ERSTER AKT
Ouvertüre
Zimmer mit Mittel- und Seitentüren im Hause Eisensteins.
ERSTER AUFTRITT
Alfred hinter der Szene. Später Adele.
Nr. 1 - Introduktion
Beim Aufgehen des Vorhangs ist die Bühne leer. Von aussen ertönt der Gesang Alfreds.
ALFRED
Täubchen, das entflattert ist,
Stille mein Verlangen,
Täubchen, das ich oft geküsst,
Lass dich wieder fangen!
Täubchen, holdes Täubchen mein,
Komm, o komm geschwinde,
Sehnsuchtsvoll gedenk ich dein,
Holde Rosalinde!
ADELE
lachend mit einem offenen Briefchen in der Hand auftretend.
Hahahaha!
Was schreibt meine Schwester Ida?
Die ist nämlich beim Ballett …
Aus dem Briefe lesend.
"Wir sind heut auf einer Villa,
Wo es hergeht flott und nett.
Prinz Orlofsky, der reiche Suitier,
Gibt heute abend dort ein Grand-Souper.
Kannst du dir eine Toilette von deiner Gnäd'gen annektieren
Und elegant dich präsentieren,
So will ich gern dich ein dort führen.
Mach dich frei nur, und ich wette,
Dass wir gut uns amüsieren.
Langeweile gibt es nie da! -"
So schreibt meine Schwester Ida.
Ach, ich glaub's, ich zweifle nicht,
Wär' gar zu gern von der Partie;
Doch recht schwierig ist die G'schicht' -
Könnt ich nur fort, wüsst ich nur wie?
Ach, wenn ich jenes Täubchen wär',
Fliegen könnte hin und her,
Mich in Wonne und Vergnügen
In dem blauen Äther wiegen!
Ach, warum schufst du, Natur,
Mich zur Kammerjungfer nur?
ALFRED
singt von aussen
Täubchen, das entflattert ist,
Stille mein Verlangen …
ADELE
spricht
Was ist denn das für ein Gewinsel? Ob man wohl eine Minute nachdenken kann?
ALFRED
fortfahrend
Täubchen, das ich oft geküsst, Lass dich wieder fangen!
ADELE
eine Münze in ein Papier wickelnd
Ich muss ihm nur ein Sechserl spendieren, sonst hört der Hofsänger nicht auf!
Wirft das Geld aus dem Fenster.
ALFRED
wie oben
Täubchen, holdes Täubchen mein,
Komm, o komm geschwinde,
Sehnsuchtsvoll gedenk ich dein,
Holde Rosalinde!
ADELE
Was, Rosalinde? Das ist kein Strassentenor, sondern ein Verehrer und nicht einmal von mir, sondern von meiner Gnädigen!
Ruft zum Fenster hinaus
Eine Adele ist hier und keine Rosalinde, wenigstens nicht für Sie! Verlassen Sie den Garten, sonst wird man einen ganz anderen Tenor mit Ihnen singen.
Er verschwindet samt seinem Tenor
Der ist sicher irgendwo einem Männergesangverein ausgekommen. Schade, ich hätt' mir ihn doch näher ansehen sollen; vielleicht kann ich ihn noch erreichen!
Läuft ab.
ZWEITER AUFTRITT
Rosalinde. Dann Adele.
ROSALINDE
tritt erregt auf
Er ist's! Alfred, er, der mich vor vier Jahren anbetete, als ich noch frei war! Ich habe ihn gleich erkannt an seinem Tenor und an seiner Keckheit. Nur ein Tenor kann so keck sein, und nur ein kecker Mensch kann so Tenor singen! Er wagt es, hier vor dem Hause meines Gatten mich durch sein hohes A zu kompromittieren!
ADELE
eintretend für sich
Keine Seele mehr zu erblicken. - Ah, da ist meine Gnädige! Jetzt heraus mit der Geschichte; sie sei kurz, aber rührend!
Laut, kläglich
Gnädige Frau, meine arme Tante ist so krank!
ROSALINDE
für sich
Sicher hält er mich für treulos, glaubt vielleicht, ich liebe einen anderen, und ich habe doch bloss geheiratet.
ADELE
kläglicher
Gnädige Frau, meine arme Tante ist krank!
ROSALINDE
immer noch für sich
Aber wie kommt er, der vor vier Jahren spurlos aus Wien verschwand, so plötzlich in diesen Badeort?
ADELE
schluchzend
Gnädige Frau, meine arme Tante ist so krank!
ROSALINDE
Wer ist krank?
ADELE
Meine Tante!
ROSALINDE
Deine Tante?
ADELE
Ja, meine Tante!
ROSALINDE
ungeduldig
Aber kann ich sie denn gesund machen?
ADELE
Das verlange ich gar nicht, wenn Sie es auch könnten.
ROSALINDE
Na also!
ADELE
weiterschluchzend
Aber es ist doch die Pflicht einer guten Nichte, ihre arme Tante zu besuchen und zu fragen: "Wie geht's? Wie befinden Sie sich? Noch immer fidel und munter?"
ROSALINDE
Deine arme, kranke Tante?
ADELE
Darum bitte ich Sie, mir aus Rücksicht für meine nichtige Liebe freien Ausgang zu gewähren.
ROSALINDE
bestimmt
Unmöglich!
ADELE
bittend
Gnädige Frau!
ROSALINDE
Unmöglich, sage ich. Hast du denn vergessen, dass mein Gemahl heute seine fünftägige Arreststrafe antreten muss? Dreimal ist sie schon verschoben worden; aber heute muss er sich stellen, sonst wird er gestellt.
ADELE
Aber ich weiss noch immer nicht, warum der gnädige Herr eigentlich eingesperrt wird?
ROSALINDE
Weil er einem Amtsdiener ein paar Hiebe mit der Reitpeitsche gegeben und ihn einen Stockfisch genannt hat.
