ZWEITER AKT
Nr. 6 - Entreakt
Grosser Gartensalon und Garten in der Villa Orlofsky, glänzend beleuchtet.ERSTER AUFTRITT
Melanie. Faustine. Felicitas. Sidi. Minni. Hermine. Sabine. Natalie. Weitere Ballerinen. Ali Bey. Ramusin. Murray, Carikoni. Herren.Nr. 6 a - Chor
CHOR DER GÄSTEEin Souper heut uns winkt,
Wie noch gar keins dagewesen,
Delikat, auserlesen
Immer hier man speist und trinkt!
Alles, was mit Glanz die Räume füllt,
Erscheint uns wie ein Traumgebild.
Wie in einen Zauberkreis gebannt,
Ruft alles: ha, charmant, amüsant!
Ein Souper heut uns winkt,
Wie noch gar keins dagewesen,
Delikat, auserlesen
Immer man hier speist und trinkt!
1. DIENERGefrornes!
MELANIEMir ein wenig her!
2. DIENERLimonade!
FAUSTINEHier, ich bitte sehr!
3. DIENERKonfitüren!
FELICITASHier!
4. DIENERSchokolade!
MINNIHier!
HERMINEMir eine Tasse Tee!
NATALIEIch bitte um Kaffee!
4. DIENERSogleich! Sogleich!
MEHRERE DAMENHier ein Tee!
MEHRERE HERRENHier Kaffee!
CHORWie fliehen schnell die Stunden fort,
Die Zeit wird sicher keinem lang,
Es heisst ja hier das Losungswort:
Amüs'ment, Amüs'ment!
MELANIEsprichtDas muss man sagen, diese Villa Orlofsky ist ein wahres Paradies!
FAUSTINEEine Oase in der Sandwüste dieses Badeorts!
ALI BEYGanz recht, eine Oase in der Wüste! Wir Ägypter kennen das!
FELICITASAber wo ist denn eigentlich unser splendider Wirt, der Prinz?
SIDI
Ich bin schon sehr neugierig, ihn kennenzulernen. Er hätte uns doch eigentlich empfangen sollen.
RAMUSINDas tut er nie! Er lässt seine Gäste gern erst ein wenig warm werden. Der Empfang langweilt ihn.
MURRAYWir in Kanada werden nicht so leicht warm!
ALI BEYDie russische Heizung ist aber nicht schlecht!
CARIKONIÜbrigens ist es noch sehr früh, kaum zehn Uhr.
MELANIE
Wir sind noch nicht einmal alle beisammen.
FAUSTINE
Dr. Falke, der die Arrangements übernahm, hat uns für heute ganz besondere Überraschungen versprochen.
FELICITAS
Er selbst ist aber noch nicht da.
CARIKONI
Ich mache der Gesellschaft einen Vorschlag. Folgen Sie mir ins Spielzimmer, ich lege ein Bänkchen.
FAUSTINE
zu Murray
Ich habe mein Portemonnaie vergessen. Werden Sie mir das Ihre leihen?
MURRAY
Bedaure, wir in Kanada verlieren unser Geld am liebsten selbst!
MINNI
zu Ramusin
Was Sie gewinnen, gehört mir?
RAMUSIN
Und was ich verliere?
CARIKONI
Das gehört mir!
ALLE
singen
Wie fliehen schnell die Stunden fort,
Die Zeit wird sicher keinem lang,
Es heisst ja hier das Losungswort:
Amüs'ment, Amüs'ment!
Gehen ab
ZWEITER AUFTRITT
Ida. Adele, sehr elegant gekleidet.
IDA
erregt
In der Tat, ich kann nicht genug staunen, dich hier zu finden!
ADELE
ebenso
Und ich kann nicht genug staunen über dein Erstaunen.
IDA
Hast du denn einen Freund hier?
ADELE
Noch nicht; aber wenn ich ihn hier finden wollte, brauchte ich nicht lange zu suchen.
IDA
Aber um Himmels willen, sag mir nur, wer dich eingeladen hat?
ADELE
Wer? Mir scheint, mein Schwesterchen will sich lustig machen über mich. Oder sollte es den Brief an mich im Schlaf geschrieben haben?
IDA
Ich - ich hätte an dich geschrieben?
ADELE
Mit der dringenden Bitte, mich frei zu machen und in grosser Toilette in der Villa Orlofsky zu erscheinen.
IDA
Das hätte ich dir geschrieben?
ADELE
Oder der grösseren Deutlichkeit wegen schreiben lassen.
IDA
Ich weiss von nichts. Sicher hat sich jemand einen Spass gemacht.
ADELE
Wehe dann dem Spassvogel! Ich lasse unsere alte Tante sterbenskrank werden, lasse ihr erst einen Esel, dann einen Schweinskopf verschreiben, bade mich in Tränenfluten, bis ich einen Ausgang erjammere, mache heimlich eine Zwangsanleihe aus der Garderobe meiner Gnädigen, schwebe reizend wie eine Feenkönigin daher und werde von meiner Schwester empfangen, als ob ich fünf Gulden von ihr ausleihen wollte. Aber so tief sind wir noch nicht gesunken, Gott sei Dank!
IDA
Aber ich bitte dich! Bedenke nur selbst, du … ein Stubenmädchen in unserer Gesellschaft!
ADELE
Nun, gar zu viel darfst du dich nicht mit deiner Charge brüsten, solange du noch im letzten Glied des Korps der Rache figurierst!
IDA
Bitte recht sehr: zweite Quadrille, erste Figur!
ADELE
Alle Hochachtung!
IDA
Indes, du siehst nicht übel aus … da bist du einmal … niemand kennt dich hier. Ich will es wagen, dich als Künstlerin vorzustellen.
ADELE
Als Künstlerin? Nun, vielleicht akzeptiert man mich dafür.
IDA
Man kommt! Spiel deine Rolle gut, sonst blamierst du mich und dich!
ADELE
Ich werde mir alle Mühe geben.
DRITTER AUFTRITT
Adele. Ida. Orlofsky. Dr. Falke.
ORLOFSKY
eine Zigarette rauchend
Ich habe in meinen achtzehn Jahren vierzig durchlebt, Doktor. Alles langweilt mich; ich kann nicht mehr lachen.
seufzt
Meine Millionen sind mein Unglück!
FALKE
Das Unglück will ich gern mit Ihnen teilen, Durchlaucht!
ORLOFSKY
Und meinen Sie, dass wir heute lachen werden?
FALKE
Ich hoffe es, Durchlaucht. Sie haben mir plein pouvoir gegeben, und ich war bemüht, einen kleinen dramatischen Scherz vorzubereiten.
ORLOFSKY
Wie heisst das Stück?
FALKE
Rache einer Fledermaus!
ORLOFSKY
Der Titel ist originell genug!
