
Hagen
Und in jedem Fall
Zieh’ Dich anständig an!
(Tanz. Die Musik bricht plötzlich ab.)
(Man hört draußen Siegfrieds Horn. Der Reisige bringt eine Karte auf einem Tablett. Alle stecken die Köpfe zusammen.)
Der Reisige
Der Herr läßt fragen, ob die Herrschaften zu Hause sind!
Ute
(liest)
Siegfried von Niederland.
Ute
(singt)
Gott, wie poetisch
Ist unser Kind!
Dankwart
Gott, wie prophetisch
Oft Träume sind!
Ute
Und das Herz spricht bald leise
Dankwart
Und bald spricht es laut!
Hagen
Und wenn alles gut geht,
Bist Du heute noch Braut!
(Sie tanzen. Kriemhild ab rechts.)
Siegfried
(erscheint mit zwei zusammengebundenen Drachen (Dackeln als Drachen angezogen) an der Leine).
Die Magen
Ah, sieh da, Herr Siegfried von Niederland!
Siegfried
(küßt Ute die Hand)
Gnädige Frau, meinen verbindlichsten Dank für Ihre liebenswürdige Aufforderung
(stellt sich den anderen vor)
von Siegfried.
Dankwart
von Dankwart.
Gunther
von Gunther.
Hagen
von Hagen von Tronje.
Volker
von Volker.
Giselher
von Giselher.
Siegfried
Angenehm!
Dankwart
Sagen Sie mal, Herr Siegfried, sind Sie nicht ein Sohn vom alten Herrn Siegmund aus Niflheim?
Ute
ist Ihre Frau Mutter nicht eine geborene Siegelinde?
Gunther
Haben Sie nicht die Königin Brunhilde im Zweikampf besiegt?
Hagen
Sind Sie nicht der Herr, der den Drachen Fafnir getötet hat?
Volker
Und den Riesen Schildung?
Giselher
Und den Schmied Mimer?
Siegfried
Einen Augenblick, meine Herrschaften. Ich werde Ihnen sofort über meinen Lebenslauf Auskunft geben.
(Singt)
Ich bracht’s auf dem Gymnasium
Mit Not bis Obertertia,
Denn das verdammte Studium
Macht keinem Recken Scherz ja!
Mein Vater sprach gerührt zu mir:
Hier hast Du Deine Waffen,
Du bist der rechte Mann, um Dir
‘Ne Existenz zu schaffen!
Du bist ein Kavalier,
Hast Chic und stolzen Namen,
Und wer dies beides hat,
Der hat auch Glück bei Damen.
Und hat er dieses nicht,
So hat er Glück im Spiele.
Im heil’gen deutschen Reich
Ernähr’n sich davon viele.
So war’s bei den Germanen
Seit Alters Brauch,
So taten’s unsere Ahnen
Und wir tun’s auch!
[Zuerst ging ich als Volontär
Zu Mimern in die Lehre,
Ich tat nicht weniger dort noch mehr
Als alle Volontäre.
Schmied Mimer sprach: Ich wäre faul,
Und sagt: Ich sollte schmieden –
Was ich drauf tat, das ist bekannt –
Gott geb’ ihm seinen Frieden!
Ich bin ein Kavalier
Und habe das nicht nötig.
Befehl’n lass’ ich mir nischt,
Und wer das tut, den töt’ ich.
Ich tat nur meine Pflicht
An dem Plebejerköter.
Und wer mir widerspricht,
Den schlag’ ich noch viel töter!
So war’s etc.]
Mir ward zu Teil manch’ großer Schatz
Nach mancher Drachenhetze.
Doch stets zerrann der große Schatz
In viele kleine Schätze.
Mein Geld ging flöten Stück für Stück,
Doch tat ich’s ruhig tragen,
Sich ruinieren, das ist chic,
Doch unchic drob, zu klagen.
Ich bin ein Kavalier
Und habe Ideale.
Und sind die Zinsen futsch,
Leb’ ich vom Kapitale.
Und ist das Kapital
Perdü, dann mach ich pleite,
Und wenn ich pleite bin,
Dann geh’ ich auf die Freite!