ADELE
Wegen so einem bisserl?
ROSALINDE
Er hat schon an alle Instanzen appelliert, aber das wird ihm eher schaden als nützen.
ADELE
Wenn es ihm aber dennoch nützt?
ROSALINDE
So wird es dir nichts nützen, denn ich kann dich nicht eine Stunde entbehren.
ADELE
Nicht? O meine arme, arme Tante! So darf ich dich nicht mehr wiedersehen auf Erden? Eine solche Tante wie diese Tante - noch keine Nichte Tante nannte!
Nr. 1a - Ende der Introduktion
ADELE
Ach, ich darf nicht hin zu dir,
Und du sehnst dich so nach mir,
Deiner heissgeliebten Nichte.
Gar zu traurig ist die G'schichte!
Ach, warum schuf die Natur
Mich zur Kammerjungfer nur?
ROSALINDE
Nein, du darfst heut nicht zu ihr,
Und wenn sie sich auch sehnt nach dir!
Wohl traurig klingt die G'schichte
Von der geliebten Nichte.
Ja, warum schuf die Natur
Dich zur Kammerjungfer nur?
ADELE
schluchzend ab.
DRITTER AUFTRITT
Rosalinde.
ROSALINDE
allein
Wie glücklich die alte Tante ist, eine so liebevolle Nichte zu haben! Es wird nicht so gefährlich sein, hoffe ich. Ich kann sie ja nicht entbehren, weil ich nicht allein bleiben darf, wenn mein Mann in der Tat seine Strafe antreten muss. Und der wird er nicht entgehen, denn jetzt hat er die Richter erst recht erbittert gegen sich.
Ihr Blick fällt auf Alfred, der in der Mitteltür erscheint.
Himmel, Alfred!
VIERTER AUFTRITT
Rosalinde. Alfred.
ALFRED
vortretend
Warum denn nicht: mein Alfred und mir mit offenen Armen entgegengeflogen?
ROSALINDE
Mein Herr, ich bin verheiratet!
ALFRED
Das geniert mich nicht!
ROSALINDE
Aber mich! Entfernen Sie sich!
ALFRED
Ich bin ja nicht gekommen, um mich zu entfernen!
ROSALINDE
Himmel, wenn mein Mann erschiene!
ALFRED
Das geniert mich nicht! Übrigens erscheint er nicht, er muss brummen.
ROSALINDE
Nein, nein!
den Blick erhebend
Vater im Himmel, lass ihn nicht brummen, ich bitte dich!
ALFRED
Er muss brummen, da hilft ihm kein Gott!
ROSALINDE
Ich bitte, ich beschwöre Sie, verlieren Sie sich!
ALFRED
Wohlan, ich verliere mich, jedoch nur unter der Bedingung, dass ich wiederkehren darf, wenn Ihr Gemahl brummt. Schwören Sie mir, dass Sie mich empfangen werden, wenn Sie Strohwitwe sind, und ich entferne mich augenblicklich.
theatralisch
Schwöre!
ROSALINDE
Es sei … ich schwöre!
ALFRED
Nun denn … ich gehe!
Bleibt stehen.
ROSALINDE
ungeduldig
Sie gehen aber nicht, sondern stehen noch immer! Leben Sie wohl!
ALFRED
singt
Kein Lebewohl! Auf Wiedersehen! Bald bin ich wieder da!
Ab.
FÜNFTER AUFTRITT
Rosalinde.
ROSALINDE
allein
Oh, wenn er nur nicht singen wollte! Seinem Dialog bin ich noch allenfalls gewachsen, aber vor seinem hohen B schmilzt meine Kraft dahin! O Schicksal, Schicksal, warum hast du mir das angetan? In dem Augenblick, wo du mir die Gegenwart des Gatten entziehst, führst du mir das Bild der Vergangenheit vor Augen. Was soll aus der Zukunft meiner Pflichten werden? Meine einzige Hoffnung beruht jetzt noch auf dem Ausspruch des Gerichts. Wird meinem Gatten die Arreststrafe erlassen, dann ist alles gut! Oh, wenn die Richter wüssten, welche Verantwortung sie durch seine Verurteilung auf sich laden, sie würden Gnade walten lassen!
horcht
Ha, er kommt! Er zankt mit seinem Advokaten. Ein böses Zeichen!
SECHSTER AUFTRITT
Rosalinde. Eisenstein. Blind, Aktenstösse unterm Arm, Augengläser und Perücke.
Nr. 2 - Terzett
EISENSTEIN
aufgeregt eintretend
Nein, mit solchen Advokaten
Ist verkauft man und verraten;
Da verliert man die Geduld!
ROSALINDE
Nur Geduld!
BLIND
Nur Geduld!
EISENSTEIN
Statt dass jetzt die Sach' beendet,
Hat's noch schlimmer sich gewendet,
Und daran ist er nur schuld!
BLIND
Wer ist schuld?
ROSALINDE
Der ist schuld? Der wäre schuld?
EISENSTEIN
Ja, der ist ganz allein nur schuld!
ROSALINDE
Der Herr Notar?
BLIND
Das ist nicht wahr!
EISENSTEIN
Du wirst schon sehn!
ROSALINDE
Was ist geschehn? Erkläre dich!
EISENSTEIN
So höre mich!
BLIND
Nein, erst will ich verteid'gen mich!
EISENSTEIN
Ersparen Sie sich diese Müh!
So etwas ist nicht zu verteid'gen!
BLIND
Mir scheint, Sie wollen mich beleid'gen?
ROSALINDE
Nur ruhig Blut! Warum die Wut?
EISENSTEIN
Der Herr Notar schwatzt wie ein Star.
BLIND
Herr Eisenstein fing an zu schrein.
EISENSTEIN
Sie stottern ja bei jedem Wort!
BLIND
Sie schimpfen ja in einem fort.
EISENSTEIN
Sie krähen wie ein Hahn!