IDA
leise zu Adele
Der Junge ist der Prinz.
ADELE
Noch so klein und schon Prinz?
FALKE
bemerkt Adele, für sich
Da ist sie; mein Briefchen hat gewirkt.
zum Prinzen, auf Adele deutend
Das ist schon eine meiner handelnden Personen.
ORLOFSKY
fixiert Adele durchs Lorgnon
Wahrscheinlich die Soubrette?
IDA
vorstellend
Fräulein Olga, mein Fräulein Schwester Olga, Durchlaucht.
ORLOFSKY
Olga? Das ist ein Name aus meinem Kalender.
zu Adele
Sprechen Sie russisch?
ADELE
Nein, das ist mir zu kalt.
ORLOFSKY
Natürlich auch Künstlerin?
IDA
Und was für eine! Ich sage nichts als theaterakademische Spezialität!
ORLOFSKY
Das lasse ich mir gefallen! Ich liebe die Künstlerinnen, besonders die angehenden. Sind Sie also eine angehende?
ADELE
Man hat wenigstens schon öfters bei meinen Leistungen gesagt: "Es geht an!"
Lachen hinter der Szene.
FALKE
Ah, unsere Gesellschaft unterhält sich schon beim Spiel. Sicher ist Carikoni der Verführer. Wollen Durchlaucht nicht teilnehmen?
ORLOFSKY
Nein, ich könnte zufällig gewinnen, und das langweilt mich. Aber Sie, meine Damen, hätten vielleicht die Güte, ein paar tausend Francs für mich zu wagen?
Adele eine Brieftasche reichend
Wollen Sie mit dem Inhalt dieser Brieftasche mein Glück auf die Probe stellen?
ADELE
Mit Vergnügen! Aber wenn wir Unglück haben sollten?
ORLOFSKY
So werde ich das Glück haben, Sie bald wieder hier zu sehen.
IDA
abgehend zu Adele
Wie gefällt dir der Russe?
ADELE
Er amüsiert mich mit seiner Langeweile.
Beide ab
VIERTER AUFTRITT
Orlofsky. Falke. Später Ivan. Zuletzt Eisenstein.
ORLOFSKY
Nun erklären Sie mir doch, Doktor, was Sie vorhaben?
FALKE
Gönnen mir Durchlaucht das Vergnügen der Überraschung. Vorläufig nur das eine: diese Olga ist die Kammerjungfer unseres Helden.
IVAN
meldet
Der Marquis von Renard!
FALKE
Das ist unser Held selbst!
EISENSTEIN
tritt ein
Ah, da bist du ja! Du siehst, ich habe mich beeilt. Das Souper hat doch noch nicht begonnen?
FALKE
O nein.
EISENSTEIN
Und die Damen, die reizenden Damen, die du mir versprochen hast?
FALKE
Sind alle hier im Speisezimmer versammelt.
EISENSTEIN
mit einem Schritt nach rechts
Hier?
ORLOFSKY
ihm entgegen
Sie wollen die Güte haben, mit uns zu soupieren, mein Herr? Ich heisse Sie willkommen.
EISENSTEIN
verbeugt sich, dann leise zu Falke
Wer ist denn das junge hübsche Bürschchen?
FALKE
vorstellend
Prinz Alexander Orlofsky, unser Gastgeber.
EISENSTEINDas … das wäre …
ORLOFSKYWoher dies Staunen?
EISENSTEINVerzeihen Durchlaucht, aber die Tscherkessen, die ich bis jetzt kennenlernte, waren sämtliche grösser und umfangreicher.
FALKEleise zu OrlofskyIch habe eine göttliche Idee. Ich lade seine Frau ein.
ORLOFSKYSie wird nicht kommen.
FALKESie kommt! Ich habe ein Mittel. Beschäftigen Sie nur einen Augenblick den Mann.
Im folgenden schreibt Falke einen Brief und lässt ihn durch einen Diener expedieren.ORLOFSKYsehr ernst zu EisensteinEine Frage, Herr Marquis.
EISENSTEINBitte, bitte …
ORLOFSKYIch ersuche Sie als Mann von Ehre zu antworten - aufrichtig - offenherzig - ohne Rückhalt!
EISENSTEINWa - was?
ORLOFSKYTrinken Sie ein Gläschen Madeira mit mir?
EISENSTEINUnd das ist alles?
ORLOFSKYungeduldigTrinken Sie!?
EISENSTEINMit dem grössten Vergnügen.
ORLOFSKYruftMadeira, Ivan!
EISENSTEINfür sichUnd zu dieser Frage eine Einleitung, als ob der durchlauchtigeste Grünschnabel mein Beichtvater wäre!
ORLOFSKYSetzen Sie sich. - Nun, so setzen Sie sich doch!
EISENSTEINfällt in einen SesselIch sitze schon!
FÜNFTER AUFTRITT
Orlofsky. Eisenstein. Falke. Ivan mit Wein und Gläsern.
ORLOFSKYTrinken Sie!
EISENSTEINZu dienen!
schenkt sich hastig ein, für sichWie der mit mir herumkommandiert!
ORLOFSKYHören Sie mich an! Ich muss Sie vor allen Dingen mit meinen nationalen Eigentümlichkeiten bekannt machen.
Nr. 7 - Couplet
ORLOFSKYIch lade gern mir Gäste ein,
Man lebt bei mir recht fein,
Man unterhält sich, wie man mag,
Oft bis zum hellen Tag.
Zwar langweil ich mich stets dabei,
Was man auch treibt und spricht,
Indes, was mir als Wirt steht frei,
Duld ich bei Gästen nicht.
Und sehe ich, es ennuyiert
Sich jemand hier bei mir,
So pack ich ihn ganz ungeniert,
Werf ihn hinaus zur Tür.
Und fragen Sie, ich bitte,
Warum ich das denn tu?
's ist mal bei mir so Sitte:
Chacun à son goût!
EISENSTEINsprichtGehorsamer Diener! Ein echt russisches, drastisches Mittel! Wenn jeder, der sich langweilt, hinausgeworfen wird, werden sich sicher alle Gäste amüsieren!
ORLOFSKYWenn ich mit andern sitz beim Wein
Und Flasch' um Flasche leer',
Muss jeder mit mir durstig sein,
Sonst werde grob ich sehr.
Und schenke Glas um Glas ich ein,
Duld ich nicht Widerspruch.
Nicht leiden kann ich's, wenn sie schrein:
Ich will nicht, hab genug!
Wer mir beim Trinken nicht pariert,
Sich zieret wie ein Tropf,
Dem werfe ich ganz ungeniert
Die Flasche an den Kopf!
Und fragen Sie, ich bitte,
Warum ich das denn tu?
's ist mal bei mir so Sitte:
Chacun à son goût!