So war’s etc.
Ute
Ach, das ist ja ein famoses Leben, das Sie da führen, Herr Siegfried, das müssen Sie uns noch ein bischen näher erzählen. Sind Sie eigentlich schon lange Drachentöter?
(Alle setzen sich.)
Siegfried
Na so beiläufig seit 10 Jahren, gnädige Frau, das heißt kaufmännisch betreib’ ich’s erst seit fünfen.
Hagen
Sagen Sie mal, wie ist denn eigentlich das Geschäft?
Siegfried
Na kolossal einfach! Man tötet die Drachen und dann nimmt man ihnen den Schatz weg, den sie bewachen. Uebrigens töte ich nicht bloß Drachen, sondern auch Riesen, Zwerge und ausländische Kaufleute, vorausgesetzt, daß sie sich in guten Vermögensverhältnissen befinden.
Gunther
Sie, das muß doch kolossal einträglich sein.
Siegfried
Is nich so schlimm, meine Herrschaften, is nich so schlimm. Man hat zu viele Ausfälle. Da ist mir’s z.B. neulich recht eklig gegangen mit dem Drachen Spuckefeuer. Also der Drache Spuckefeuer, hör’ ich, ist ein hochchiker Drache. Frißt täglich 3 bis 4 Wanderer, raubt sich alle Monate ‘ne neue Jungfrau und bewohnt einen ganzen Felsen für sich, in der besten Lage von der sächsischen Schweiz. Also ich hin, wie nicht recht gescheut. Die Nacht durch bin ich gefahren, damit mir die Konkurrenz nicht zuvorkommt. Stürzt doch das Vieh auf mich los und brüllt und hat sich und verbreitet einen Geruch um sich, als ob er mindestens ein zehnfacher Millionär wäre. Drei Tag’ habe ich mit ihm gekämpft, von früh um 8 Uhr bis abends um 8 Uhr, mit 2 Stunden Mittagspause. Und wie ich ihn endlich gefällt hab’ und nach dem Schatz seh’ – auf was sitzt der Kerl? – Auf einem alten verbogenen Teelöffel und einem ausgelosten Pfandbrief! Na so was ärgert einen doch. – So arm ist der Kerl gewesen, daß mir die Ortsgemeinde noch aufgegeben hat, seine Kinder zu erhalten.
(Zeigt auf die kleinen Drachen.)
Da! Titzel und Tatzel, seine beiden Sprößlinge! Na so was kann einen auch ärgern. Titzel! Feuer!
(steckt sich an dem Feuer, das Titzel aus der Nase speit (elektrische Glühnase), die Cigarette an).
(Sie stehen auf und gehen nach der Mitte zu.)
Ute
Entschuldigen Sie eine Frage, Herr Siegfried! Macht Ihnen denn das ewige Umherstreifen immer noch Vergnügen?
Hagen
Sehnen Sie sich nicht endlich nach einer festen Existenz, nach einem gesicherten Hausstand?
Siegfried
Aber gewiß, gnädige Frau! Ist ja mein Herzenswunsch! Aber deshalb auch hocherfreut, als Herr v. Hagen – A propos, wie geht’s denn Ihrem Fräulein Tochter?
Ute
Danke, bestens, aber um von etwas anderem zu sprechen, sind Sie nicht der Besitzer des Nibelungenhorts?
Siegfried
Jawohl, gnädige Frau!
Ute
Und wie hoch belief sich doch das Kapital?
Siegfried
Auf zirka 5 ½ Millionen.
Ute
Und ist es wirklich wahr, daß Sie das schöne Geld in den Rhein geworfen haben, wie die Sage geht, und daß es dort unten auf einer Sandbank liegt?
Siegfried
Aber, gnädige Frau, wie können Sie bloß so etwas von mir denken! Das ist natürlich nur ein Bardenwitz! Das Geld liegt nicht auf einer Sandbank des Rheins, sondern auf der rheinischen Bank. Aber, wie’s die Barden singen, macht sich’s natürlich besser. ‘s ist mir auch hauptsächlich wegen der Nachwelt:
(singt)
Einst hatte ich Geld und Gut,
Jetzt liegt`s in des Rheines Flut,
Verborgen am sicheren Platz
Liegt am Grunde der goldene Schatz.
