2. Akt.
(Vorhalle im Burgundischen Königsschloß. Rechts hinten führt eine Estrade zum Speisesaal empor, von dem ein Teil sichtbar ist. Dort gewahrt man noch schmausende und zechende Gäste. Diese Estrade ist durch einen Vorhang abschließbar. Von da allgemeiner Auftritt. Rechts hinten ein Fenster nach dem Hofe zu. Rechts führt eine Thür in Kriemhildens und Siegfrieds Schlafgemach, links sind 2 Thüren, von denen die vordere in Brunhilden’s Schlafgemach führt. Links ein Tisch, rechts eine Ruhebank.)
(Es ist die Zeit nach dem Hochzeitsmahl. Alle Magen, Unterstützungsmagen und Chor in toller Zechstimmung auf der Bühne gruppiert. Auf der Estrade wird auf Tischen und Stühlen getanzt. Links um den Tisch Brunhilde, Gunther und die übrigen Magen. Auf der Ruhebank Siegfried und Kriemhild. Alles stark angeheitert. Die Stimmung steigert sich zuletzt zu einer Sauf- und Raufscene.)
Volker und Dankwart
Ach, was war das ‘ne schöne Hochzeit!
S’ war, weiß Gott, ‘ne reine Pracht!
So ‘ne wunderschöne Hochzeit
Hab’ ich noch nicht mitgemacht.
Ute
25 Faß Tokaier
Dankwart
Trank man aus im ersten Feuer!
Giselher
Hagen aß ein ganzes Schwein
Und ‘ne Blutwurst hinterdrein!
Hagen
Gernot selbst, der sonst so schüchtern,
Siegfried
War heut gar nicht auszunüchtern,
Gunther
Nebenan im Kabinet
Alle
Liegt er schwerbezecht im Bett!
Ach, war das ‘ne schöne Hochzeit,
Selbst der Bräut’gam hat ‘nen Schwips,
Seiner königlichen Hoheit
Sitzt verteufelt schief der Schlips!
Ute
Die Verwandten beider Bräute,
Dankwart
Alles angeseh’ne Leute,
Kriemhild
Lieferten sich eine Schlacht!
Brunhilde
Weil so was Vergnügen macht.
Hagen
Ja, sogar die edlen Frauen,
Siegfried
Ute selbst hat mitgehauen,
Gunther
Brach sich ab ein Stuhlbein blos
Alle
Und dann ging der Jubel los!
Ach war das ‘ne schöne Hochzeit
Nichts als Keilerei und Tanz.
Vierzig Löffel sind zerbrochen
Sechsunddreißig fehlen ganz.
(Wilder Cancan mit aller Art von Vandalismus, Zerbrechen von Gläsern, Keilerei etc.)
Alle
Das ist der furor Teutonicus,
Von ihm berichtet schon Tacitus,
Kein Tisch bleibt ganz, kein Stuhl, kein Spind,
Wenn Nibelungen gemütlich sind!
Jetzt laßt uns lustig sein,
Schlagt alles kurz und klein,
Was sich noch irgend zertrümmern läßt!
Schmeißt das Porz’llan zu Hauf',
Tretet mit Füßen drauf,
Das bringt erst Stimmung in unser Fest!
Wer nicht mit brüllt und schreit,
Der hat kein Schneid, kein Schneid!
Schlagt ihn zu Boden im heitern Chor!
Haut ihm ein Auge aus,
Steckt ihm in Brand das Haus!
Hoch leb’ der Frohsinn, hoch der Humor!
Das ist der furor Teutonicus etc.
(Der ganze Chor im Prügelcancan ab mit Siegfried, Gunther und Brunhild; auf der Bühne bleiben Kriemhild, Hagen, Dankwart, Ute.)
Hagen
(zu Ute, auf das zerbrochene Geschirr deutend)
Sieh’ nur, wie gut sich unsere Gäste amüsiert haben!
Ute
Ja, es war aber auch ein herrliches Fest! Der Materialschaden beträgt mindestens 1500 Mark.
Dankwart
(zum Fenster hinuntersehend)
Und im Hofe setzen die Schelme ihre Lustbarkeit fort.
(Alle scharen sich um das Fenster.)
Es ist eine wahre Massenschlacht!