EISENSTEINsprichtWie harmlos! Wenn einer nicht mehr trinken will, fliegt ihm die Flasche an den Kopf! Das sind allerdings nationale Eigentümlichkeiten, die man beachten muss!
ORLOFSKYSchmeckt Ihnen der Madeira?
EISENSTEINAusgezeichnet!
ORLOFSKYMir leider nicht! Früher wirkten noch derlei Reizmittel; jetzt aber mundet mir gar nichts mehr. Ich habe nicht einmal Appetit auf die Liebe.
EISENSTEINOh, auf die Liebe habe ich noch immer gesegneten Appetit!
ORLOFSKYleert hastig sein GlasAch, ich möchte noch einmal jung werden!
EISENSTEINWünschen Durchlaucht vielleicht noch einmal in den hochfürstlichen Windeln zu liegen?
ORLOFSKYIch möchte lachen, herzlich lachen, und das kann ich so selten. Aber Dr. Falke hat mir versprochen, dass ich heut über Sie lachen soll.
EISENSTEINverblüfftÜber mich?
ORLOFSKYJa, über Sie!
zu FalkeNicht wahr, Falke, wir werden über den Herrn Marquis lachen?
FALKEIch hoffe es, Durchlaucht!
EISENSTEINWieso wollen Sie denn über mich …
betrachtet sich von allen Seiten.FALKEleise zu OrlofskyEs ist alles besorgt.
EISENSTEINfür sichWas flüstern sie da miteinander?
SECHSTER AUFTRITT
Vorige. Adele. Ida.ADELEOrlofsky die leere Brieftasche überreichendMein Prinz, ich stelle Ihnen Ihr Portefeuille zurück; es ist leer!
IDADer gerissene Carikoni hat uns alles abgenommen.
EISENSTEINAdele erblickendAlle Wetter!
ORLOFSKYWas gibt's?
EISENSTEINDas ist ja …
für sichDas ist mein Stubenmädchen!
ADELEleise zu IdaMein gnädiger Herr!
IDAWas sagst du?
EISENSTEINfür sichUnd noch dazu in der Robe meiner Frau!
ADELEzu IdaUnd die arme Frau glaubt, er schmachtet im Arrest!
FALKEstellt vorFräulein Olga … Fräulein Ida … Herr Marquis Renard!
ADELEfür sichJetzt heisst's alle Keckheit zusammennehmen!
IDAZeig, dass du Komödie spielen kannst!
EISENSTEINzu AdeleFräulein Olga heissen Sie?
ORLOFSKYMarquis, Sie machen so ein verteufelt verdutztes Gesicht. Falke hat recht, ich werde lachen!
EISENSTEINsucht sich zu fassenNur keine Blamage!
ORLOFSKYFräulein Olga scheint einen tiefen Eindruck auf Sie zu machen.
EISENSTEINO nein! Wieso? Ich glaubte nur … eine Ähnlichkeit …
entschlossen zu AdeleMein Fräulein, sind Sie immer Fräulein Olga gewesen?
ADELEMein Herr Marquis, sind Sie immer Marquis Renard gewesen?
FALKEBrava, ganz gut!
EISENSTEINNein, diese Ähnlichkeit!
ADELEMit wem, mein Herr, mit wem?
EISENSTEINMit … meinem Stubenmädchen!
ORLOFSKY, FALKElosplatzendHahaha!
ADELEIch einem Stubenmädchen ähnlich? Impertinent! Wollen Sie mich beleidigen?
EISENSTEINBeruhigen Sie sich! Das Stubenmädchen, dem Sie ähnlich sehen, ist ein reizendes, seltenes Exemplar, die Krone aller Stubenmädchen!
ADELEAch so, das ist etwas anderes!
ORLOFSKYImmer besser! Hahaha!
SIEBENTER AUFRITT
Vorige. Die ganze Gesellschaft.Nr. 8 - Ensemble und Couplet
ORLOFSKYAch, meine Herrn und Damen,
Hier gibt es einen Spass!
FALKEZur rechten Zeit Sie kamen!
MELANIE, FAUSTINEWas gibt's?
RAMUSIN, ALI BEY, MURRAY, CARIKONI.Was gibt's, was gibt's?
HERMINE, NATALIEWas gibt's?
ALLEErzählt doch, was?
ORLOFSKYdeutet auf AdeleSehn Sie, dies Fräulein zierlich,
Die hält der Herr Marquis für …
Nein, es ist possierlich!
DAMENFür was denn?
FALKERaten Sie!
ADELEFür eine Zofe hält er mich!
Ist das nicht lächerlich?
ORLOFSKY, FALKE UND CHORHahahaha!
Das ist sehr lächerlich!
Hahahaha!
ORLOFSKYMein Herr, das ist nicht sehr galant,
Wie kann man sich so irren!
Wie ungalant!
FALKE UND CHORWie ungalant!
EISENSTEINDie Ähnlichkeit ist zu frappant!
CHORWie ungalant! Wie ungalant!
EISENSTEINDas musste mich verwirren!
Couplet
ADELEMein Herr Marquis, ein Mann wie Sie
Sollt' besser das verstehn!
Darum rate ich, ja genauer sich
Die Leute anzusehn.
Die Hand ist doch wohl zu fein, ah,
Dies Füsschen so zierlich und klein, ah,
Die Sprache, die ich führe, die Taille, die Turnüre,
Dergleichen finden Sie bei einer Zofe nie!
Gestehen müssen Sie fürwahr,
Sehr komisch dieser Irrtum war.
Ja, sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha,
Drum verzeihn Sie, wenn ich lache, hahaha,
Sehr komisch, Herr Marquis, sind Sie.
ALLEJa, sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha.
ADELEMit dem Profil im griech'schen Stil
Beschenkte mich Natur.
Wenn nicht dies Gesicht schon genügend spricht,
So sehn Sie die Figur!
Schaun durch die Lorgnette Sie dann, ah,
Sich diese Toilette nur an, ah,
Es scheint mir wohl, die Liebe macht Ihre Augen trübe.
Der schönen Zofe Bild hat ganz Ihr Herz erfüllt!
Nun sehen Sie sie überall,
Sehr komisch ist fürwahr der Fall.
Ja, sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha,
Sehr komisch, Herr Marquis, sind Sie.
ALLEHahaha! Hahaha!
EISENSTEINsprichtAlle Wetter, jetzt ist's aber genug mit dem Lachen! Ich bitte um Pardon, meine Herrschaften, seien Sie grossmütig!
ADELEWenn Sie um Gnade bitten, sei Ihnen verziehen. Aber nehmen Sie sich in Zukunft vor schönen Kammerzofen in acht!
ACHTER AUFTRITT
Vorige. Ivan. Gleich darauf Frank.IVANmeldetDer Chevalier Chargrin!
ORLOFSKYleise zu FalkeChargrin?