BLIND
Sie sind ein Grobian!
EISENSTEIN
Sie sind ein Dummrian!
BLIND
Sie sind sehr inhuman!
EISENSTEIN
Sie reden lauter Lebertran
Und drehn sich wie ein Wetterhahn!
BLIND
Sie rasen wie im Fieberwahn
Und kollern wie ein Puterhahn!
ROSALINDE
zu Eisenstein
Doch schone dein Organ,
Es sei nun abgetan.
zu Blind
Das beste wär', Sie gehn hinaus,
Sonst wird noch ein Skandal daraus!
EISENSTEIN
Ja, sie hat recht! Gehn Sie hinaus,
Sonst wird noch ein Skandal daraus!
BLIND
Nein, diesen Ton hält man nicht aus.
Ich gehe schon, ich geh hinaus!
Ab
ROSALINDE
Beruh'ge endlich diese Wut.
Verurteilt bist du; nun denn - gut!
Ergib dich drein, und nach fünf Tagen,
Schon nach fünf Tagen ist die G'schichte abgemacht.
EISENSTEIN
Fünf Tage sagst du? Jetzt sind's gar acht!
Man hat mir drei dazugeschlagen.
So weit hat's dieser Mensch gebracht!
Noch heute soll ich stellen mich,
Und komm ich nicht, so holt man mich!
ROSALINDE
Das ist zu stark, das muss ich sagen.
EISENSTEIN
Nicht wahr?
ROSALINDE
Ach, mein armer, armer Mann,
Noch heute also musst du dran?
Was kann ich dir zum Tröste sagen?
Wie soll ich das ertragen?
EISENSTEIN
Ach, mit solchen Advokaten
Ist verkauft man und verraten!
Da verliert man die Geduld!
ROSALINDE
Und daran ist der nur schuld!
BLIND
tritt wieder ein
Wer ist schuld?
ROSALINDE
Sie sind schuld!
EISENSTEIN
Der ist ganz allein nur schuld!
BLIND
Wenn Sie nur erst wieder frei,
Prozessieren wir aufs neu,
Und ich werde Ihnen dann schon zeigen, was ich kann:
Rekurrieren, appellieren, reklamieren,
Revidieren, rezipieren, subvertieren,
Devolvieren, insolvieren, protestieren,
Liquidieren, exzerpieren, extorquieren,
Arbitrieren, resummieren, exkulpieren,
Inkulpieren, kalkulieren, konzipieren …
ROSALINDE, EISENSTEIN
Hören Sie auf, es ist genug!
BLIND
Und Sie müssen triumphieren!
ROSALINDE
Ob Sie Berge von Papieren
Auch dabei zusammenschmieren,
Doch Sie werden schliesslich sich blamieren
Ja, ach ja, blamieren!
EISENSTEIN
Wenn Sie jetzt nicht retirieren,
Muss ich Sie hinausbugsieren
Und vielleicht noch schliesslich attackieren!
Muss ich Sie hinausbugsieren!
BLIND
Rekurrieren, appellieren, reklamieren,
Revidieren, rezipieren, subvertieren,
Devolvieren, involvieren, protestieren,
Liquidieren, exzerpieren, extorquieren,
Ja, Sie werden triumphieren,
Triumphieren sicherlich!
ROSALINDE
Ach, mit solchen Advokaten
Ist man übel oft beraten,
Und fürwahr, man braucht Geduld.
Statt dass jetzt die Sach' beendet,
Hat's noch schlimmer sich gewendet,
Und nur der allein ist schuld!
EISENSTEIN
Nein, mit solchen Advokaten
Ist verkauft man und verraten
Und verliert man die Geduld.
Statt dass jetzt die Sach' beendet,
Hat's noch schlimmer sich gewendet,
Und daran ist der nur schuld!
BLIND
Ach, wir armen Advokaten
Sollen immer helfen, raten,
Dazu braucht man viel Geduld.
Statt dass jetzt die Sach' beendet,
Hat's noch schlimmer sich gewendet,
Und daran
zu Eisenstein
sind Sie nur schuld!
ROSALINDE
spricht
Also noch verschärft die Strafe? Statt fünf Tage - acht Tage!
EISENSTEIN
Diese Zulage habe ich Herrn Dr. Stotterbock zu danken.
BLIND
Rei … rei … reizen Sie mich nicht! Sie allein haben durch Ihr Benehmen die Richter erbittert und mich obendrein ko … ko … konfus gemacht. Aber ich will Ihnen nichts nachtragen, und wenn Sie wieder einmal tüchtig eingesperrt werden sollen, vertret ich Sie abermals!
EISENSTEIN
Ja, ich bitte recht sehr!
BLIND
Wenn Sie wieder einmal mit einem Amtsdiener einen Konflikt haben sollten, genieren Sie sich nicht … Das nächste Mal arbeite ich Sie ganz sicher heraus!
EISENSTEIN
Alle Donnerwetter, ich empfehle mich Ihnen!
BLIND
Ihr Diener!
Schnell zur Tür hinaus.
SIEBENTER AUFTRITT
Rosalinde. Eisenstein. Später Adele.
EISENSTEIN
Ist das ein Vertreter! Solch blühender Unsinn hat noch in keinem Gerichtssaal gewuchert!
ROSALINDE
Mein armer Gabriel! Acht lange Tage - und heute noch!
EISENSTEIN
Heute noch!
singt
Es muss geschieden sein!
ROSALINDE
Und mit so einem Tenor haben sie dich verurteilen können, die Barbaren!
EISENSTEIN
Sie haben mich mit meinem Tenor gleich dort behalten wollen, und ich habe verflucht zu Kreuze kriechen müssen, bis man mir noch ein paar Stunden Freiheit bewilligt hat, um mit dir speisen zu können
klingelt
Verdenken kann ich's ihnen nicht: dreimal haben sie mich eingeladen; wer aber nicht kam, war ich!