Kriemhild
Und Siegfried, mein trauter Friedel, ist einer der ersten im Gefecht! Seht nur! Mit der rechten Hand hat er Luedeger und Luedegast am Schopfe gefaßt und mit der linken schwingt er ein Pianino! Er ist ein Held!
Hagen
(im Vordergrunde zu Kriemhild, die andern hinten beim Fenster)
Kunststück! Wenn ich unverwundbar wäre, würd’ ich noch ganz anders zuhauen!
Kriemhild
(erstaunt zu Hagen)
Siegfried ist unverwundbar?
Hagen
Das weißt du nicht? Na, das ist doch weltbekannt. Sonst wär’ er doch nicht so frech!
Kriemhild
Aber das find’ ich ja reizend, das find’ ich ja einfach süß! Ach Gott, ist das interessant! Onkel Hagen, das mußt Du mir erzählen!
Hagen
Ja, liebes Kind, ich weiß auch bloß, daß er sich in Drachenblut gebadet hat und dadurch unverwundbar geworden ist, absolut unverwundbar bis auf eine Stelle.
Kriemhild
(neugierig)
Na – und?
Hagen
Ja, wo er verwundbar ist, das kann ich Dir beim besten Willen nicht sagen. Das weiß außer ihm kein Mensch. Das sagt er ja nicht der Schubiak!
Aber Du bist ja jetzt seine Frau, Dir müßt’ er’s doch eigentlich sagen. Hör’ mal, Kriemhild, Dir muß es doch überhaupt ein Leichtes sein, die Stelle ausfindig zu machen, wo er verwundbar ist. Du steckst Dich einfach hinter Siegfried und quälst ihn und schmeichelst und schmollst und läßt nicht eher locker, bis Du sie hast, verstehst Du! Und wenn Du sie hast, dann nähst du ihm ein Zeichen auf’s Gewand, damit ich weiß, wo die Stelle ist, verstehst Du! Den Gefallen kannst du doch Deinem alten Onkel wirklich tun?
Kriemhild
Ja aber, Onkel Hagen, warum interessierst Du Dich denn gerade so dafür?
Hagen
(aufgeregt)
Ach, ich meine nur so. Ich bin doch jetzt sein Onkel. Und dann, siehst Du, Kriemhild, es gibt doch so schlechte Menschen. Nu ist doch Siegfried so reich! Und wenn ihn da ‘mal einer ermorden will und er trifft gerade die Stelle. Oder im Kriege, wo sie doch da ‘mal einer ermorden will und er trifft gerade die Stelle. Oder im Kriege, wo sie doch überall hinhauen, ohne zu schauen. Wenn ich nun die Stelle wüßte, könnt’ ich ihn doch schützen! Verstehst Du? Und dann ist’s immer gut, wenn die Frau den Mann ‘n bischen in der Gewalt hat!
(Kriemhild geht sinnend zur Seite.)
Giselher
(der zugehört hat)
Onkel Hagen, Du bist ein Schubiak!
Hagen
Pscht! Ruhig! Da kommt er!
Siegfried
(kommt strahlend auf die Bühne, zu Ute)
Mama, ich hab’sie alle rausgeschmissen!
Ute
Ja, Siegfried, Du bist ein lieber Kerl! Aber jetzt ‘s Zeit, daß wir alle schlafen gehen. Morgen ist auch ein Tag!
Die Magen
Gut’ Nacht, liebe Kinder!
Hagen
Gut’ Nacht, Kriemhildchen! Und vergiß nicht, Du weißt schon-
Kriemhild
Nein, Onkel Hagen, ich hab' mir’s überlegt. Wenn Siegfried mir’s nicht selbst sagt, ich werde ihn nie fragen!
Der Gästechor
(unsichtbar von unten)
Das ist der furor Teutonicus,
Von ihm berichtet schon Tacitus,
Kein Tisch bleibt ganz, kein Stuhl, kein Spind,
So oft Germanen gemütlich sind!
(Alle bis auf das Paar ab. Über der Estrade geht der Vorhang nieder.)
Kriemhild
(zärtlich schmeichelnd)
Siegfried!
Siegfried
Kriemhild?
Kriemhild
Friedel!