FALKEebensoDer Gefängnisdirektor Frank.
ORLOFSKYAh so!
FALKEFrank entgegenIch heisse Sie willkommen im Namen Ihrer Durchlaucht!
ORLOFSKYWillkommen, Chevalier!
FRANKin BalltoiletteSie verzeihen, Durchlaucht, dass ich etwas spät …
ORLOFSKYOhne Umstände, meine Gäste sind bei mir zu Hause.
FALKEvorstellendChevalier Chargrin … Marquis Renard!
ORLOFSKYAlso Landsleute?
EISENSTEINfür sichO verflucht, der redet vielleicht französisch mit mir!
FRANKschüttelt Eisenstein die HandJ'ai l'honneur, Monsieur le Marquis!
EISENSTEINJ'ai l'honneur … serviteur!
für sichWill er noch mehr, gibt's ein Malhör!
FRANKVous êtes aussi Français?
EISENSTEINAussi, aussi, aussi!
für sichAussi möcht ich!
FRANKJe suis charmé de trouver un compatriot!
EISENSTEIN
zu Falke
Ich bitte dich, mach, dass er mich mit dem Französischen in Ruhe lässt - ich bin damit am Ende.
FALKE
Wir bitten aber deutsch, meine Herrn!
IDA
Ach ja, uns ist die deutsche Konversation geläufiger!
EISENSTEIN
Ich spreche zwar mit einem Landsmann nicht gern deutsch, indes, da die Damen es wünschen, meinetwegen.
FRANK
leise zu Falke
Ich danke Ihnen für den Titel "Chevalier"! Als Gefängnisdirektor kann ich doch in dieser Gesellschaft nicht auftreten!
EISENSTEIN
Sind Sie schon länger in diesem Badeort, Chevalier?
FRANK
Seit drei Tagen, Herr Marquis.
FALKE
Die Herren sind sich früher noch nicht begegnet?
EISENSTEIN
Nein, ich bedaure.
FRANK
Ich zeige mich selten öffentlich, ich bin ein grosser Freund von geschlossenen Zirkeln. In Zukunft aber hoffe ich …
EISENSTEIN
… werden wir uns öfter sehen!
reicht ihm die Hand.
FRANK
einschlagend
Und unsere Bekanntschaft fortsetzen!
FALKE
Ganz gewiss.
EISENSTEIN
zu Falke
Ein liebenswürdiger Mann, dieser Chevalier!
FRANK
ebenso zu Falke
Der Marquis gefällt mir ungemein!
FALKE
zu Orlofsky
Was werden die Herren erst sagen, wenn sie sich näher kennenlernen!
ORLOFSKY
Sehr gut.
IDA
Warum soupieren wir denn aber nicht? Ich habe schon schrecklichen Hunger.
MEHRERE DAMEN
Ich auch! Ich auch!
MURRAY
Wir in Kanada haben niemals Hunger, nur Durst!
FALKE
Die Herrschaften müssen sich noch ein wenig gedulden. Wir erwarten noch eine Dame.
ALLE
Eine Dame?
FALKE
Ja, eine Dame, und zwar eine wirkliche Dame, wegen der ich die Diskretion der ganzen Gesellschaft in Anspruch nehmen muss.
ALLE
Wieso?
CARIKONI
Das müssen Sie erklären!
FALKE
Es ist nämlich eine Dame aus den höchsten aristokratischen Kreisen, eine ungarische Gräfin, die gern unserem amüsanten Souper beiwohnen möchte, aber gewisse Rücksichten zu nehmen hat.
EISENSTEIN
Die Ärmste ist wohl verheiratet?
FALKE
Jawohl, und dazu an einen Mann, der so eifersüchtig ist, dass er seine Frau am liebsten im Zigarettenetui mittragen möchte. Obwohl nun ihr Krampus einige Tage entfernt von Madrid der süssen Ruhe pflegt, ist die Dame doch vorsichtig genug, so lustige Gesellschaften nur maskiert zu besuchen.
ALLE
Maskiert?
FALKE
Ja, und ich habe ihr versprochen, dass sie in vollem Vertrauen auf unsere Diskretion erscheinen könne. Schwören Sie mir also, ihre Maskenfreiheit zu achten.
ALLE
Wir schwören!
EISENSTEIN
Maskiert! Das ist interessant!
IDA
Wahrscheinlich ist sie hässlich!
MELANIE
Hat vielleicht nichts als ein Paar schöne Augen!
FAUSTINE
Und will uns damit Konkurrenz machen!
ALLE DAMEN
Lächerlich!
ORLOFSKY
zu Falke
Hören Sie, die Lästerzungen sind schon in voller Tätigkeit!
FALKE
Ich schlage vor, dass die Herrschaften noch eine kleine Promenade im Garten machen.
ALLE
durcheinander
Ja, ganz recht! Das wollen wir! Kommen Sie!
Die Gesellschaft verliert sich in den Garten.
ADELE
zu Eisenstein, der sie noch immer fixiert
Mein Herr Marquis, wie lange soll ich Ihnen denn noch als Orientierungsplan dienen?
EISENSTEIN
für sich
Diese Ähnlichkeit ist horrend! Sie ist aber dennoch viel hübscher als Adele. Ich muss experimentieren.
manövriert mit seiner Uhr vor Adeles Augen
FALKE
zu Frank, auf Ida deutend
Herr Chevalier, hier ist eine Stelle vakant.
FRANK
Ida den Arm bietend
Habe ich keinen Refus zu befürchten, wenn ich mich um eine so schöne Anstellung bewerbe?
IDA
Es kommt darauf an, ob Sie solchem Amte gewachsen sind.
Beide ab in den Garten.
EISENSTEIN
lässt seine Uhr repetieren.
Ah, du willst gewiss wieder wissen, wieviel's geschlagen hat?
ADELE
Welch niedliche, allerliebste Uhr!
EISENSTEIN
ihr den Arm bietend und den andern folgend
Sie ist eigentlich eine Damenuhr. Vielleicht bin ich heute so glücklich, sie einer liebenswürdigen Künstlerin verehren zu dürfen!
NEUNTER AUFTRITT
Falke. Dann Rosalinde.
FALKE
allein
Der Spitzbube! Wenn ihm nur einmal das Experiment misslänge und der Köder an irgendeinem Gürtel hängenbliebe! - Ah, da ist schon die Frau, die hat sich beeilt!
zieht sich etwas zurück
ROSALINDE
in Balltoilette, eine schwarze Halbmaske in der Hand
So werde ich hoffentlich unerkannt bleiben, auch von meinem saubern Herrn Gemahl, der dieses Abendkleid noch nicht kennt!
FALKE
tritt ihr entgegen
Ich bedaure, gnädige Frau …
ROSALINDE
Ach, Sie, Herr Doktor! So wäre wirklich wahr, was Sie mir geschrieben haben?