Und wenn abends der Spätsonnenschein
Auf dem Rhein
Funkelnd ruht,
Glänzt und gleißt es in der Flut.
Was da flimmert,
Was da schimmert,
Was da goldig wogt und rollt,
Das ist Rheingold,
Das ist mein Gold,
Das ist Nibelungengold.
Die Magen
Es liegt auf der Bank
Im Depot, im Depot.
Es liegt auf der Bank,
Im Depot, im Depot.
Es liegt auf der rheinischen Bank im Depot,
Und nicht zwischen Röhricht und Binsen.
Die rheinische Bank ist so sicher wie Gold,
Die rheinische Bank ist so sicher wie Gold,
Und zahlt mindestens 6 %,
Mindestens 6 %, 6% Zinsen pro Jahr.
(Tanz.)
[Siegfried
Und was in den Strom ich versenkt,
Hat der Strom mir wiedergeschenkt.
Benetzt von der goldenen Flut
Glüht golden der Reben Blut.
Ringsum am Rhein aller Wein
Der ist mein!
Den Tribut
Zahlt der Rhein in Rebenblut.
Was da schäumet,
Was sich bäumet,
Was im Becher perlt und tollt,
Das ist Rheingold,
Das ist mein Gold,
Das ist Nibelungengold.
Die Magen
Er betreibt eine Schaumfabrik,
Ja Fabrik,
Er betreibt eine Schaumweinfabrik,
Ja Fabrik.
Fürwahr, sein scharfer, geschäftlicher Blick
Ist wert, daß man ihn bewundert.
Was die rheinische Bank emittiert,
Ist bar Geld.
Was die rheinische Bank emittiert,
Ist bar Geld.
Die Aktien stehen weit über,
Kolossal weit über,
Weit über 100 im Kurs.]
Siegfried
(holt sich Ute und singt diesen Vers zu ihr)
Zwar besitz’ ich die Schätze des Rheins,
Doch fehlt mir zum Glücke noch eins.
Es blühet am goldenen Rhein
Blondlockig ein Mägdelein.
Ihr Haar schimmert goldig und hold.
Alles Gold
Tief im Rhein
Tauscht’ ich gern Euch dafür ein.
Was in Flocken
Gold’ner Locken
Ihr um Haupt und Schultern rollt,
Das sei mein Gold
Für das Rheingold,
Für das Nibelungengold.
[Die Magen
Er ist in der Tat sehr galant, sehr galant,
Er ist in der Tat sehr galant, sehr galant,
Er wirbt so höflich um Kriemhilds Hand
Und hat 5 bare Milliönchen,
Ich glaube, man könnte zufrieden sein,
Ich glaube, man könnte zufrieden sein
Mit so ‘nem vermögenden
So ‘nem vermögenden Mordsschwiegersöhnchen in spe.]
Ute
Herr Siegfried, Sie sind ein Poet! Glauben Sie an die Liebe auf den ersten Blick?
Siegfried
Selbstverständlich, gnädige Frau!
Ute
Ach, Giselher, sieh doch mal nach, ob Kriemhildchen noch nicht mit der Toilette fertig ist; ah, da ist sie ja schon.
(Kriemhild erscheint von rechts.)
Ute
(vorstellend)
Herr von Siegfried! Meine Tochter!
Hagen
(geht zur Rampe vor, zum Publikum)
Ich bin der grimme Hagen! Jetzt kommt eine altdeutsche Liebesscene!
(Das folgende Duett und Ensemble teils im Stile der großen Oper, teils im modernen Salonstil, zum Schluß der Scene mit grandioser Aufsteigerung. Vorn sich gegenüber stehend Siegfried und Kriemhild. Im Hintergrunde im Halbkreis der Chor der Magen.)
Siegfried
Hei, gnäd’ges Fräulein,
Habe die Ehre!
Kriemhild
Heia, Herr Siegfried,
Aeußerst erfreut!