Siegfried
Hildchen?
(Gehen umschlungen zur Ruhebank.)
D u e t t.
Kriemhild
Jetzt, wo die Nacht zur süßen Ruhe ladet,
Sag’ mir noch eins, was ich so gerne wüßt’!
Sag’ an ist’s wahr, daß Du in Drachenblut gebadet
Und daß Du unverwundbar bist?
Ist’s wahr, sag an,
Geliebter Mann,
Daß dies geschah?
Siegfried
Ja, Liebchen, ja!
Als aus des Drachens Wunde floß das Blut,
Taucht’ ich drin unter, und mein Körper ward
Gepanzert durch die schwarze Zauberflut,
Wie Stein so fest, wie Stahl so hart!
Kriemhild
So hart wie Stahl
Ach, sag’s noch mal,
Ach, sag’s noch mal, ach, küsse mich!
Geliebter Du, wie lieb’ ich Dich!
Siegfried
Ein Fleckchen nur entging dem Zauberbad,
Da drang des Drachen Wunderblut nicht hin,
Auf jene Stelle fiel ein Lindenblatt,
Das ist die Stelle, wo ich sterblich bin!
Beide
Das ist die Stelle mit dem Lindenblatt,
Das ist die Stelle, wo ich (er) sterblich bin (ist).
Kriemhild
Ach Gott, wie süß!
Wie intressant!
Reich mir den Mund,
Gib mir die Hand!
Und dann, Geliebter, sag’, o sag’ mir schnelle,
Weil mir die Neugie so am Herzen frißt,
Wo, Liebster, wo, wo ist die kleine Stelle,
Wo ist die Stelle, da Du sterblich bist.
Siegfried
Nein, Herzchen, nie, nie sag’ ich Dir die Stelle,
Die kleine Stelle, wo ich sterblich bin.
Kriemhild
Sprich, ist’s Dein Arm,
Der mich umfing
Ist’s Deine Brust,
An der ich hing?
Sprich, ist’s Dein Mund, an welchem liebentglommen
Zärtlich der meine oft gehangen hat?
Siegfried
Ich habe nie ein Blatt vor’n Mund genommen
Nicht mal das kleinste Lindenblatt!
Kriemhilde
(drängend)
Du sagst mir’s nicht?
Siegfried
(ironisch)
Ich sag’s Dir’s nicht!
Kriemhild
Ganz sicher nicht?
Siegfried
Ganz sicher nicht!
Kriemhild
Auch wenn ich’s rate, sagst Du’s nicht?
Siegfried
Auch wenn Du’s rätst, sag’ ich Dir’s nicht.
Kriemhild
Dann läßt Du’s sein!
Ich hab’ das ew’ge Betteln so schon satt,
Weil mir im Grunde längst zuwider ist,
Die ganze Stelle mit dem Lindenblatt,
Die ganze Stelle, wo Du sterblich bist!
Siegfried
Jetzt bist Du bös!
Kriemhild
Jetzt bin ich bös!
Siegfried
Dann küß’ ich Dich!
Kriemhild
Dann küßt Du mich!
O, mein Gemahl,
Du bist von Stahl!
So hart wie Stahl!
So hart wie Stahl!
So hart wie Stahl! O küsse mich!
Geliebter Du, wie lieb' ich Dich!
Siegfried
Das macht die Stelle mit dem Lindenblatt,
Das macht die Stelle, wo ich sterblich bin!
Beide
Die kleine Stelle mit dem Lindenblatt,
Die kleine Stelle, wo ich (Du) sterblich bin (bist).
(Beide nach rechts ab.)
(Brunhilde kommt, „das ist der furor u.s.w.“ trällernd oder pfeifend, auf die Bühne gewirbelt und schleift Gunther, der atemlos ist und eine traurige Figur bildet, hinter sich her. Zuletzt wirbelt sie ihn ein paarmal im Kreise herum.)
Gunther
(erschöpft)
Brunhild, ich hab’ Dir doch gesagt, Du sollst mich nicht immer vor den Magen hau’n. Das ist eine Gemeinheit!
Brunhild
Wenn ich doch aber so lustig bin! Pieks!
(Sticht ihm mit dem Finger in den Magen.)
Gunther
Ach, mir ist ja so übel!