ADELE
mit verweinten Augen, gepresster Stimme
Befehlen?
EISENSTEIN
Was bedeutet das? Du hast geweint? Doch nicht um mich, Adele?
ADELE
schluchzt
Meine arme Tante!
ROSALINDE
Die arme Frau ist sterbenskrank!
EISENSTEIN
Sterbenskrank? Ich habe sie ja soeben hoch zu Esel in die Weinberge reiten sehen.
ADELE
für sich
O verwünscht!
ROSALINDE
blickt auf Adele
So krank ist sie?
ADELE
Wer weiss, ob ihr der Doktor nicht den Esel verordnet hat?
EISENSTEIN
Eile jetzt in den "Goldenen Löwen" und bestelle ein delikates Souper. Was gut und teuer ist, soll man uns liefern.
Adele will fort
Noch eins! Wenn du zurückkehrst, suchst du mir aus meinen alten Kleidern den ältesten, schmutzigsten, zerrissensten und miserabelsten Anzug heraus.
ADELE
Wollen Euer Gnaden betteln gehen?
EISENSTEIN
Nein, aber ich will nicht angebettelt werden in der Gesellschaft, deren Mitglied ich heute nacht sein werde. Vor allem das Souper! Ich will mir heute noch bene tun an meinem Familientische.
ADELE
meldet im Abgehen
Herr Dr. Falke!
ACHTER AUFTRITT
Rosalinde. Eisenstein. Dr. Falke.
FALKE
sehr heiter
Ah, da ist er noch!
küsst Rosalinde die Hand
Mein Kompliment, schönste aller Frauen! Ich gratuliere von Herzen, dass Sie den Tyrannen auf acht Tage loswerden.
reicht Eisenstein die Hand
Aber auch dir wünsche ich Glück, denn die Zugabe von drei Tagen ist immerhin eine Errungenschaft, für die du dem Gerichtshofe eine Dankadresse schuldig bist!
ROSALINDE
Aber Herr Doktor!
EISENSTEIN
Lass ihn nur. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen! Schicke in den Keller, liebe Frau; die böse Zunge muss genetzt werden, wenn sie nicht zu spitz werden soll.
ROSALINDE
Keine schlechten Witze mehr, lieber Doktor! Wir müssen ja unseren armen Arrestanten ein wenig aufzuheitern suchen.
ab
NEUNTER AUFTRITT
Eisenstein. Falke.
FALKE
Rosalinde nachrufend
Freilich, ihn zu zerstreuen und aufzuheitern bin ich ja da, schöne Frau!
leiser zu Eisenstein
Ich komme, dich zu einem fürstlichen Souper mit den reizenden Koryphäen der Oper einzuladen.
EISENSTEIN
Bist du toll? Ich muss ja binnen einer Stunde meine Strafe antreten.
FALKE
Den Arrest kannst du morgen in aller Frühe antreten. Heute gehst du mit mir in die Villa Orlofskys, des jungen russischen Fürsten, der hier im Bade fabelhafte Summen verschwendet. Damen findest du dort, Damen, sag ich dir, ein wahrer Blütenflor, von der Kamelie bis zum Veilchen!
EISENSTEIN
Sind die Damen etwa die alte Garde der Oper?
FALKE
Wo denkst du hin?
zungenschnalzend
Die Eliteder ersten Quadrille und dann einige von dem jugendlichen Nachwuchs, die sogenannten Ratten.
EISENSTEIN
Teufel, mir wässert der Mund! Aber der Prinz …
FALKE
… hat mich dringend ersucht, einige junge Lebemänner meiner Bekanntschaft einzuladen.
EISENSTEIN
Man schmeichelt mir allerdings, dass ich ein liebenswürdiger Gesellschafter bin!
FALKE
Und dabei immer mit den tollsten Einfällen bei der Hand, zum Beispiel vor drei Jahren, als wir den Scheelendorfer Maskenball besuchten …
EISENSTEIN
Ich als Papillon, du als Fledermaus. Haha! Erinnerst du dich noch?
FALKE
bedeutungsvoll
Oh, so etwas vergisst man nicht so leicht!
EISENSTEIN
Es war ein kapitaler Spass!
FALKE.
O ja, für den Papillon, aber nicht für die Fledermaus!
EISENSTEIN
Dr. Häring, der heute präsidierte, war auch dabei. Hielt sich den Bauch vor Lachen und konnte mir nicht oft genug zurufen: "Das ist dir gelungen, Bruder!" - Und heute trug er mich: "Wie heissen Sie?" Und diktierte mir acht Tage. Oh, dieser schlechte gute Freund!
zieht seine Uhr aus der Tasche, lässt sie repetieren.
FALKE.
Ah, da ist ja der gewisse Rattenfänger!
EISENSTEIN
Was meinst du?
FALKE
Man behauptet, dass du mit dieser niedlichen Repetieruhr alle Kameliendamen köderst, wenn du ihnen den Hof machst. Du versprichst sie einer jeden …
EISENSTEIN
… aber gegeben habe ich sie noch keiner!
lacht
FALKE
Spitzbube, du wirst heute nacht abermals diesen Köder auswerfen können, denn ich rechne damit, dass du von der Partie bist?
Nr. 3 - Duett
FALKE
Komm mit mir zum Souper,
Es ist ganz in der Näh.
Eh du in der stillen Kammer
Laborierst am Katzenjammer,
Musst du dich des Lebens freun,
Ein fideler Bruder sein!
Ballerinen, leicht beschwingt,
In den blendendsten Toiletten,
Fesseln dich mit Rosenketten,
Wenn die Polka lockend klingt.
Freundchen, glaub mir, das verjüngt!
Bei rauschenden Tönen im blendenden Saal
Mit holden Sirenen beim Göttermahl,
Da fliehen die Stunden in Lust und Scherz,
Da wirst du gesunden von allem Schmerz.