Siegfried
Hatte doch sicher
Schon das Vergnügen
Werter Bekanntschaft?
Kriemhild
Ja, aber wo?
Siegfried
Gnädiges Fräulein
Verkehren vielleicht bei
Roland, dem Riesen,
Oder bei Dietrich von Bern?!
Die Magen
(mit gleichmäßigen, marionettenhaften Bewegungen die Freude der Verwandten über die bevorstehende Verlobung ausdrückend. Geheimnisvoll-listig)
Traun, wie die Trauten
Traulich da plaudern!
Hüpfend und heiter
Springt das Gespräch!
Siegfried
(Salonton, Ballgespräch parodierend.)
Hei, gnäd’ges Fräulein
Haben doch sicher
Diese Saison schon
Viel mitgemacht?
Kriemhild
(Salonton, Ballgespräch parodierend.)
Heia, Herr Siegfried,
Ich war diesen Winter
Fast jeden Abend
Zweimal eingeladen.
Aber ich ich geh’ nur
Einen Tag um den andern,
Zweimal hinter einander
Verbietet’s Mama!
Siegfried
Da handelt Frau Ute
Äußerst vernünftig!
Die vielen Gesellschaften
Schaden dem Teint!
Die Magen
(wie oben)
Schau, wie die Schelme
Schäkern und scherzen!
Wild vor Erwartung
Hüpft mir das Herz!
Siegfried
(lyrisch)
Gnädiges Fräulein,
Stimmt Sie der Maimond
Auch so poetisch
Und so zur Minne
Mächtig wie mich?
Kriemhild
Offen gestanden,
Stimmt mich der Maimond
Aeußerst poetisch
Mehrt mir die Minne,
Süßer Herr Siegfried,
Aber die andern
Monate auch!
Die Magen
(schleichen sich nach vorn, das Paar dicht umgebend)
Lausch, wie der Lose
Listig das Wort lenkt!
Schlau ist der Schlankel,
Schau doch, der Schalk!
Siegfried
Gnädiges Fräulein,
Einfach entzückend!
Kriemhild
Schlimmer, Sie schmeicheln!
Siegfried
Keine Idee!
Kriemhild
Sie auch, Herr Siegfried,
Sind mir sympathisch.
Siegfried
Chikes Geschöpfchen!
Kriemhild
Schneidiger Schneck!
Die Magen
(höchster Jubel)
Lodernde Liebe
Liegt in den Lüften!
Mächtige Minne
Saust durch den Saal!
Kriemhild
Sehnende Sehnsucht!
Siegfried
Reichliche Rente!
Kriemhild
Mächtige Mitgift!
Siegfried
Brüllende Brunst!
Kriemhild
Heia, Geliebter,
Zähme die Gluten!
Siegfried
Etepetete?
Nicht in die Hand!
Kriemhild
Hüpfendes Herz!
Siegfried
Brausende Brust!
Kriemhild
Voll und ganz!
Siegfried
Jederzeit!
Kriemhild
Unentwegt!
Siegfried
Lieb’ ich Dich!
Kriemhild
(deutlich sprechen, zeigende Gesten)
Du mich!
Siegfried
Ich Dich!
Ute
Er sie!
Dankwart
Sie ihn!
Hagen
Ihr Euch!
Siegfried und Kriemhilde
Wir uns!
Alle Magen
Sie sich!
All Heil!
Hurrah!
(Gruppe um das Paar.)
Hagen
(dirigiert das Ganze wie ein Kapellmeister).
(zu den Magen)
Schluß!
(zum Paare)
Kuß!
(zum Orchester)
Tusch!
(zu dem großen Chore, der hier durch die Mittelthür hereindringt)
Los!
Der große Chor (Volk)
Hoch soll’n sie leben!
Hoch soll’n sie leben!!
Dreimal Hoch!!!
(Gruppe.)
(Unmittelbar nach dem 3. Hoch verschwindet der große Chor (das Volk) mit derselben militärischen Exaktheit, mit der er gekommen, nachdem er zuvor sämtliche Möbel von der Bühne geräumt hat. Alles total erschöpft, wischt sich den Schweiß von der Stirn. Siegfried und Kriemhild umschlungen dito.)