(Will sich auf einen Stuhl niederlassen. Brunhilde zieht ihm denselben von hinten weg. Gunther setzt sich auf die Erde.)
Gunther
Also das ist ‘ne Rohheit! Ne glatte Gemeinheit! Da kann man’s Gespräch verlieren!
Brunhild
Du hast aber auch gar keinen Sinn für Humor!
Gunther
(Beide setzen sich auf den Divan)
Ach, ich hab’ mir das Alles so anders gedacht. So maienhaft! Also Frühlingslandschaft! Rosendüfte streichen über den Plan. Und auf der taufrischen Matte sitzen zwei Glückliche . . . Du und ich! Ach, mir ist ja so übel!
Brunhild
Du, Gunther, kannst Du Deinen eigenen Fuß küssen?
Gunther
Nein, ich hab’ auch gar kein Verlangen danach! Ich hab’ mir das so reizend gedacht, wie wir unser junges Eheleben einrichten werden! So recht gemütlich und behaglich!
Brunhild
Ja, das wollen wir auch! Also früh morgens stehen wir auf, so gegen 3 oder ½ 4, und dann, dann schwimmen wir gleich 2 Stunden im Rhein, damit wir frisch werden. Und dann reiten wir 2 Stunden auf ungesattelten Pferden, damit wir wieder warm werden. Und dann nehmen wir einen kleinen Imbiß, ‘ne Erbswurstsuppe und ein Stück trockenes Brot, damit wir stark werden. Und dann nach Tisch, wenn der Wein und das gute Essen seine Wirkung tut und wenn’s so recht schummrig wird, so recht süß und faul weißt Du, so 4 Uhrstimmung – dann, dann machen wir 1½ Stunden Klimmzüge!
Gunther
(trostlos)
und so was hab’ ich mir nu geheiratet!
(Kleine Pause.)
Brunhilde
Du, Gunther, jetzt will ich mit Dir ringkämpfen!
Gunther
(entsetzt)
Was willst Du?
Brunhilde
Ringkämpfen will ich mit Dir! Weißt Du, vor’m Zubettgehen muß ich immer ringkämpfen! Sonst schlaf’ ich nicht ein!
Gunther
(verzweifelt für sich)
Ach Gott, das wird ja furchtbar, das gibt ja ‘n Skandal! Ob ich Siegfried wecke?!
Brunhilde
Du, Gunther, wenn Du jetzt nicht mit mir ringkämpfst, mach’ ich heut’ Nacht kein Auge zu!
Gunther
Das ist auch garnicht nötig! – Sieh mal, Hildchen, das ist ja Alles Unsinn. Daß ich stärker bin als Du, hab’ ich Dir doch vorgestern bewiesen! Zu was willst Du Dir denn ‘ne neue Abfuhr holen?!
Brunhilde
Eben gerade darum will ich jetzt noch mal. Die Sache mit vorgestern kommt mir sowieso nicht ganz geheuer vor. Jetzt will ich meine Revanche haben. Also keine Müdigkeit vorschützen! Bloß mit den Händen, wer den andern zuerst auf die Knie bringt!
Gunther
Brunhilde, ich kann jetzt nicht. Es gibt Momente, wo auch der stärkste Mann ‘mal schwach wird. Ich kann Dir das nicht näher erklären, aber ich hab’ jetzt gerade so ‘nen Moment!
Brunhilde
Ach Unsinn! Angst haste! In Gegenwart all’ Deiner Verwandten mit mir ringkämpfen und mich umwerfen, ohne mich überhaupt gepackt zu haben – durch irgen einen zauberischen Trick, das kann jeder!
Aber hier ehrlich ringen – ohne jede Vorbereitung – da sollst Du mal sehen! Jetzt nimm Dich in Acht! Jetzt fang’ ich an!
(Flicht ihre Hände in seine; kurzer Kampf.)
Na, nu wehr’ Dich doch! Na, nu wirf mich doch um! Nu, nu ring’ doch! Na, nu spring’ doch!
Gunther
(knickt zusammen, wimmernd)
Ich kann nicht! Ich kann nicht!
Brunhilde
Gibst Du Dich besiegt? Hm?
Gunther
(wimmernd)
Nein!