Soll dir das Gefängnis nicht schädlich sein,
Musst du etwas tun, dich zu zerstreun.
Siehst du das ein?
EISENSTEIN
Das seh ich ein. -
Doch meine Frau, die darf nichts wissen.
FALKE
Du wirst zum Abschied zärtlich sie küssen,
Sagst: Lebewohl, mein süsses Kätzchen!
EISENSTEIN
Nein, nein! Mein Mauserl, sage ich,
Denn als Katze schleich ich selbst
Aus dem Hause mich.
FALKE
Denn als Katze schleichst du selbst
Aus dem Hause dich. -
Und während sie schläft ganz fest,
Gehst du statt in deinen Arrest
Mit mir zu dem himmlischen Fest!
EISENSTEIN
Mit dir zu dem himmlischen Fest!
FALKE
Ich führe dich als Fremden ein,
Marquis Renard sollst dort du sein.
So wird man nichts erfahren können.
Willst du?
EISENSTEIN
Ach, ich wäre schon erbötig …
FALKE
Du musst!
EISENSTEIN
Wenn nur …
FALKE
Du musst dir's vergönnen,
Zur Gesundheit ist's ja nötig!
EISENSTEIN
Ja, ich glaub, du hast recht.
Die Ausred' ist nicht schlecht!
FALKE
Soll dir das Gefängnis nicht schädlich sein …
EISENSTEIN
Soll mir das Gefängnis nicht schädlich sein …
BEIDE
… Musst du (Muss ich) etwas tun, dich (mich) zu zerstreun!
FALKE
So kommst du?
EISENSTEIN
Wer kann widerstehn? Ja, ich bin dabei.
FALKE
Zum Teufel mit deiner Leimsiederei!
BEIDE
Ein Souper uns heute winkt,
Wie noch gar keins dagewesen:
Schöne Mädchen, auserlesen,
Zwanglos man dort lacht und singt.
Lalalala …
Beide tanzen lustig durchs Zimmer, während Rosalinde eintritt.
ZEHNTER AUFTRITT
Eisenstein. Falke. Rosalinde.
ROSALINDE
mit einem zerrissenen Rock und alten Hut blickt erstaunt auf die Tanzenden
Was ist denn das?
EISENSTEIN, FALKE
unterbrechen den Tanz
ROSALINDE
Was treibt ihr denn, meine Herrn?
FALKE
etwas verlegen
Nicht wahr, das ist mir gelungen?
EISENSTEIN
Er hat mich getröstet.
FALKE
Eine schwierige Aufgabe, aber ich habe sie glücklich gelöst.
EISENSTEIN
Jawohl, ich gehe jetzt in meinen Arrest, als ob ich zu einem Lustgelage ginge!
FALKE
Was bringen Sie uns denn da, gnädige Frau?
ROSALINDE
Die Toilette für unseren Arrestanten.
drückt Eisenstein den Hut auf den Kopf
Ist dir der Hut recht?
EISENSTEIN
schleudert den Hut fort
Warum nicht gar! Willst du denn einen Räuber aus mir machen?
ROSALINDE
Aber du befahlst ja Adele …
FALKE
nimmt den Rock
Und dieser Kittel! Wenn du den anlegst, lässt dich der Gefängnisdirektor gleich mit 25 bewillkommnen!
ROSALINDE
erschrocken
Himmel!
FALKE
greift nach seinem Hute
Gnädige Frau …
ROSALINDE
Sie wollen uns schon verlassen?
FALKE
Es ist schon spät, und ich will dem Gefängnisdirektor, Herrn Frank, seinen neuen Hausgenossen anmelden. Ich werde dich dort erwarten, Freund Eisenstein!
ab
EISENSTEIN
ruft ihm nach
Meine Empfehlung an die Ratten!
ELFTER AUFTRITT
Rosalinde. Eisenstein.
ROSALINDE
An die Ratten!?
EISENSTEIN
Natürlich an die Ratten! Die Ratten illustrieren die Poesie des Kerkers.
ROSALINDE
Gerechter Gott, bei den Ratten wirst du einquartiert!
EISENSTEIN
Warum denn nicht? Es sind ja ganz possierliche Tierchen. Ich werde mich gut mit ihnen unterhalten.
singt
Juchheissa, hopsassa, trallala!
ROSALINDE
Aber jetzt ist doch nicht Zeit, juchheissa, hopsassa zu singen!
EISENSTEIN
Nein, denn es ist Zeit, an meine Toilette zu denken.
ROSALINDE
Toilette fürs Strafhaus?
EISENSTEIN
Natürlich! Falke meint, es sei leicht möglich, dass ich dort eine geschlossene Gesellschaft finde.
küsst Rosalinde auf die Stirn
Ich weiss, wie ich mich kleide:
In schwarzen Samt und Seide
Mit einem Chapeau bas -
Gleich bin ich wieder da!
ab
ZWÖLFTER AUFTRITT
Rosalinde. Später Adele.
ROSALINDE
allein
Der Mann ist ja wie ausgewechselt! Mir scheint, er freut sich ordentlich, eingesperrtzu werden. Wenn ich nur wüsste, was ich mit dem da unten anfangen soll? Ich habe geschworen, ihn zu empfangen, und wenn man einmal einen solchen schweren Schwur schwört, muss man diesen Schwur halten, sei es noch so schwer!
ADELE
bringt auf einer Platte einen Wildschweinkopf mit einem Rosenbukett im Rüssel
Der "Löwe" schickt diesen wilden Schweinskopf.
ROSALINDE
Und du hast das Ungeheuer angenommen?
ADELE
Er hat sonst nichts vorrätig gehabt.
ROSALINDE
sinnend vor dem Schweinskopf
So muss ich ihn denn annehmen?
ADELE
Freilich, ich habe ihn ja schon bezahlt!