(Es klingelt, das Mädchen (die Reisige) erscheint mit einer Visitenkarte auf der Schale.)
Dankwart
Wir sind für Niemanden zu Hause!
(Die Karte wandert von Hand zu Hand. Alle sehen sich betroffen an und lesen:)
Brunhilde von Isenland!
Gunther
A–a–a–ah!
(läuft wimmernd in eine Ecke. Hagen bringt ihn zurück.)
Das Mädchen
Die junge Dame läßt fragen, ob der Herr Gunther zum Zweikampf fertig wäre. Sie ist sehr pressiert, sie hat heute Nachmittag noch 2 andere Duelle.
(ab)
Siegfried
Schwägerchen, Du willst Dich schlagen!
Gunther
Ich mich? nee, das wird sie schon besorgen! Jetzt reiß’ ich aus!
(Er läuft wieder weg. Hagen bringt ihn zurück wie oben.)
Dankwart
Aber Junge, Du wirst uns doch nicht die Schande antun!
Gunther
Au, au! Laßt mich los, ich muß weg.
Siegfried
Schwägerchen, was gibst Du mir, wenn ich Dich aus der Affäre ziehe?
Gunther
Ein Schloß! ‘Ne Provinz! Mein halbes Königreich!
Siegfried
Na dann paß auf! Was ist das?
(Er zieht aus einem Pompadour ein weißes Mützchen hervor.)
Gunther
Eine Tarnkappe!
Siegfried
Und was macht man damit?
Gunther
Sich unsichtbar!
Siegfried
Und wenn jetzt Brunhilde kommt –
Gunther
Dann mach’ ich mich unsichtbar und reiß aus!
Siegfried
Nein, dann mach’ ich mich unsichtbar und Du bleibst hier und kämpfst mit Brunhilde.
Gunther
Nein, nein, ich hab’ Angst.
Siegfried
Aber ich sag’ Dir, Du brauchst gar keine Angst zu haben. Den Kampf führst nicht Du, sondern ich, und zwar unsichtbar – und Du machst bloß die Bewegungen dazu!
Gunther
Au ja! Das wird fein! Der wollen wir’s aber mal geben!
Siegfried
Kannst du ein mutiges Gesicht machen?
Gunther
Wie ein Löwe!
(schneidet eine blöde Grimasse)
Siegfried
Na dann ist alles in Ordnung! Du packst sie an und ich ring’ mit ihr! Du hebst den Arm und ich werf’ sie zu Boden! Du breitest die Arme aus und ich gebe Brunhilde einen feurigen bräutlichen Kuß!
Gunther
Nee, nee, nee, das kann ich allein!
Siegfried
Na, wir wollen’s wenigstens hoffen!
Also ich geh’ jetzt noch ein bischen Toilette für den Zweikampf machen. In 2 Minuten bin ich wieder da. Und wenn ich dreimal in die Hände klatsche, dann stehe ich Dir unsichtbar zur Seite! Dann kann die Sache losgehen, aber eher nicht! Also paß auf
(klatscht 3 mal in die Hände)
Das ist das Zeichen! Und vergiß nicht die Sache mit dem halben Königreich!
(ab.)
Ute
‘S ist doch ein anständiger Kerl, der Siegfried!
Gunther
Jetzt mach’ ich mir Muskeln.
(Stopft sich seine Manschetten unter die Rockärmel.)
Fein? Was?
Das Mädchen
Die junge Dame draußen läßt sich nicht abweisen. Sie sagt, das wäre eine Schweinewirtschaft hier!
Ute
Sie muß noch einen Augenblick warten.
Das Mädchen
Unmöglich! Sie hat schon die große japanische Vase im Korridor zerschlagen und unsere 3 Diener geohrfeigt!
Gunther
Sie soll nur kommen – Au! Ich fürchte mich doch!