Brunhilde
Du, ich brech’ Dir die Finger um.
Gunther
Au! Au! Ja! Ja!
Brunhilde
Sag’, Du bist ein Waschlappen!
Gunther
Ich bin ein Waschlappen!
Brunhilde
‘Ne Memme!
Gunther
Ich bin ‘ne Memme!
Brunhilde
Ein Jammerkerl!
Gunther
Ich bin ein Jammerkerl!
Brunhilde
(schleift ihn durchs Zimmer und setzt ihn zuletzt auf den Tisch)
Du Waschlappen! Du Memme! Du Jammerkerl! Da! Da !Da! Und so was hab’ ich nu geheiratet.
Gunther
(auf dem Tisch)
Ach Gott, ist mir übel!
Brunhilde
Na, dann geh’ schlafen!
Gunter
(freudig)
Ja!
(will in Br.’s Schlafgemach, vordere Tür links).
Brunhilde
(weist nach der andern Tür, hintere Tür links)
Da!
Gunther
(flehend)
Brunhilde!
Brunhilde
Marsch! Gute Nacht!
(Ab in die vordere Tür links.)
Gunther
(allein)
Marsch! Gute Nacht!
(An der Tür geknickt)
Schöne gute Nacht das! Das hab’ich mir alles ganz anders gedacht! Ach, Brunhilde, mach’ doch auf, bloß ein klein bischen, ein ganz klein bischen, daß ich hineinkann!
(Die Tür öffnet sich nach der Bühne zu, Brunhildes nackter Arm hängt ihren Kleiderrock an den Haken. Gunther stürzt sich darauf.)
O. Brunhild! Nein, es ist nur ihr Rock! Das ist zu wenig für mich!
(Die Tür öffnet sich wieder, Brunhilde hängt ihren Unterrock hinaus. Gunther wie oben.)
Das ist auch noch zu wenig! O, Brunhild, Brunhild, mach’ mich nicht wild. Nein das ertrag’ich nicht länger! Jetzt zeig’ ich mich als Held! Jetzt leg’ ich mich in'n Hinterhalt!
(Er verstecktsich hinter der Tür und unter den Röcken. Die Tür öffnet sich zum dritten Mal. Gunther schlüpft hinein. Die Tür schließt sich. Man hört ein paar fürchterliche Ohrfeigen. Dann öffnet sich die Tür wieder und Brunhildes Arm hängt Gunther an den Nagel. Hebelvorrichtung, durch die Gunther in demselben Moment, wo ihn Brunhilde am Haken befestigt hat, mit dem Haken, der in einem Spalt des Türpfostens verschiebbar ist, von hinten ein Stück in die Höhe gehoben wird, sodaß er in der Luft zappelt. Eventl. auch Flugmaschine.)
Gunther
(wimmernd)
Siegfried! Siegfried! Zu Hilfe! Zu Hilfe!
Siegfried
(in einem Nachtgewand aus der Tür links, bricht in schallendes Gelächter aus)
Was gibt’s denn? Hahahaha! Ja, um Himmels Willen, was machst Du denn da?
Gunther
Ich spiel Brautnacht!
Siegfried
Ich gratuliere Dir zu Deiner Gemahlin!
(Siegfried befreit Gunther aus seiner Lage.)
Gunther
(währenddem)
Ach, Siegfried, Siegfried, Du mußt sie verhauen! Du mußt sie ganz furchtbar verhauen!
(Er kommt auf die Erde und fällt Siegfried schluchzend um den Hals.)
Ach, Siegfried, sie hat mich ja zu gemein behandelt. Den Stuhl hat sie mir weggezogen und vor den Magen hat sie mich gepufft und mir die Finger umgebrochen, und statt sich zu entschuldigen, hat sie mich Waschlappen geschimpft und mir die Tür vor der Nase zugeschlagen. Ich muß sie mal wieder furchtbar verprügeln, d.h. Du mußt sie verprügeln, damit sie mich wieder lieb gewinnt.
Siegfried
Nee, weißt Du, Gunther, das kannst du mir nicht zumuten, daß ich jedesmal, wenn Du zärtlich gestimmt bist, Deine Frau durchhaue. Das halt` ich nicht aus.