FALKE
Ein Blick in den Garten wird Sie überzeugen. Sehen Sie dort Ihren Herrn Gemahl, wie er seinen Arrest abbüsst!
ROSALINDE
Am Arm einer Dame - abscheulich! Doch was ist das? Nein, ich irre mich nicht! Das ist ja Adele, mein Kammermädchen!
FALKE
Allerdings, das ist Adele, Ihr Kammermädchen!
ROSALINDE
In solche Gesellschaften geht er!?
FALKE
scheinheilig
Mich hat er auch dazu verführt!
ROSALINDE
maliziös
Armer Verführter! - Und wie sie sich in meiner Robe brüstet! Na warte, Mamsell, dir werde ich ein Rezept für deine alte Tante verschreiben!
FALKE
Nur heute nicht, gnädige Frau, ich bitte!
ROSALINDE
Besorgen Sie nichts! Das Pulverfass wird erst morgen explodieren, aber dann wird es einen fürchterlichen Krach geben!
FALKE
Pst, man kommt!
Rosalinde setzt die Maske auf.
ZEHNTER AUFTRITT
Rosalinde. Falke. Eisenstein. Frank.
EISENSTEIN
Arm in Arm mit Frank aus dem Garten
Haha, das ist eine köstliche Unterhaltung!
ROSALINDE
für sich
Was seh ich? Auch der Gefängnisdirektor hier!
FRANK
Ihre Uhr, Marquis, ist ein wahrer Talisman!
ROSALINDE
für sich
Für einen Marquis gibt sich der Spitzbube aus!
EISENSTEIN
Nicht wahr? Ja, ich habe ihr schon unzählige Eroberungen zu danken!
FALKE
Wenn das deine Frau wüsste
EISENSTEIN
Haha, mein armes Weibchen träumt jetzt wahrscheinlich von ihrem Gabriel!
ROSALINDE
für sich
Und ihr Gabriel macht sich lustig über sie!
FRANK
Sie wohnen in der Nähe, Marquis?
EISENSTEIN
Ganz in der Nähe; zehn Minuten von hier … da rechts herum.
FRANK
Gerade wie ich … nur links herum. Sonderbar, dass wir uns bis jetzt noch nirgends getroffen haben! Aber in Zukunft hoffe ich, Sie recht bald bei mir zu sehen.
FALKE
lacht
Jawohl, und das schon morgen!
EISENSTEIN
bietet Frank die Hand
Wir wollen Freunde sein!
FRANK
Von Herzen gern!
EISENSTEIN, FRANK
umarmen sich
Ein Herz und eine Seele!
FALKE
lacht laut
Haha!
EISENSTEIN
Was gibt's denn wieder zu lachen?
FALKE
Sich in Gegenwart schöner Frauen umarmen.
FRANK
Alle Wetter …
EISENSTEIN
Das ist wohl …?
FALKE
Die ungarische Gräfin, von der ich sprach. Sie soll bezaubernd schön sein.
EISENSTEIN
Donnerwetter, das wäre was für mich! Überlasst sie mir, meine Herren!
FALKE
Meinetwegen, du Nimmersatt!
FALKE
Viel Glück, Marquis, viel Glück!
FRANK
im Abgehen zu Falke
Dieser Marquis ist ein ebenso lustiger Freund wie Ihr Eisenstein, lieber Doktor!
ELFTER AUFTRITT
Rosalinde. Eisenstein.
EISENSTEIN
der das letzte gehört hat, für sich
Ich bin gerade so lustig wie ich? Was weiss er denn von Eisenstein? Er kennt mich ja als Eisenstein gar nicht!
ROSALINDE
tritt auf Eisenstein zu, ergreift ihn beim Arm, sieht ihm lange und scharf ins Gesicht.
EISENSTEIN
verlegen
Nanu?
ROSALINDE
lässt von ihm ab, grimmig für sich
Wie gern ich ihn beim Schopfe nehmen möchte; aber ich darf mich nicht verraten!
EISENSTEIN
für sich
Sapperlot, die scheint Feuer zu haben! Ungarisch Blut! An das Märchen von der Gräfin und der hohen Aristokratie glaube ich nicht. Sie wird auf die Uhr anbeissen wie die andern!
zieht die Uhr hervor
ROSALINDE
für sich
Was hat er vor? Ah, er sprach ja vorhin von seiner Uhr, der er unzählige Eroberungen verdankt!
EISENSTEINlässt die Uhr repetieren.ROSALINDEmit verstellter StimmeWelch allerliebste Damenuhr!
EISENSTEINJa, sie ist niedlich.
ROSALINDEWo kauft man denn so niedliche Uhren?
EISENSTEINIch habe sie beim Juwelier gekauft, um sie einer liebenswürdigen Künstlerin als Zeichen meiner Huldigung darzubringen.
ROSALINDEIn der nächsten Woche werde ich debütieren.
EISENSTEINfür sichAlso nicht Gräfin, sondern Künstlerin!
ROSALINDEDer Herr Intendant hat mir viel Schönes auf der Probe gesagt.
EISENSTEINfür sichAuf mein Experiment kann ich mich verlassen!
ROSALINDEUm Vergebung, Herr Marquis, sind Sie verheiratet?
EISENSTEINIch? Wie können Sie so etwas glauben!
ROSALINDEfür sichDu Erzheuchler!
EISENSTEINErlauben Sie auch mir eine Frage: wäre es nicht endlich an der Zeit, ein wenig die Maske zu lüften?
ROSALINDEHeute nicht; aber morgen will ich mich Ihnen ohne Maske zeigen.
EISENSTEINärgerlichMorgen ist es nicht möglich.
ROSALINDEWarum nicht morgen?
EISENSTEINIch … ich … habe Sitzung morgen.
ROSALINDESitzung?
EISENSTEINEine geheime Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit!
ROSALINDEVielleicht werde ich auch dabeisein!
EISENSTEINSie scherzen!
für sichSie ist wirklich zum Entzücken!
lässt die Uhr repetierenROSALINDEfür sichWenn ich nur die Uhr erwischen könnte! Das wäre ein treffliches Corpus delicti!
Nr. 9 - Duett
EISENSTEINfür sichDieser Anstand, so manierlich,
Diese Taille, fein und zierlich
Und ein Füsschen, das mit Küssen
Glühend man bedecken sollt,
Wenn sie's nur erlauben wollt!
ROSALINDEfür sichStatt zu schmachten im Arreste
Amüsiert er sich aufs beste,
Denkt ans Küssen statt ans Büssen;
Warte nur, du Bösewicht,
Du entgehst der Strafe nicht!
EISENSTEINAch, wie leicht könnt es entschweben,
Dies holde Zauberbild!
Willst du nicht die Maske heben,
Die dein Antlitz mir verhüllt?