(Man hört Poltern und Schimpfen hinter der Bühne. Brunhilde von links mit ihren Amazonen. Gunther kriecht in eine Ecke und verbirgt sich hinter den Magen, aber so, daß man ihn noch sieht. Volk drängt in einiger Entfernung Brunhilde nach und verteilt sich. Links in der Ecke Gunther mit den Magen. Rechts Brunhilde mit den Amazonen. Im Hintergrunde Volk)
Brunhilde
Kreuzmillionen Donnerwetter!
Himmel – Herrgott – Sakrament!
Ist des hier die Hundebude,
Die der Hof zu Worms sich nennt⁈
Ist der Knirps dort König Gunther,
Der um meine Hand gefreit?
Himmel, Bomben und Granate
Jungeken, Du tust mir leid!
:,: Ich bin Brunhild
Von Isenland,
Mein Wahlspruch, der
Ist weltbekannt:
Nichts Schön’res gibt’s,
Als wenn die Braut
Den eignen Bräutigam verhaut! :,:
(Chor repetiert.)
Die Magen
Gunther, Gunther!
Sieh’ nicht so dämlich aus!
Reiß’ die Familie raus!
Tu doch den Mund auf! Schrei’
Wenigstens: Ha!
Gunther
Nein, Mama! Nein, Papa!
Siegfried ist noch nicht da!
Solang er mir nicht nah,
Schrei’ ich nicht: Ha!
Brunhilde
Komm hervor, du tapferer Recke.
Dem mein Herz in Liebe loht,
Komm’ hervor aus dem Verstecke!
Himmel – Hagel – Schwerenot!
Komm an meinen zarten Busen,
Wenn Du so voll Liebe bist,
Dir vergeht in meinen Armen
Jedes bräutliche Gelüst!
:,: Ich bin Brunhild
Von Isenland,
Mein Wahlspruch, der
Ist weltbekannt:
Nicht’s Schöneres gibt’s,
Als wenn die Braut
Den eigenen Bräutigam verhaut.
(Chor repetiert)
Die Magen
Gunther! Gunther!
Sieh’ nicht so dämlich aus,
Gunther! Gunther!
Reiß’ die Familie raus!
Tu’ doch den Mund auf!
Schrei’ wenigstens: Ha!
(Musik bricht ab. Man hört dreimaliges Händeklatschen links).
Gunther
Ja, Mama! Ja, Papa!
Jetzt ist mir Siegfried nah’,
Jetzt ist mein Siegfried da,
Jetzt schrei’ ich: Ha!
Ha! Ha! Ha! Ha!
(Geht grandios auf Brunhilde zu.)
Bin ich nicht der König Gunther?
Magen
Ja, er ist der König Gunther.
Gunther
Bin der König von Burgund?
Magen
Ja, er ist der König von Burgund!
Gunther
Und ich hau’ Dir eine runter,
Magen
Und er haut Dir eine runter,
Gunther
Hältst Du nicht sofort den Mund!
Magen
Hält sie nicht sofort den Mund!
Gunther
Ich bin schon sonst
Unglaublich stark,
Doch heute ist’s ganz
Besonders arg!
Ich bin so stark
Und so voll Mut,
Siegfried, halt mich fest,
Sonst schlag’ ich alles kaput!
Chor
Er ist schon sonst
Unglaublich stark,
(Brunhilde lacht höhnisch.)
Doch heut ist’s ganz
Besonders arg.
(Brunhilde lacht höhnisch.)
Seht nur die Kraft,
Die Energie,
So mutig war
Der Fürst noch nie.
(Brunhilde verhöhnt Gunther.)
Gunther
Du, ich rate Dir im Guten:
Laß den unverschämten Ton!
Brunhilde
Wenn ich Dich bloß feste ankuck’,
Liegst Du auf der Nase schon.
Gunther
Ist denn schon ein Arzt zur Stelle,
Der Dich nach dem Zweikampf pflegt?
(Gelächter links bei den Magen)
Brunhilde
Hast Du schon ein Kindermädchen,
Das Dich nachher trocken legt?
(Gelächter rech bei den Amazonen.)
Gunther
Ich bin vor Wut
Ganz toll und voll!
Brunhilde
(wütend)
Ich weiß nicht, was
Ich sagen soll!