Gunther
Nur heute, Siegfriedchen, nur heute!
Siegfried
Und außerdem hab’ ich auch meine Tarnkappe garnicht hier.
Gunther
Ach?!
Siegfried
Ja, weißt Du, Kriemhild hat sie mir weggenommen. Ich bin doch gewöhnt, sie mir immer nachts als Schlafmütze aufzusetzen. Aber da hat sie mir Kriemhild weggenommen. Erstens, hat sie gesagt, hat sie kein Vergnügen, wenn sie mich nicht sieht, und zweitens wegen der Kontrolle!
Gunther
Schad’t nichts, da machen wir uns ‘ne Tarnkappe. Wir löschen einfach ‘s elektrische Licht aus und dann schimpf’ ich sie durch die Tür an, bis sie ‘rauskommt. Und dann versteck' ich mich, und Du verhaust sie, daß sie denkt, ich bin’s. Und wenn sie dann ganz klein ist' dann gibst Du mir ein Zeichen, dann tret' ich an Deine Stelle. Dann brauch' ich Dich nicht dann gibst Du mir ein Zeichen, dann tret' ich an Deine Stelle. Dann brauch' ich Dich nicht mehr. Dann helf’ ich mir schon allein weiter. Aber daß Du mir keine Gemeinheiten machst. ‘s ist ein Vertrauensposten! Jetzt werd’ ich erst mal sehen, ob sie im Guten aufmacht, vielleicht ist sie vernünftig geworden!
(Klopft an Brunhildes Tür).
(Gesungen.)
[Brunhilde, mach’ auf!
Brunhilde, mach’ auf!
Brunhilde, mein Engel, mach’ auf!
Es soll Dir ja alles vergeben sein!
Ich bin’s ja, Dein Männchen! Mach auf, laß mich ein!
Du kriegst auch ‘ne prachtvolle Broche!
Na, Brunhilde, nun sei doch kein Frosch!
(Unwilliges Knurren von drin.)
(Gunther schlägt mit der Faust an die Tür.)]
Brunhilde, mach’ auf!
Brunhilde, mach’ auf!
Brunhilde, im Guten, mach’ auf!
Machst du jetzt nicht auf und läßt ein Deinen Mann,
So tu’ ich wahrhaftig ein Leides mir an,
Und es nimmt noch ‘nen bösen Verlauf,
Brunhilde, ich rat Dir, mach’ auf!
(Man hört unwilliges Schimpfen von drinnen.)
Gunther
(haut mit dem Fuß an die Thür):
Brunhilde, mach’ auf!
Brunhilde, mach’ auf!
Brunhilde, zum Teufel, mach’ auf!
Du Memme, Du Feigling, Du hast ja bloß Angst,
Ich versteh’ auch vollkommen, warum Du so bangst,
Denn jetzt gibt’s was Ekliges drauf!
Brunhilde, zum Teufel, mach’ auf!
(Ton der Wut und Gepolter von innen.)
Siegfried! Siegfried! Sie kommt! Sie kommt! Sie kommt!
(Er lauft blitzschnell und verängstigt durch's Zimmer der entgegengesetzten Seite, wo er das elektrische Licht auslöscht und sich versteckt. Die Buhne wird ganz dunkel. Brunhild geht auf Siegfried los, den sie für Gunther hält.)
Brunhild
Teufel noch mal!
Bist du total
Uebergeschnappt?!
So ein Skandal
Mitt’n in der Nacht!
Nimm Dich in Acht!
Siegfried
Läßt Du mich ein?
Brunhild
Tausendmal nein!
Das wär’ mir recht!
Siegfried
Jetzt geht Dir’s schlecht!
(Er packt sie bei den Handen, das Ringen beginnt.)
[Gunther
(aus seinem Versteck)
Er packt sie an,
Das[!] alles kracht!
So hat sie mir’s
Vorhin gemacht!
Was Du nicht willst,
Daß man Dir tu’,
Das füg’ auch keinem
Andern zu!
Siegfried
(hin und her)
Na, was denn nu?
Zu doch! Nur zu!
‘Rauf auf den Tisch!
‘Runter vom Tisch!
‘Rauf auf die Bank!
‘Ran an den Schrank!
So recht, mein Schaz!