ROSALINDE
ohne auf Adele zu achten
Meinen Schwur muss ich halten. Empfangen werde ich ihn, aber nur, um ihn gleich wieder zu entlassen. Aber Adele muss ich mir aus dem Wege schaffen.
laut zu Adele
Nun, wie befindet sich denn deine alte kranke Tante nach der Eselspartie?
ADELE
I nu … so so! Den Umständen angemessen …
ROSALINDE
Sollte diese alte kranke Tante nicht ein junger, gesunder Vetter sein?
ADELE
Gnädige Frau, ich bitte recht sehr …
ROSALINDE
Aber gleichviel, Tante oder Vetter, ich gebe dir den Urlaub ohne Fragezeichen.
ADELE
Wahrhaftig, gnädige Frau? Aber früher haben Sie mir ihn rundweg abgeschlagen?
ROSALINDE
Weil ich früher verdriesslich war, jetzt bin ich bei besserer Laune.
ADELE
Weil der gnädige Herr eingesperrt wird?
ROSALINDE
Mamsell Naseweis!
ADELE
Bitte um Verzeihung, gnädige Frau!
DREIZEHNTER AUFTRITT
Rosalinde. Adele. Eisenstein.
EISENSTEIN
in eleganter Balltoilette, parfümiert sich
So: die Haare Violet de Mars, die Wäsche Fleur d'Orange! Jetzt habe ich nur noch den Frack zu wässern mit Eau de Cologne. Hast du nicht gehört, Adele? Eau de Cologne habe ich befohlen.
ADELE
holt einen Flakon
EISENSTEIN
sich bespritzend
So, jetzt dufte ich anständig!
ROSALINDE
Und diese strenge Balltoilette hast du für die Gefangenen gemacht?
EISENSTEIN
Damit sie sehen, dass ich ihrer würdig bin! Diese Herren Spitzbuben pflegen uns gleich über die Achsel anzuschauen. Habt ihr nicht eine Rose, Kamelie oder …
bemerkt das Bukett im Rüssel des Schweinskopfes
erlauben schon, Baron Wildschwein!
befestigt die Rosen in seinem Knopfloch.
ROSALINDE
Unbegreiflich!
EISENSTEIN
Aber es ist Zeit. Leb wohl!
ROSALINDE
Wie? Ohne zu soupieren?
EISENSTEIN
Ich werde mit den Ratten soupieren.
ADELE
Und was geschieht mit dem Schweinskopf?
ROSALINDE
Bring ihn deiner armen kranken Tante!
ADELE
Tausend Dank, gnädige Frau! Das wird die arme Frau mit dem schwachen Magen recht erquicken!
EISENSTEIN
affektiert die Arme ausbreitend
Rosalinde, meine teure Rosalinde!
ROSALINDE
bewegt in seine Arme stürzend
Mein armer Gabriel?
EISENSTEIN
Süsse Träume mögen dich umgaukeln, während ich die ganze Nacht ruhelos durchwachen werde.
macht Tanzschritte
ADELE
seufzt
Wie traurig!
EISENSTEIN
In solcher Situation hat man nur die Wahl, entweder in Schmerz zu vergehen oder sich rasch voneinander loszureissen. Reissen wir uns los!
ROSALINDE
schluchzt
Unmöglich!
ADELE
Probieren Sie es nur; vielleicht geht's doch!
EISENSTEIN
Ermanne dich, Weib, ermanne dich!
Nr. 4 - Terzett
ROSALINDE
So muss allein ich bleiben
Acht Tage ohne dich?
Wie soll ich dir beschreiben
Mein Leid so fürchterlich?
Wie werd ich es ertragen,
Dass mich mein Mann verliess?
Wem soll mein Leid ich klagen?
O Gott, wie rührt mich dies!
Ich werde dein gedenken
Des Morgens beim Kaffee,
Wenn ich dir ein will schenken,
Die leere Tasse seh.
Kann keinen Gruss dir winken.
Aus Jammer werd ich g'wiss
Ihn schwarz und bitter trinken! - Ach!
EISENSTEIN
O Gott, wie rührt mich dies!
ALLE DREI
O Gott, wie rührt mich dies!
O je, o je, wie rührt mich dies!
ROSALINDE
Wo bleibt die traute Gruppe,
Kommt Mittag dann heran?
Beim Rindfleisch wie zur Suppe,
Zum Braten - keinen Mann!
Und sinkt der nächt'ge Schleier,
Gibt's wieder mir 'nen Riss,
Mein Schmerz wird ungeheuer!
ALLE DREI
O Gott, wie rührt mich dies!
O je, o je, wie rührt mich dies!
EISENSTEIN
Was soll das Klagen frommen,
Den Kopf verlier ich schier,
ROSALINDE
Mein Kopf ist ganz benommen.
ADELE
den Schweinskopf nehmend
Den meinen hab ich hier!
EISENSTEIN
Leb wohl, ich muss nun gehen.
ROSALINDE
Leb wohl, du musst nun gehen.
ADELE
Leb wohl, er muss nun gehen.
ALLE DREI
Doch bleibt ein Trost so süss:
ADELE
Es gibt ein Wiedersehen, es gibt ein Wiedersehen!
ALLE DREI
O Gott, o je, wie rührt mich dies!
Eisenstein tanzt ab. Adele folgt, während Rosalinde zurückbleibt.
VIERZEHNTER AUFTRITT
Rosalinde. Später Alfred.
ROSALINDE
allein
Er weint und tanzt zugleich. Wie leichtsinnig doch diese Männer sind! Er wird sich schnell zu trösten wissen, während ich arme Frau einsam und verlassen um ihn traure, bis … der andere kommt! Nein, der andere darf nicht kommen; ich gehe hinunter und lasse alle Türen schliessen.
geht gegen die Tür
Ja, ich sperre zu!
kehrt langsam wieder um
Ich kann nicht, ich darf aber auch nicht! Ich habe geschworen, und was man geschworen hat, muss man halten, sonst ist man verloren.
horcht gegen die Tür
Man kommt; er ist's!
setzt sich
Er wird mich trösten wollen, da wird er sich aber irren. Ich bleibe untröstlich!