ROSALINDEEi, mein schöner Herr, ich bitte,
Nicht verwegen, nichts berührt;
Denn es heischt die gute Sitte,
Dass man Masken respektiert.
für sichWie er girret, kokettieret,
Wie er schmachtend mich fixieret!
Keine Mahnung, keine Ahnung
Kündet ihm, wer vor ihm steht!
Ja, bald werd ich reüssieren,
Will den Frevler überführen,
Will's probieren, ob er in die Falle geht!
EISENSTEINfür sichHalb verwirret, halb gerühret,
Retirieret sie vor mir!
Lasst doch sehn, ob es geht,
Ob sie widersteht?
Ja, bald werd ich reüssieren,
Ich will doch sehn, ob sie mir widersteht,
Ob sie in die Falle geht?
lässt die Uhr repetierenROSALINDEplötzlichAch, wie wird mein Auge trübe,
Wie das Herz so bang mir schlägt!
EISENSTEINtriumphierendHa, schon meldet sich die Liebe,
Die das Herz ihr bang bewegt!
ROSALINDELeider ist's ein altes Übel,
Doch vorübergehend nur.
Stimmen meines Herzens Schläge
Mit dem Tiktak einer Uhr?
EISENSTEINEi, das können wir gleich sehn!
ROSALINDEZählen wir, ich bitte schön!
BEIDEJa, zählen wir, ja, zählen wir!
EISENSTEINindem er die Uhr ans Ohr, die Hand auf ihr Herz legtEins, zwei, drei, vier …
ROSALINDEFünf, sechs, siebn, neun!
EISENSTEINNein, das kann nicht sein,
Denn nach der Sieben kommt erst die Acht!
ROSALINDESie haben mich ganz verwirrt gemacht,
Wir wollen wechseln.
EISENSTEINWechseln? Wie?
ROSALINDEDen Schlag des Herzens zählen Sie
Und ich das Tiktak Ihrer Uhr.
Ich bitt auf fünf Minuten nur!
nimmt die Uhr, die ihr Eisenstein reicht.Jetzt zählen Sie, mein Herr Marquis!
EISENSTEINBin schon dabei!
BEIDEEins, zwei, drei, vier
Fünf, sechs, siebn, acht!
ROSALINDENeun, zehn, elf, zwölf,
Dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechzehn,
Siebzehn, achtzehn, neunzehn, zwanzig,
Dreissig, vierzig, fünfzig, sechzig,
Achtzig, hundert!
EISENSTEINSechs, siebn, acht, neun, zehn, elf, zwölf,
Hopp, hopp, hopp, hopp, das geht im Galopp:
Sechshundertundneun!
ROSALINDESo weit können wir noch nicht sein!
EISENSTEINOh, ich bin weiter schon!
ROSALINDENein, nein!
EISENSTEINEine halbe Million, ja, eine halbe Million!
ROSALINDEWie kann man gar so grob nur fehlen?
EISENSTEINDa mag der Teufel richtig zählen!
ROSALINDEsteckt die Uhr einHeute wirst du nimmer repetieren!
EISENSTEINSie will die Uhr sich annektieren,
Meine Uhr!
ROSALINDEIch danke von Herzen!
EISENSTEINIch wollte nur …
ROSALINDEBelieben zu scherzen!
EISENSTEINSie ist nicht ins Netz gegangen,
Hat die Uhr mir abgefangen.
Dieser Spass ist etwas teuer,
Hab blamiert mich ungeheuer.
Ach, meine Uhr, ich bitte sehr,
Ich wollte nur …
Sie ist nicht ins Netz gegangen,
Ach, meine Uhr, hätte ich sie wieder nur.
O weh, o weh, dieser Spass ist etwas teuer,
Hab blamiert mich ungeheuer.
Meine Uhr ist annektiert,
Ach, ich bin blamiert! Weh mir!
ROSALINDEbegleitet Eisensteins Gesang mit einem übermütigenAch, ja, ja!
ZWÖLFTER AUFTRITT
Vorige. Orlofsky. Adele. Ida. Falke. Frank. Herren und Damen. Später Diener.MELANIEzu FalkeDen Spass müssen Sie uns erzählen, Doktor!
FAUSTINEbemerkt RosalindeAh, da ist ja das Mädchen aus der Fremde!
IDADie interessante Unbekannte, die uns der Doktor angekündigt!
ADELEIch wäre doch sehr begierig, ihr ins Auge zu blicken.
DIE DAMENIch auch! Ich auch!
ADELEWir wollen den Sturm wagen.
zu RosalindeSchöne Unbekannte, wenn Sie nicht gar zu hässlich …
FAUSTINE… oder die Prinzessin mit dem Totenkopf sind …
ADELE… möchten wir Sie bitten, sich zu demaskieren!
ALLEDemaskieren! Demaskieren!
ORLOFSKYHalt, meine Herrschaften, das ist wider die Abrede. In meiner Villa hat jede Dame das Recht, sich zu verhüllen oder zu enthüllen, so weit es ihr beliebt.
zu RosalindeGanz ungeniert, meine Holde!
EISENSTEINnach seiner Uhr blickendOh, die Holde geniert sich gar nicht. Meine Uhr ist futsch!
ADELEÜbrigens könnte ich zehn gegen eins wetten, dass sie keine Ungarin ist. Eine Dame jenseits der Leitha hat mehr Feuer und wäre in unserer Gesellschaft längst explodiert!
ORLOFSKYUnd dennoch ist sie eine Ungarin!
MELANIEUnd wer verbürgt uns das, Durchlaucht?
ROSALINDEDie Musik verbürgt es!
ALLEDie Musik?
ROSALINDEJa, die nationalen Töne meines Vaterlands mögen für mich sprechen!
Nr. 10 - Csárdás
ROSALINDEKlänge der Heimat, ihr weckt mir das Sehnen,
Rufet die Tränen ins Auge mir!
Wenn ich euch höre, ihr heimischen Lieder,
Zieht mich's wieder, mein Ungarland, zu dir!
O Heimat, so wunderbar, wie strahlt dort die Sonne so klar,
Wie grün deine Wälder, wie lachend die Felder,
O Land, wo so glücklich ich war!
Ja, dein geliebtes Bild meine Seele so ganz erfüllt,
Und bin ich auch von dir weit,
Dir bleibt in Ewigkeit doch mein Sinn immerdar
Ganz allein geweiht!
O Heimat, so wunderbar, wie strahlt dort die Sonne so klar,
Wie grün deine Wälder, wie lachend die Felder,
O Land, wo so glücklich ich war!
Feuer, Lebenslust schwellt echte Ungarbrust,
Hei, zum Tanze schnell, Csárdás tönt so hell.
Braunes Mägdelein, musst meine Tänz'rin sein,
Reich den Arm geschwind, dunkeläugig Kind!