Gunther
Sieh’ diesen Arm!
Brunhilde
Sieh’ diesen Speer!
Gunther
Du dauerst mich!
Brunhilde
Und Du noch mehr!
Gunther
Ich halt’s nicht aus!
Brunhilde
Mir wird’s zu dumm!
Gunther
Ich stech’ Dich tot!
Brunhilde
Ich pust’ Dich um!
Gunther
Du Gernegroß!
Brunhilde
Du Dreierlicht!
Gunther
Du Gans!
Brunhilde
Du Kalb!
Gunther
Du Knirps!
Brunhilde
Du Wicht!
Beide
Vor Kampfmut brüllend steh’ ich da!
(Hier gehen beide mit gleichmäßigen Armbewegungen aufeinander zu.)
Ich sage weiter nichts als:
Ha!
Ha! Ha! Ha! Ha!
Und nochmals Ha!!!
Hagen
(läutet mit einer großen Handglocke ab)
Silentium! Für einen Ringkampf zwischen König Gunther und Fräulein Brunhilde von Isenland! Wer zuerst mit beiden Schultern die Erde berührt, ist besiegt! Zeitdauer: 35 Minuten, resp. bis zur Verlobung. Totalisatorwetten können bei mir und bei König Dankwart angemeldet werden! Ansichtspostkarten im Bureau! Ich bitte das verehrte Publikum, die Kämpfer nicht durch Zwischenrufe zu beeinflussen! Teppich vor! Der Kampf beginnt!
(Er pfeift auf einer kleinen Unparteiischen-Pfeife. Die Musik beginnt. Zwei Diener breiten einen Teppich aus. Gunther tritt auf das Kolophonium, Brunhilde stößt ihn weg und tut dasselbe. Beide reichen sich die Hand, Gunther fliegt dabei auf die andere Seite in die Arme seiner Freunde.)
(Scherzhafter Ringkampf. Brunhilde wirft Gunther auf den Bauch.)
(Brunhilde verneigt sich. Tisch. Hagen pfeift ab.)
Hagen
Der erste Gang ist unentschieden! König Gunther liegt ja auf dem Bauch und hat mit den Schultern die Erde noch nicht berührt!
Brunhilde
Das werden wir gleich haben.
Gunther
Abwarten! Jetzt komm’ ich.
(Zur Seite)
Siegfried, bist Du da?
Siegfrieds Stimme
Ja!
Gunther
Na, dann paß auf! Jetzt blas’ ich sie um!
(Bläst aus der Entfernung )
Ffffttt!
(Brunhilde fällt um.)
Magen und Volk
Heil, Gunther, Heil!
(gesungen).
Brunhilde
Halt, Herr Unparteiischer, ich lege Prosit ein:
Hagen
Ach Unsinn, halten Sie das Finale nicht auf. Wir schließen den Akt zu Ehren des Königlichen Bräutigams mit der altburgundischen Volkshymne.
(Das Folgende als Fuge von allen gesungen. Hagen dirigiert. Gunther stolziert, von Dankwart geführt, in der Runde. Brunhilde protestiert bei den verschiedenen Gruppen, die ihr jedesmal den musikalischen Einsatz: „Recken von Alt-Burgund“ ins Gesicht hineinsingen, sodaß sie zurücktaumelt. Sie sinkt zuletzt bei den Amazonen verzweifelt nieder. Vier Mann bringen einen großen Schild, auf dem eine Lanze zum Festhalten steckt. Drei Mann bilden eine menschliche Treppe. Einer liegt, einer kniet, einer beugt sich. Auf dieser kriecht Gunther ängstlich und ausrutschend und von Dankwart unterstützt, auf den Schild, wo er sich an der Lanze emporkrallt. Dann nimmt er eine grandiose Posen an.)
Alle
Recken von Alt-Burgund,
Tuet mit lautem Mund
Jeglichen Vorzug kund
Unseres Herrn!
Kommet von fern und nah,
Stehet voll Ehrfurcht da,
Rufet: Hurra! Hurra!
Er hört es gern!
Schluß des ersten Aktes.