ALFRED
in der Tür
Er brummt!
ROSALINDE
mit einem Seufzer
Er brummt!
ALFRED
bemerkt den Wein auf dem Tisch
Sie haben, wie ich sehe, schon dafür gesorgt, mich gastlich zu empfangen. Danke für die freundliche Aufmerksamkeit!
füllt ein Glas
ROSALINDE
pikiert
Machen Sie keine Umstände, bitte!
ALFRED
Sie haben recht. Da sind ja auch die Attribute des legitimen Hausherrn: Schlafrock und Kappe! Wohlan, ich will mich auf einen Augenblick in mein verlorenes Paradies zurückträumen. Ich will mir einbilden, Ihr Gemahl zu sein.
zieht seinen Rock aus und bekleidet sich mit Schlafrock und Kappe
ROSALINDE
Mein Gott, was tun Sie denn?
ALFRED
Kommod mach ich mir's!
isst und trinkt
Hast du keinen Appetit, liebes Weibchen?
ROSALINDE
Das ist doch zu arg!
ALFRED
Morgen früh keinen Kaffee, liebe Alte! Ich bitte um ein russisches Frühstück: Kaviar, Roastbeef, Heringssalat …
ROSALINDE
Zum Frühstück! Er wird doch nicht …
ALFRED
Und Rostopschin … ich liebe starke Getränke!
ROSALINDE
mit aufgehobenen Händen
Ich bitte, ich beschwöre Sie, verlassen Sie mich jetzt! Ich habe Sie empfangen, um meinen Schwur zu halten. Doch nun genug! Sie werden durch Fortsetzung dieses Scherzes nicht diejenige kompromittieren wollen, die Ihnen einst teuer war.
ALFRED
Kompromittieren will ich Sie nicht, aber Ihren Wein will ich auch nicht stehen lassen. Also trinken wir
einschenkend
und singen wir dazu!
ROSALINDE
Nein, nicht singen; nur nicht singen!!
ALFRED
Ei, warum denn nicht? Sie haben doch einst meinen Tenor so gern gehört!
ROSALINDE
Ach, das ist's ja eben! Nur zu gerne!
ALFREDschenkt ein und trinkt
Frisch gesungen!
Nr. 5 - Finale
Trinklied
ALFRED
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell.
Sind die schönen Äuglein klar,
Siehst du alles licht und wahr.
Siehst, wie heisse Lieb' ein Traum,
Der uns äffet sehr,
Siehst, wie ew'ge Treue Schaum -
So was gibt's nicht mehr!
Flieht auch manche Illusion,
Die dir einst dein Herz erfreut,
Gibt der Wein dir Tröstung schon
Durch Vergessenheit.
Glücklich ist, wer vergisst,
Was doch nicht zu ändern ist!
Sing, sing, sing, trink mit mir,
Sing mit mir - Lalalala!
ROSALINDE
Ach, was tut man hier?
BEIDE
Glücklich ist, wer vergisst,
Was doch nicht zu ändern ist!
ROSALINDE
Er geht nicht von hinnen,
Schläft hier wohl noch ein.
Was soll ich beginnen?
ALFRED
Stoss an!
ROSALINDE
Nein, nein!
ALFRED
Ach!
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell.
Mach doch nur kein bös Gesicht,
Sei hübsch lustig, grolle nicht!
Brachst du einmal auch die Treu,
Das sei dir verziehn.
Schwöre wieder mir aufs neu,
Und ich glaub dir kühn!
Glücklich macht uns Illusion,
Ist auch kurz die ganze Freud.
Sei getrost, ich glaub dir schon
Und bin glücklich heut!
ROSALINDE
Ach!
BEIDE
Glücklich ist, wer vergisst,
Was doch nicht zu ändern ist!
ROSALINDE
spricht
Ich höre Stimmen;
man spricht unten
Weh mir!
zu Alfred
Hören Sie, man kommt die Treppe herauf!
ALFRED
Das geniert mich nicht!
ROSALINDE
Himmel, welche Lage!
FÜNFZEHNTER AUFTRITT
Rosalinde. Alfred. Frank. Amtsdiener.
FRANK
öffnet die Tür, zum Amtsdiener
Bleibt nur noch vorläufig draussen!
tritt ein
Erschrecken Sie nicht, gnädige Frau, ich bin Gefängnisdirektor Frank und kann mir das Vergnügen nicht versagen, Ihren renitenten Herrn Gemahl persönlich in sein Stilleben zu geleiten.
ROSALINDE
Aber mein Gemahl ist ja …
ALFRED
singt
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell!
ROSALINDE
spricht leise zu Alfred
So schweigen Sie doch, wir sind nicht allein!
ALFRED
Das geniert mich nicht!
singt
Kling, kling, sing, sing,
Trink mit mir, sing mit mir!
FRANK¨
spricht
Mein Wagen wartet unten. Ich hoffe, Sie werden keinen Widerstand leisten …
ALFRED
singt
Nein! - Glücklich ist, wer vergisst,
Was doch nicht zu ändern ist!
FRANK
spricht
Hahaha! Ganz recht! Ich sehe, Sie fassen die Sache von der humoristischen Seite auf.
ALFRED
bietet Frank ein Glas, singt
Trink mit mir! Sing mit mir! Sing!
FRANK
spricht
Meinetwegen, hahaha!
ALFRED, FRANK
singen
Glücklich ist, wer vergisst,
Was nicht mehr zu ändern ist!
FRANK
Sie sehn, ich kann auch gemütlich sein,
Nun kommen Sie, mein Herr von Eisenstein!
ROSALINDE
Was soll ich tun? O welche Pein!
ALFRED
Ich bin nicht Herr von Eisenstein,
Bin nicht der, den Sie suchen!