Zum Fiedelklingen tönt jauchzend Singen: ho, ha, ha!
Mit dem Sporn geklirrt, wenn dann die Maid verwirrt
Senkt zur Erd' den Blick, das verkündet Glück!
Durst'ge Zecher, greift zum Becher,
Lasst ihn kreisen schnell von Hand zu Hand!
Schlürft das Feuer im Tokaier,
Bringt ein Hoch dem Vaterland!
Feuer, Lebenslust schwellt echte Ungarbrust,
Hei, zum Tanze schnell, Csárdás tönt so hell.
Lalalala!
ALLEapplaudierendBrava! Bravissima!
MELANIEzu FalkeWas ist's mit dem versprochnen Spass, Doktor?
FALKESie meinen?
RAMUSINDie Geschichte von der Fledermaus!
EISENSTEINVon der Fledermaus ist die Rede? Das war ja meine Komödie, in der ich dem armen Doktor die Titelrolle zuteilte. Ein köstlicher Spass, dem er zum Opfer fiel. Seine Blamage kann er euch doch nicht selbst beschreiben!
FAUSTINESo erzählen Sie, Marquis!
EISENSTEINzu FalkeDarf ich?
FALKEOhne Bedenken!
EISENSTEINVor drei Jahren waren Falke und ich noch ein paar lustige, fidele Brüder …
ADELEOh, das seid ihr noch!
ROSALINDEleise zu FalkeUnverschämt!
FALKEPst! Verraten Sie sich nicht!
EISENSTEINWir wohnten beide in dem Städtchen Weinberg. Falke war damals schon Notar, ich aber war noch unverheiratet.
ALI BEYWie? Sie sind verheiratet, Marquis?
ROSALINDEEntsetzlich! Eine Frau haben Sie? Oh, meine Hoffnungen!
EISENSTEINHoffen Sie deswegen ungeniert, holde Uhrabzwickerin! Meine Frau ist steinalt und hässlich wie eine Nachteule.
ROSALINDEzu FalkeWas für ein schmeichelhaftes Porträt!
EISENSTEINAuf einem Schlosse, zwei Meilen von unserem Städtchen, gab die Herrschaft einen Maskenball, zu dem wir auch eingeladen waren. Ich maskierte mich als Papillon, und der Doktor als Fledermaus.
ALLEFalke als Fledermaus! Haha!
EISENSTEINGanz eingenäht in ein braunes Fell, lange Krallen, breite Flügel und einen ungeheuren gelben Schnabel …
MURRAYBei uns in Kanada haben die Fledermäuse keine gelben Schnäbel!
EISENSTEINDas ist möglich, aber er hatte einen und sah famos aus als Gelbschnabel.
ALLEWir glauben's.
EISENSTEINWir fuhren in einem Fiaker miteinander auf den Ball, unterhielten uns köstlich; ich wollte mir jedoch einen Extrajux leisten und trank unserem Doktor fleissig zu, so dass er gegen Morgen kanonenvoll betrunken war. Dann legte ich ihn in den Wagen, fuhr mit ihm in ein kleines Gehölz, bettete ihn unter einen Baum und machte mich aus dem Staub. Er merkte davon nichts, sondern schlief wie ein Murmeltier.
ALLEHaha, der arme Doktor!
EISENSTEINAls er endlich erwachte, musste er bei hellem, lichtem Tag als Fledermaus zum Gaudium aller Schulkinder in die Stadt marschieren, bis er endlich unter starker Begleitung seine Wohnung erreichte.
ALLEHahaha!
EISENSTEINSeitdem wurde er in Weinberg nur noch Dr. Fledermaus genannt.
IDAUnd er hat sich nicht gerächt für den groben Spass?
EISENSTEINOh, ich bin auf meiner Hut!
FALKEAufgeschoben ist nicht aufgehoben! Vielleicht erleben wir schon morgen, wer von uns den ersten Preis als Spassmacher verdient.
FRANKMarquis, diese Fledermaus-Idee war süperb! Einen solchen Spass kann nur ein Marquis erfinden!
FALKEzur GesellschaftTrinkt dem Marquis und dem Chevalier fleissig zu, ich bitte euch.
ORLOFSKYVorwärts, zu Tische, meine Damen und Herren!
ALLEZu Tisch, zu Tische!
Man setzt sich zur Tafel. Diener servieren.EISENSTEINzu RosalindeWird auch jetzt noch nicht die Maske fallen?
ROSALINDEAuch jetzt noch nicht, aber morgen!
1. DIENERzu EisensteinChâteau Laroie oder Champagner?
EISENSTEINBeides, mein Freund, beides!
2. DIENERzu FrankChâteau Laroie oder Champagner?
FRANKNicht "oder", sondern "und"! Gleiches Recht für beide!
EISENSTEINsingtFreut euch des Lebens …
MELANIEErlaubt Ihnen denn aber auch Ihre Marquise, sich hier Ihres Lebens zu freuen?
EISENSTEINOh, Sie liebe Unschuld! Glauben Sie denn, ich sage ihr immer, wohin ich gehe? Meine Alte glaubt mich jetzt ganz wo anders.
ROSALINDEerbostSeine Alte!
MELANIESie soll leben, Ihre Alte!
ALLEheben die GläserHoch!
ORLOFSKYauf Rosalinde deutendAuch die schöne Helena dort!
ALLEHoch, hoch!
EISENSTEINVielleicht hat sie auch einen recht dummen Menelaus!
ORLOFSKYSagt mir doch, Kinder, woran liegt es, dass die Soupers auf dem Theater das Publikum so wenig amüsieren?
ADELEWeil das Publikum mit trockenem Munde zusehen muss!
FALKEUm auf dem Theater ein amüsantes Souper darzustellen, müsste man auch dem Publikum Champagner servieren lassen und jedem Herrn erlauben, seine Nachbarin zu umarmen!
DIE HERRENWie wir zum Beispiel! Umarmen ihre Damen.
ORLOFSKYerhebt sich, das Glas in der HandChampagner, König aller Weine! Hoch die sprudelnde Majestät und ihre Untertanen!
ALLEHoch!
Nr. 11 - Finale
ORLOFSKYIm Feuerstrom der Reben, trala, la la la la la la,
Sprüht ein himmlisch Leben, trala, la la la la!
Die Könige, die Kaiser,
Sie lieben Lorbeerreiser,
Doch lieben sie daneben
Den süssen Saft der Reben.
Stosst an, stosst an und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLEStosst an, stosst an, stosst an!
ORLOFSKYDie Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste sie genannt.
ALLEDie Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste genannt,
Es lebe Champagner der Erste!
EISENSTEINDer Mönch in stiller Zelle, trala, la la la la la la,
Labt sich an dem Quelle, trala, la la la la la!
Zu netzen seine Lippen,
Muss viel und oft er nippen
Und holt sich aus dem Glase
Rubinen auf die Nase.