Zwick’ nur und kratz',
Beiß’ mich auch noch!
Futsch bist Du doch!]
Brunhild
Laß mich doch los
Laß mich doch bloß
Locker, Du Biest!
Siegfried
Nicht, bis zu kniest!!!
(Er ringt sie nieder.)
Brunhild
(gezähmt)
Ach lieber König Gunther, ach,
Geliebter König Gunther,
Mitunter bist Du gar so schwach!
Und gar so stark mitunter!
Ich liebe Dich, denn Du bist stark!
Du bist ein Mann voll Kraft und Mark,
Du bist so kühn, so mutig, ach!
Und wenn Du stark bist, werde ich so schwach!
Gunther
Ich tappe hier im Dunkeln rum!
Führwahr es ist kein Gaudium!
Ich traue dem Halunken nicht!
Er tut noch mehr als seine Pflicht!
Ich lös’ ihn ab! Mich hält’s nicht mehr!
Wenn’s blos nicht so stockfinster wär!
(tappt sich vorwärts, stößt sich, poltert.)
Das ist die Wand, der Lehnstuhl! Plautz!
Verdammte Bank! Pardautz! Pardautz!
(Fällt mit der Bank und mit Gepolter um.)
Brunhild
Halt! Was war das? Ein Fall! Ein Krach!
Hier ist ein Fremder im Gemach!
Nein, nein, ich trau’ dem Schwindel nicht!
Zur Hilfe! Hilfe! Hilfe! Licht!
(klingelt mit der großen Tischglocke. Mit Magen, Unterstützungsmagen und Cohr stürzen in's Zimmer von der Estrade her. Es wird hell. Siegfried hält Brunhilde, die klingelt, am Arm fest, was so aussieht, als ob er sie umschlungen hielte.)
(Gunther am anderen Ende des Zimmers. Von rechts kommt Kriemhild. Tableau).
Die Magen
Was ist gescheh’n?
Laßt sehn! Laßt sehn?
(Die Möbel werden weggeräumt.)
Schrecklich!
Gräßlich!
Fürchterlich!
Schaudert’s
Widert’s
Ekelt’s mich!
Keckling!
Frechling!
Frevler hui!
Lüstling!
Wüstling!
Pfui! Pfui! Pfui!
Brunhilde
(händeringend zu den Magen)
Arglos, harmlos, ungewarnt,
Hat er heimlich mich umgarnt,
Kam im Dunkeln, welch’ Skandal!
Tat, als wär er mein Gemahl!
Magen
Ehre, Ehrlos,
Anstand Lieblos,
Sitte, Pflicht Schamlos, hui!
Ehrt er, Scherzt er,
Kennt er, Herzt er,
Schätzt er nicht. Kost er, Pfui!
Kriemhild
(von rechts)
Häßlich, gräßlich, öffentlich
Täuscht, blamiert, betrügt er mich!
Tät’ er’s noch nach ein’ger Zeit!
Aber nein, er tut’s gleich heut!!!
(Bricht in Tränen aus).
Magen
Fluch! Typhus!
Verdammnis! Blutsturz!
Krankheit! Treff’ den Frevler
Siechtum! Phui! Phui‼ Phui!!!
Jäher Tod!
Siegfried
Aber, so lassen Sie mich doch zu Worte kommen, meine Herrschaften! Ich bin ja an der ganzen Sache unschuldig! Alles, was ich getan habe, tat ich in König Gunthers Namen und Befehl!
Brunhilde
Gunther, ist das wahr?
Gunther
(stotternd)
Ja, das heißt nein, ‘s ist natürlich alles nur ‘ne freche Lüge.
Brunhilde
Dann, hoffe ich, wirst Du wissen, wie Du Dich dem Beleidiger Deiner Gattenehre gegenüber zu benehmen hast!
Gunther
Jawohl, mein Engel, und Du wirst es gleich sehen!
(Er geht stolz auf Siegfried zu)
Siegfried, ich bin schuß mit Dir!
Brunhilde
Das genügt mir nicht!
Gunther
(wie oben)
Also, Siegfried, Du bist mir im höchsten Grade unsympathisch!
Brunhilde
Auch das genügt mir noch nicht! Du mußt ihn fordern!