FRANK
Sie sind es nicht?
ALFRED
Zum Wetter, nein!
FRANK
Nur Ruhe, nicht gleich fluchen!
ROSALINDE
leise zu Alfred
Sie müssen jetzt mein Gatte sein!
FRANK
für sich
Sollt ich hier hintergangen sein?
Couplet
ROSALINDE
Mein Herr, was dächten Sie von mir,
Säss' ich mit einem Fremden hier?
Das wär' doch sonderbar!
Mit solchen Zweifeln treten ja
Sie wahrlich meiner Ehr zu nah,
Beleid'gen mich fürwahr!
Spricht denn diese Situation
Hier nicht klar und deutlich schon?
Mit mir so spät im Tête-à-tête
Ganz traulich und allein,
In dem Kostüm, so ganz intim,
Kann nur allein der Gatte sein.
ALLE DREI
Mit ihr (mir) so spät im Tête-à-tête
Ganz traulich und allein,
In dem Kostüm, so ganz intim,
Kann nur allein der Gatte sein.
ROSALINDE
Gleich einem Pascha fanden Sie
Ihn mir im Schlafrock vis-à-vis,
Die Mütze auf dem Haupt.
Dass man bei solchem Bilde noch
Ein wenig zweifeln könnte doch,
Das hätt' ich nie geglaubt.
Sehen Sie doch, wie er gähnt,
Wie er sich nach Ruhe sehnt!
Im Tête-à-tête mit mir so spät
Schlief er beinah schon ein.
So ennuyiert und so blasiert
Kann nur allein ein Ehmann sein!
ALLE DREI
Im Tête-à-tête mit ihr (mir) so spät
Schlief er beinah schon ein.
So ennuyiert und so blasiert
Kann nur allein der Ehmann sein!
FRANK
Nein, nein, ich zweifle gar nicht mehr,
Doch da ich fort nun muss,
So geben Sie, ich bitte sehr,
Sich schnell den Abschiedskuss.
ROSALINDE
Den Abschiedskuss?
ALFRED
Den Abschiedskuss!
FRANK
Den Abschiedskuss …
ROSALINDE
Nun denn, wenn es sein muss …
Da haben Sie den Kuss!
ALFRED
während Frank sich abgewendet hat
Soll ich schon brummen müssen
Für Ihren werten Herrn Gemahl,
Kann ich für ihn auch küssen -
Komm, Weibchen, küss mich noch einmal!
FRANK
wendet sich
Mein Herr, ich bin etwas pressiert,
Da heut ich selbst noch invitiert,
Drum lassen Sie uns gehn,
Ja, lassen endlich Sie uns gehn!
ROSALINDE
leise zu Alfred
Sie finden gewiss dort meinen Gemahl.
ALFRED
Wir brummen vielleicht in demselben Lokal.
ROSALINDE
Oh, schonen Sie mich!
ALFRED
Ganz sicherlich!
FRANK
nachdem er sich mit dem Amtsdiener verständigt
Folgen Sie nun schnell, der Wagen ist zur Stell',
Drum fort, drum fort nur schnell!
Mein schönes, grosses Vogelhaus,
Es ist ganz nahe hier.
Viel Vögel flattern ein und aus,
Bekommen Freiquartier.
Drum lad ich Sie ganz höflich ein,
Verehrtester, ich bitt,
Dort auch mein werter Gast zu sein,
Verehrtester, ich bitt,
Spazieren S' gefälligst mit!
ALFRED
Wenn es sein muss, so will ich gehn.
ROSALINDE
Doch schweigen Sie!
ALFRED
Es soll geschehn!
FRANK
Nur fort, schnell fort!
ALFRED
Gleich will ich mich bequemen,
Doch erst noch Abschied nehmen!
ROSALINDE
Genug, mein Herr, es ist schon gut!
ALFRED
Ein Küsschen noch, dann hab ich Mut!
ROSALINDE
Nein, nein, genug; wir müssen scheiden!
ALFRED
Ein Küsschen gibt Trost mir im Leiden!
FRANK
Mein Herr, genug der Zärtlichkeit,
Wir kommen nicht zu Ende heut,
Genug, es ist jetzt Zeit!
ALLE DREI
Sein (Mein) schönes, grosses Vogelhaus,
Es ist ganz nahe hier.
Viel Vögel flattern ein und aus,
Bekommen Freiquartier.
Er ladet Sie (Er ladet mich) ganz höflich ein,
(Drum lad ich Sie ganz höflich ein,)
Dort auch sein (mein) Gast zu sein!
ROSALINDE
Drum bitt ich, fügen Sie sich drein,
Es muss ja leider sein!
Ach ja, leider muss es sein!
ALFRED
Ich füge vorderhand mich drein,
Das wird das beste sein,
Das wird wohl vorderhand das allerbeste sein!
FRANK
Ich bitte, fügen Sie sich drein,
Das wird das beste sein,
Es muss geschieden sein!
ROSALINDE
Nun wohlan, das Schicksal will,
Dass heut allein ich soll soupieren.
Ja, ich füge willig mich darein.
Warum soll man noch vergeblich
Streiten hier und lamentieren?
Fort, nur fort, es muss, es muss ja sein!
ALFRED
Ach, wie gern möcht ich mit Ihnen hier soupieren,
Aber wie ich sehe, soll's nicht sein.
Ach, das Schicksal will mich grausam schon von hinnen führen,
Fort denn, fort, es muss ja sein!
FRANK
Kommen Sie, ich selbst will heute auch soupieren,
Fügen Sie sich endlich doch darein.
Lassen ohne Umständ' Sie sich arretieren,
Fort nur, fort, es muss ja sein!
Alfred entwischt mehrfach den Händen Franks und des Amtsdieners und umarmt Rosalinde. Schliesslich wird er fortgeführt, während Rosalinde in seinen Sessel sinkt.