Stosst an, stosst an und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLEStosst an, stosst an, stosst an!
EISENSTEINDie Majestät wird anerkannt rings im Land usw…
ALLEDie Majestät wird anerkannt usw…
ADELEDir huldigen Nationen, trala, la la la la la la,
Bis zu den fernsten Zonen, trala, la la la la la!
Champagner schwemmt mitunter
Gar mancherlei hinunter.
Drum lassen weise Fürsten
Die Völker niemals dürsten.
Stosst an, stosst an und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLEStosst an, stosst an, stosst an!
ADELEDie Majestät wird anerkannt rings im Land usw…
ALLEDie Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste genannt!
EISENSTEINzu FrankHerr Chevalier, ich grüsse Sie!
FRANKMerci, merci, merci!
Auf Ihr Spezielles, Herr Marquis!
FALKEAuf Ihr Wohl, Chevalier und Marquis!
EISENSTEIN, FRANKMerci, merci, merci!
ROSALINDE, ADELE, IDA, ORLOFSKYHahaha!
ALLEMerci, merci, merci!
FALKEHalt, hört mich an, was ich ersann!
ALLEHört ihn an!
FALKEIch seh, dass sich die Paare gefunden,
Dass manche Herzen in Liebe verbunden,
Drum lasset uns alle ein grosser Verein
Von Schwestern und von Brüdern sein!
ORLOFSKYEine grosse Brüderschaft, es sei!
ALLEEine grosse Brüderschaft, es sei!
EISENSTEINzu RosalindeAuch Ihr, schöne Maske, seid dabei?
ROSALINDEWo alle küssen, werd ich's auch müssen!
FALKEFolgt meinem Beispiel, das Glas zur Hand,
Und jeder singe, zum Nachbar gewandt:
Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein
Wollen alle wir sein, stimmt mit mir ein!
Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein,
Lasst das traute Du uns schenken
Für die Ewigkeit, immer so wie heut,
Wenn wir morgen noch dran denken!
Erst ein Kuss, dann ein Du, Du, Du immerzu!
ALLEBrüderlein, Brüderlein und Schwesterlein,
Stimmet alle mit uns ein.
Lasst das traute Du uns schenken
Für die Ewigkeit, immer so wie heut,
Wenn wir morgen noch dran denken!
Erst ein Kuss, dann ein Du, Du, Du immerzu!
Duidu, Duidu, la la la!
Ballett
a) Spanischb) Russischc) Böhmisch (Polka)CHORzur PolkaMarianka, komm und tanz me hier!
Heut ist's schon vsecko jedno mir!
Me tanzen's Polka alle zwei,
Wo is e Hetz', is Böhm dabei.
Toje heski musitschku,
Auf Trumpetel, Klarinettel
So wie cesky Musikant
Blast me in kein andre Land!
Marianka, komm und tanz me hier usw…
d) UngarischORLOFSKYnach dem ungarischen TanzGenug damit, genug! Diese Tänzer mögen ruhn.
Bei rauschender Weise im fröhlichen Kreise
Lasset uns selbst hier tanzen nun!
ALLEStellt euch zum Tanz!
Ja, ein Tanz, ein wirbelnder Tanz
Erhöht des Festes Glanz!
ALLEHa, welch ein Fest, welche Nacht voll Freud'!
Liebe und Wein gibt uns Seligkeit.
Ging's durch das Leben so flott wie heut,
Wär' jede Stunde der Lust geweiht!
EISENSTEINsich an Frank haltendDu bist meine Stütze, Freund!
FRANKebenfalls taumelndJa, deine Stütze fürs Leben!
ROSALINDE, ORLOFSKY, FALKEWelch ein rührend Wiedersehen
Wird das im Arreste geben!
ALLEHa, welch ein Fest, welche Nacht voll Freud'!
Liebe und Wein gibt uns Seligkeit.
Ging's durch das Leben so flott wie heut,
Wär' jede Stunde der Lust geweiht!
FRANKzu EisensteinBrüderl, meine Uhr geht schlecht,
Schau, wieviel's auf deiner ist?
EISENSTEINBrüderl, meine geht auch nicht recht,
Weil sie schon gegangen ist!
zu RosalindeHolde, hier vor allen
Lass die Maske endlich fallen,
Dass ich seh, wer mich besiegt
Und wer meine Uhr gekriegt!
ROSALINDEVerlang nicht zu schaun, was hier verhüllt,
Erbeben würdest du vor diesem Bild!
EISENSTEINHuhu, was heisst denn das?
ADELE, IDAHaha, ein guter Spass!
ALLEFürwahr, ein prächtiger Spass!
ADELEBist du ein Mann, schau dir sie an!
DAMEN UND HERRENSchau sie an!
IDAZurück jetzt zu weichen, wäre Blamage!
DAMEN UND HERRENSchau sie an, schau sie an!
EISENSTEINOh, ich habe schon Courage!
Schätzchen, sträub dich länger nicht!
ROSALINDEHab ein Wimmerl auf der Nase,
Drum verberg ich mein Gesicht!
EISENSTEINAn das Wimmerl glaub ich nicht!
ADELE, FALKE, FRANKNein, das Wimmerl schreckt ihn nicht!
EISENSTEINSehen muss ich dies Gesicht!
ADELE, IDA, ORLOFSKY, FALKE, FRANKEr muss sehen dies Gesicht!
Während er auf Rosalinde eindringt, hat sich Falke an der Standuhr am Kamin zu schaffen gemacht und lässt diese schlagen; der Tanz hört auf.EISENSTEIN, FRANKzählen die Schläge der UhrEins! Zwei! Drei! Vier! Fünf! Sechs!!
Meinen Hut, meinen Hut, 's ist die höchste Zeit!
ALLESeinen Hut, seinen Hut, hört doch, wie er schreit!
EISENSTEINDer Arrest wartet mein!
FRANKLängst sollt' ich zu Hause sein!
Meinen Rock, meinen Rock, gebt mir meinen Rock!
ALLESeinen Hut, seinen Rock, hahaha,
Seinen Rock, gebt ihm seinen Hut! Hahaha!
FRANKsich an Eisenstein lehnendEine kurze Strecke gehst du mit mir!
EISENSTEINAn der nächsten Ecke, da scheiden wir!
BEIDESo lass uns gehn!
ALLEAuf Wiedersehn, haha!
Ha, welch ein Fest, welche Nacht voll Freud'!
Liebe und Wein gibt uns Seligkeit!
Ging's durch das Leben so flott wie heut,
Dann wäre jede Stund' der Lust geweiht!
ROSALINDE, ADELE, ORLOFSKYLala, lala, lala, lala!
Eisenstein und Frank bewegen sich schwankend dem Ausgang zu, umringt von den Tanzenden.