Siegfried
So ist’s recht! Ein Gottesurteil soll entscheiden, wer von uns beiden gelogen hat!
Gunther
(ängstlich)
Halt! Halt! Nein! Nein!
Brunhilde
Man rüste die Recken zum Zweikampf!
(beide werden von Knappen hinausgeleitet. Gunther links, Siegfried rechts. Gunther geht zögernd, und als er sieht, daß Siegfried fort ist, dreht er sofort wieder um und wendet sich jammernd zu Hagen.)
F i n a l e
Gunther
Ach Hagen, tu mir
Den einz’gen Gefallen
Und steh’ mir im Zweikampfe bei!
Wenn ich im Duelle
Dem Wüt’rich mich stelle,
So hackt er mich einfach zu Brei!
Ich versprech’ Dir ja alles, was Du verlangst,
Nur hilf mir und schütze mich schnell!
Ich hab’ ja so ‘ne Angst, so ‘ne schreckliche Angst,
So ‘ne schreckliche Angst vor’m Duell!!
Hagen
Es ist allerdings peinlich und äußerst wahrscheinlich,
Daß Siegfried den König besiegt.
Dieweil bei Duellen in Ehebruchsfällen
Der Gatte fast stets unterliegt.
Kriemhild
(zu Gunther)
Doch sei ruhig, mein Bester! Damit Du die Schwester
An dem Treulosen rächen jetzt kannst,
So will ich Dir melden, wie Du jenen Helden
Ganz sicher und leicht übermannst!
(geheimnisvoll, alle schären sich dicht um sie)
Ich weiß, daß er am Rücken
‘Ne schwache Stelle hat!
Dorthin tat ich ihm sticken
Heut’ Nacht ein Lindenblatt!
Von vorne, von vorne,
Da ist er ganz von Horne
Und stark wie‘n Riese, ach!
Doch von hinten, von hinten,
Kann man ihn überwinden,
Von hinten ist er schwach!
Chor
Von vorne, von vorne etc.
Kriemhild
Und wenn er im Duelle
Sich mit dem König mißt,
Trifft Hagen ihm die Stelle,
Wo er verwundbar ist!
Chor
Von vorne, von vorne u.s. w.
(Kriemhilde ab.)
Hagen
Pscht!
(Siegfried kommt, gerüstet mit einer Keule, Gunther erhält von seinem Knappen eine gleiche, ebenso Hagen.)
Siegfried
So, da bin ich!
(sie stellen sich in Fechterstellung.)
Hagen
Auf die Mensur! Fertig! Los!
Gunther
Halt!
Hagen
Warum halt?
Gunther
Ich hab’ Angst!
Hagen
Kein Grund, weiter! Bindet die Klingen! Gebunden!-sind! Los!
(Sie fechten 3 Gänge. Gunther holt aus und trifft den alten Dankwart hinter sich. Beim 3. Mal schlägt Hagen Siegfried von hinten mit der Unparteiischenkeule. Siegfried dreht sich wütend gegen Hagen um.)
Siegfried
(Gesungen)
Verrat! Verrat!
(Er dreht so dem Publikum den Rücken zu und man gewahrt etwas unterhalb des Kreuzes ein großes hellgrünes Lindenblatt auf seinem Gewand aufgestickt (nicht zu indecent.)
Alle
Das Lindenblatt!
(Siegfried will auf Hagen losgehen.Unterdessen schlägt ihn Gunther, dem er jetzt den Rücken zuwendet, von hinten. Er ruft wieder: Verrat! und wendet sich gegen Gunther; da schlägt Hagen. Dies wiederholt sich noch zweimal, dann sinkt Siegfried ermattet zu Boden. Die Szene muß Schlag auf Schlag gespielt werden und darf nicht zu sehr ausgesponnen werden.)
Kriemhilde
(von rechts, visionär)
Ein Fleckchen nur entging dem Zauberbad,
Ich forscht’ es aus mit kluger Weiberlist,
(Geht nach vorn. Groß Geste auf den liegenden Siegfried hin.)
Das ist die Stelle mit dem Lindenblatt,
Das ist die Stelle, wo er sterblich ist!
Alle
(repetieren)
Das ist die Stelle etc.
(Ende des zweiten Aktes.)